Erster Analysetreff für Musiktheoriestudierende
Hochschule für Musik Würzburg
6.1.2024
Theresa-Marie Hetzel
Anfang des Jahres fanden sich vier Musiktheoriestudierende von vier verschiedenen Hochschulen zu einem erstmals veranstalteten Analysetreff in Würzburg zusammen. Die Idee einer solchen Veranstaltung war angeregt durch die von der GMTH konzipierte Autumn School. Das Ziel des Treffens war ein fachlicher wie persönlicher Austausch, und die vier Teilnehmer*innen waren zugleich das Organisationsteam. Als Grundlage für den Austausch und für Diskussionen dienten Vorträge der Teilnehmer*innen zu selbst gewählten Themen:
Paula Kaiser von der Hochschule für Musik Würzburg referierte über die Phänomene ›Entwickelnde Variation‹ und ›Substanzgemeinschaft‹. Mit Blick auf die Satztechnik und die motivische Anlage im Kopfsatz von Johannes Brahms’ Klavierquintett f-Moll op. 34 wurden ausgehend von den beiden Termini unterschiedliche Überlegungen angestellt und analytische Vorgehensweisen diskutiert.
Theresa-Marie Hetzel von der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf stellte Brian Ferneyhoughs drittes Streichquartett vor. Hierbei wurden sowohl der Stellenwert variabler Metren für die großformale Anlage als auch die strukturelle Bedeutung von Gestik unterstrichen. Ein weiterer Punkt war die Betrachtung des Initialklanges der Komposition, dem die übergeordnete harmonische Anlage des ersten Satzes bereits innezuwohnen scheint.
Über Polyfunktionalität im Kontrapunkt informierte Henrik Schuld von der Hochschule für Musik Mainz. Er beleuchtete den Zusammenhang von Tonalität und kontrapunktischer Technik in den »Due Fughe in una dissimili nel modo«, einer Sammlung von Werken Pietro Raimondis, bestehend aus jeweils zwei Fugen in unterschiedlichen Tonarten, die sowohl nacheinander als auch simultan aufgeführt werden können. Der Fokus lag dabei auf den aus diesem Kompositionsprinzip resultierenden spezifischen Anforderungen sowohl an die Themengestaltung als auch an den formalen Aufbau der Fugen.
Sebina Weich von der Scola Cantorum Basiliensis dachte in ihrem Referat mit dem Titel »Scherzhafte Notation – ein Blick in den Anhang des Hagenbacher Liederbuchs« über eine bestimmte Schreibmarotte nach, die diese Sammlung aus dem Jahr 1518 charakterisiert. Statt einer Werkanalyse stand hier gemeinsames Entschlüsseln des Notentextes im Vordergrund. Die Teilnehmenden kamen in ein reges Gespräch über ihre individuellen Erfahrungen mit Mensuralnotation und Kontrapunktik in Renaissancestilen.
Die inhaltliche wie methodische Bandbreite der vier Vorträge erwies sich als fruchtbar insbesondere hinsichtlich der Einschätzung der didaktischen und diskursiven Angemessenheit von Analysewerkzeugen und der Fragen an Werke und Sachverhalte unterschiedlicher Epochen und Gattungen. Ein Folgetreffen ist für den 2.–4.8.2024 an der Hochschule für Musik Mainz geplant. Durch eine Verstetigung dieses Formats erhoffen wir uns sowohl eine breitere Teilnahme als auch die Schließung von Lücken im Hinblick auf das Wissen darum, wie an den Hochschulen und Musikuniversitäten im deutschsprachigen Bereich musikanalytisch gearbeitet wird und welche Methodiken und Traditionen des Analysierens die jeweiligen Institutionen kennzeichnen.
Großer Dank gilt der Hochschule für Musik Würzburg für die Bereitstellung der Räumlichkeiten für das Treffen, Maren Wilhelm und Anne Hameister, die mit der Organisation der Autumn School den Anstoß zur Entstehung des Analysetreffs gegeben haben, sowie den Hauptfachprofessor*innen der Studierenden (Almut Gatz, Johannes Menke, Immanuel Ott, Matthias Tschirch und Frank Zabel) für die Unterstützung bei der Erarbeitung der Beiträge.
Zu der Autorin
THERESA-MARIE HETZEL (*1997 in Brunsbüttel) studierte von 2017 bis 2019 Musik und Medien an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, seit 2019 studiert sie ebendort Musiktheorie/Hörerziehung bei Prof. Frank Zabel. Sie ist zudem als Komponistin und Improvisateurin – insbesondere im interdisziplinären Bereich (Live-Musik/-Impro und Artistik) – tätig und arbeitet als Tutorin für Musiktheorie.