Weidner, Verena (2024), »Ästhetischer Streit im Musik(theorie)unterricht. Empirische Beobachtungen und didaktische Überlegungen zur Gesprächsführung im Unterricht und in der Hochschullehre« [Aesthetic dispute in music (theory) lessons. Empirical observations and didactic considerations on conducting discussions in the classroom and in tertiary education], Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 21/1. https://doi.org/10.31751/1203
eingereicht / submitted: 06/02/2024
angenommen / accepted: 01/03/2024
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 20/07/2024
zuletzt geändert / last updated: 16/07/2024

Ästhetischer Streit im Musik(theorie)unterricht

Empirische Beobachtungen und didaktische Überlegungen zur Gesprächsführung im Unterricht und in der Hochschullehre

Verena Weidner

Der Artikel thematisiert diskursive Gespräche im schulischen Musikunterricht und der musiktheoretischen Hochschullehre. Dazu wird zunächst die der Allgemeinen Didaktik entstammende Unterrichtsmethode indirekte Instruktion vorgestellt und von direkter Instruktion einerseits und fragend-entwickelndem Unterricht andererseits abgegrenzt. Daran anknüpfend konkretisiert der Bezug auf Ästhetischen Streit als eine der musikpädagogischen Literatur entnommene Gesprächsform die allgemeindidaktischen Überlegungen für speziell musikbezogene Unterrichts- und Lehrkontexte. Die sich anschließenden empirischen Beobachtungen gehen teils auf musik(theorie)didaktische Literatur zurück und sind teils im Rahmen eines an der Universität Erfurt durchgeführten Forschungsprojekts zur Gesprächsführung im (Musik-)Unterricht entstanden. Sie beziehen sich zum einen auf Diskrepanzen bezüglich der Offenheit oder Geschlossenheit einer jeweiligen Gesprächssituation, zum anderen auf das mitunter auffällige Aufeinandertreffen unterschiedlicher sprachlicher Register bei der Äußerung musikalischer Urteile. Abschließend werden mögliche Implikationen für eine sowohl schul- als auch hochschulbezogene Didaktik der Musiktheorie diskutiert, die darauf abzielt, die theoretische Auseinandersetzung mit Musik mit der ästhetischen Praxis von Schüler:innen und Studierenden in Verbindung zu bringen.

This article focuses on discursive conversations in music lessons in schools and in music theory teaching at a tertiary level. To this end, the teaching method of indirect instruction, which originates from general didactics, is first introduced and differentiated from direct instruction, on the one hand, and question-developing teaching (“fragend-entwickelnder Unterricht”), on the other. Following on from this, the reference to aesthetic argument as a form of dialogue taken from music education literature concretises the general didactic considerations for specific music-related teaching and learning contexts. The empirical observations that follow are based partly on music (theory) didactic literature and partly on a research project on dialogue in (music) lessons conducted at the University of Erfurt. They refer to discrepancies regarding the openness or closed nature of a particular conversational situation, as well as to the sometimes conspicuous clash of different linguistic registers in the expression of musical judgements. Finally, possible implications for a didactics of music theory for both schools and universities are discussed, which aims to connect the theoretical examination of music with the aesthetic practice of students at schools and universities.

Schlagworte/Keywords: aesthetic judgement; classroom discourse; conversation analysis; critical thinking; Gesprächsforschung; higher education; Hochschuldidaktik; music education; musikalisches Urteil; Musikunterricht; Unterrichtsgespräch

Musiktheorie im (hoch-)schulischen Unterricht

Steht die Frage im Raum, wie Musiktheorie im schulischen Unterricht oder der hochschulischen Lehre idealerweise aussehen sollte, dann fallen die Antworten von Musiktheoretiker:innen und Musikpädagog:innen oft ähnlich aus. Musiktheorie soll kein Selbstzweck sein[1] und »nicht als Fremdkörper, sondern möglichst selbstverständlich«[2] eingesetzt werden. Die theoretische Brille ist so zu wählen, dass sie der Musik entspricht.[3] Und analytische, musizierpraktische und hörende Zugänge sind am besten möglichst nahtlos zu integrieren.[4]

Die Unterrichtspraxis dürfte nach wie vor häufig anders aussehen. Dies wird besonders dann deutlich, wenn Lehrkräfte mit Musiktheorie eine vom Hören losgelöste »Menge an Inhalten«[5] verbinden, die von den Schüler:innen immer wieder vergessen werden und deshalb »eingeübt, häufig wiederholt und abgefragt werden müssen«,[6] oder darin ein logisches System erkennen, das die Lernenden oft nicht begreifen.[7] Eine Kluft zwischen pädagogischem Ideal und Unterrichtspraxis lässt sich aber auch dort erahnen, wo in Bezug auf Musik eine gewisse Sprachlosigkeit beklagt wird. Weder Schüler:innen[8] noch (angehende) Lehrer:innen[9] seien ausreichend kompetent darin, musikalische Produkte und Erfahrungen für andere nachvollziehbar und mit geeigneten Begriffen zu beschreiben oder die damit verbundenen Gespräche zu moderieren.

Ein Weg zur Vermittlung von Wunsch und Realität kann die Orientierung an »Ästhetischem Streit« (siehe unten) und indirekt instruktiven Gesprächspraktiken sein. Indirekte Instruktion ist eine Unterrichtsmethode für anspruchsvolle Lernziele wie etwa das Analysieren, das Problemlösen oder das Beurteilen von Sachverhalten. Sie steht im Zentrum eines Forschungsprojektes, das derzeit im Rahmen der bundesweiten Qualitätsoffensive Lehrerbildung an der Universität Erfurt durchgeführt wird. Unter dem Titel Methodentraining für effektives Unterrichten (2016–2023)[10] werden dort Trainingsbausteine entwickelt, die Studierende unterschiedlicher Lehramtsfächer dazu befähigen sollen, indirekte Instruktion in ihren Unterricht zu integrieren.[11] Voraussetzung dafür ist die Adaption der zunächst allgemeindidaktischen Methode für die Erfordernisse des jeweiligen Schulfaches, wobei das Erfurter Methodentraining sich besonders für Literatur-, Musik- und Mathematikunterricht interessiert. Bezogen auf den Musikunterricht bedeutet das u. a. eine Anpassung der Methode an die Erfordernisse ästhetischer Praxis und das didaktisch-methodische Konzept »Ästhetischer Streit«, bei dem das Aushandeln ästhetischer Positionierungen im Zentrum steht.

Die folgenden Ausführungen haben hier ihren Ausgangspunkt, nehmen aber zudem auf die musiktheoretische Hochschullehre Bezug. Kommt im Methodentraining die hochschulische Lehre also lediglich als Ort fachdidaktischer Trainingsprogramme[12] zur Sprache, nimmt der vorliegende Beitrag auch eine theoriedidaktische Perspektive ein. Dies reagiert einerseits auf bestehende Desiderate in der Didaktik der Musiktheorie selbst, die u. a. das vorliegende Themenheft der ZGMTH motiviert haben. Andererseits wird die Grundidee des pädagogischen Doppeldeckers aufgegriffen.[13] Sie legt es nahe, »das, womit man sich inhaltlich beschäftigt, auch gleichzeitig zu erleben und wieder in die kognitive Auseinandersetzung mit dem Inhalt einzubeziehen«.[14] Geht man dementsprechend davon aus, dass man musiktheoretische Inhalte im schulischen Kontext gewinnbringend in indirekt instruktiven und ästhetisch ausgerichteten Streitgesprächen thematisieren kann, dann liegt es nahe, diese Gesprächsform bereits in der hochschulischen Ausbildung erfahrbar zu machen.[15]

Im Fokus dieses Beitrags stehen Besonderheiten und Herausforderungen von Unterrichtsgesprächen, in denen die diskursive Auseinandersetzung mit Musik eine Rolle spielt. Verbunden damit ist die Frage nach dem möglichen Stellenwert ästhetischer Streitgespräche (auch und gerade) für die Theoriedidaktik. Dazu werde ich zuerst erläutern, was indirekte Instruktion und »Ästhetischer Streit« als didaktisch-methodische Orientierungen auszeichnet, bevor ich anschließend einige empirische Beobachtungen schildere, die für den weiteren Umgang mit ästhetischen Streitgesprächen in Forschung und Unterricht bzw. Lehre von Bedeutung sein dürften. Sie beziehen sich zum einen auf die Offenheit oder Geschlossenheit der jeweiligen Gesprächssituation, zum anderen auf das Aufeinandertreffen unterschiedlicher sprachlicher Register. Abschließend diskutiere ich mögliche Implikationen für eine Didaktik der Musiktheorie, die es sich zur Aufgabe macht, die ästhetische Praxis von Schüler:innen und Studierenden in die theoretische Auseinandersetzung mit Musik zu integrieren.

Indirekte Instruktion

Indirekte Instruktion ist eine Unterrichtsmethode für sinnstiftendes und kognitiv aktivierendes Lernen im Klassenunterricht.[16] Gemeint ist damit eine Form des Unterrichts, die sich z. B. vom Gruppenunterricht und der Einzelarbeit abgrenzt und bei der die Lehrkraft mit der gesamten Lerngruppe interagiert.[17] Sie verbindet sich mit problemorientierten Anforderungskontexten (problem-based learning), einer forschenden Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand (inquiry learning) sowie dem Erarbeiten von Begriffen (concept learning).

Ein Ausgangspunkt indirekter Instruktion ist eine abgewandelte Version der Lernzieltaxonomie nach Benjamin Bloom.[18] Sie staffelt Lernziele ihrem kognitiven Anspruch und dem Grad ihrer Authentizität nach. Während die unteren drei Stufen (erinnern, verstehen und anwenden) kognitiv weniger anspruchsvolle und weniger authentische Lernziele verkörpern, sind auf den oberen drei Stufen (analysieren, evaluieren und erschaffen) kognitiv zunehmend anspruchsvolle und bedeutsamere Zielsetzungen angesiedelt. Dies korreliert mit den für die jeweiligen Lernziele geeigneten Unterrichtsmethoden. Ziele, die auf einer der unteren Stufen verortet sind, wie etwa das Buchstabenlernen im Deutschunterricht, das Vokabellernen im Englischunterricht oder das Einstudieren von Liedern im Musikunterricht, sind am besten direkt instruktiv zu erreichen. Bei weiterem Stufenanstieg liegen hingegen indirekt instruktive Vorgehensweisen näher, ohne dass sich dazwischen ein scharfer Schnitt ausmachen ließe.[19]

Direkte und indirekte Instruktion unterscheiden sich sowohl in den Fragen oder Aufforderungen der Lehrkraft als auch in den zu erwartenden Beiträgen seitens der Lernenden. So zeichnet sich direkte Instruktion vor allem durch geschlossene Fragen und Aufforderungen aus, auf die entweder richtige oder falsche Antworten folgen.[20] Die Lehrkraft reagiert darauf mit einem entsprechenden Feedback und stellt entweder eine neue Frage oder gibt Hilfestellungen. Dadurch ergibt sich eine regelmäßige Abfolge aus Aufforderung (initiation), Antwort (response) und Feedback (feedback), das in der Unterrichtsspracherforschung unter der Bezeichnung IRF-Muster bekannt ist. Der folgende Gesprächsauszug in Abbildung 1 zeigt eine erweiterte Form dieses Musters anlässlich einer Liederarbeitung.

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Abbildung 1: Musterverlauf zur direkten Instruktion

Die Erweiterung besteht darin, dass die Lehrkraft anstelle eines unmittelbaren Feedbacks in Z. 3 zunächst eine Hilfestellung (prompting) gibt, um die Schüler:innen zu einer ausdrucksstärkeren Singweise anzuregen.

Indirekt instruktive Unterrichtssequenzen sind dagegen durch offenere Impulse geprägt, die ein ganzes Spektrum möglicher Antworten und einen eher argumentativen Zugang erwarten lassen. Anders als bei direkter Instruktion sind hier entsprechend längere Beiträge und eine insgesamt variantenreichere Gesprächsmoderation kennzeichnend. Lehrkräfte stellen dann z. B. Vertiefungsfragen, lassen die Lernenden passende (Gegen)Beispiele für ein zur Diskussion stehendes Konzept suchen, regen alternative Sichtweisen an oder fordern zur Beurteilung eigener oder fremder Aussagen auf.[21] Indirekt instruktiver Unterricht ist bislang nur in Ansätzen erforscht. Anschlüsse ergeben sich aber u. a. an dialogische Formen des Unterrichtens,[22] problembasiertes Lernen,[23] unterrichtsbezogene Argumentationsforschung,[24] den Erwerb bildungssprachlicher Praktiken[25] oder kognitive Aktivierung im Musikunterricht.[26]

Wichtig ist außerdem die Abgrenzung zu einer empirisch häufig anzutreffenden Form des Unterrichtsgesprächs, das als fragend-entwickelnd bezeichnet wird.[27] Auch hier ist ein offener Anfangsimpuls charakteristisch, die Beiträge der Schüler:innen werden jedoch unabhängig von ihrer sachlichen Passung zur Ausgangsfrage so lange abgelehnt oder nicht weiter beachtet, bis eine bestimmte, zum Unterrichtsplan passende Antwort genannt wird. Ein argumentativer Zugang bleibt aus, und das kognitive Niveau des Unterrichts ist entsprechend niedrig. Ein solches Muster zeigt etwa die Gesprächssequenz in Abbildung 3. Sie wurde in einer 3. Klasse in Vorbereitung einer Partiturlegeaufgabe erhoben (siehe Abb. 2).[28]

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Abbildung 2: Partiturlegeaufgabe im Musikunterricht einer 3. Klasse

Schüler:innen und Lehrkraft haben sich bereits über den am Boden befestigten Tapetenstreifen sowie die noch durch Tücher verdeckten Materialien verständigt.[29] Nun fragt die Lehrkraft, was zur Bearbeitung der Aufgabe »jetzt zuerst« (Z. 144) gebraucht werde (siehe Abb. 3). Dem folgt ein längerer Dialog, in dem die Lernenden teils einander wiederholend mit »na die Instrumente« (Z. 145 bzw. fast identisch in Z. 149 und Z. 171), »Stifte« (Z. 152; Z. 180), »einen Text und Noten« (Z. 159; ähnlich in Z. 186), »eine Idee« (Z. 162) und »die Zeichnung« (Z. 176) verschiedene Lösungen vorschlagen. Die Lehrkraft antwortet unbestimmt (»Die Instrumente meinst du«, Z. 146) bis ablehnend (»Das liegt ja alles schon bereit«, Z. 154 f.) oder variiert die Ausgangsfrage (Z. 156 f.), bevor sie die akzeptierte Antwort (»die Musik«, Z. 191) selbst nennt und sich mit den Kindern darauf verständigt, dass als Erstes der Song abgespielt werden soll.

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Abbildung 3: Anfang und Ende einer fragend-entwickelnden Gesprächssequenz im Musikunterricht einer 3. Klasse

Ästhetischer Streit

»Ästhetischer Streit« bezeichnet ein didaktisch-methodisches Konzept, das von Christian Rolle und Christopher Wallbaum in den musikpädagogischen Diskurs eingeführt und für verschiedene Unterrichtskontexte ausgearbeitet wurde.[30] Dazu zählen rezeptionsorientierte Settings, in denen z. B. die ästhetische Qualität einer soeben gehörten Musik zur Diskussion steht, aber auch produktions- oder kulturorientierte Unterrichtszusammenhänge, bei denen etwa über die Angemessenheit eigener musikalischer Erfindungen oder musikbezogener Deutungen verhandelt wird.

Ähnlich wie in indirekt instruktiven Unterrichtsgesprächen steht auch hier der diskursive Austausch im Zentrum, sodass man an die oben beschriebenen Charakteristika anknüpfen kann. So lassen sich z. B. viele der zur Moderation indirekt instruktiver Gespräche genannten Hinweise und Strategien auch für die Gestaltung ästhetischer Streitgespräche nutzen. Spezifischer als in indirekter Instruktion liegt der Fokus jedoch auf ästhetischen Formen des Austauschs und der Argumentation.[31] Das meint sowohl den Rekurs auf ästhetische Gegenstände und die damit verbundene Wahrnehmung als auch die Berücksichtigung des besonderen Geltungscharakters ästhetischer Urteile. Ästhetische Urteile lassen sich zwar mehr oder weniger plausibel begründen und dadurch intersubjektiv nachvollziehen. Inwieweit andere dem eigenen Urteil zustimmen, hängt allerdings nicht nur von der Überzeugungskraft der Argumentation, sondern auch von deren subjektiver Einstellung ab.[32] Anders als in einem z. B. mathematischen Streit über die Lösung einer komplexen Aufgabe ist in ästhetischen Streitgesprächen etwa über verschiedene Interpretationen eines Musikstückes der subjektive Eindruck also stets ein konstitutives Merkmal des diskursiven Austauschs. Ein weiterer Unterschied zwischen indirekter Instruktion und ästhetischem Streit betrifft die dafür geeignete Sozialform. Während indirekte Instruktion methodische Hinweise für den Klassenunterricht bietet, sind ästhetische Streitgespräche auch in Zweier- oder Gruppenkonstellationen denkbar. Wenn im vorliegenden Beitrag also von indirekt instruktiven ästhetischen Streitgesprächen die Rede ist, so meint dies eine bestimmte Form diskursiver Unterrichtsgespräche, bei denen im Klassenverband ästhetisch gestritten wird.

Ähnlich wie indirekt instruktiver Unterricht sind auch ästhetische Streitgespräche bislang kaum empirisch erforscht. Eine Ausnahme stellt Rolles Analyse eines Unterrichtsgesprächs in einer 10. Gesamtschulklasse dar, in der er die Kriterien Ästhetischen Streits heranzieht.[33] Ähnliches gilt für Wallbaums Untersuchungen zu Momenten erfüllter musikalisch-ästhetischer Praxis in drei unterschiedlich ausgerichteten Unterrichtsstunden.[34] Anknüpfen ließe sich außerdem z. B. an Forschungen zum ästhetischen Diskurs im (Online-)Austausch zwischen Schüler:innen,[35] an die Rekonstruktion ästhetischer Erfahrungen in kunstbezogenen Gesprächen von Fünft- und Sechstklässler:innen[36] oder an Arbeiten zur literarästhetischen Kommunikation im Deutschunterricht.[37] Ausgehend davon verstehen sich die nachfolgenden Beobachtungen auch als eine erste und vorläufige Ergänzung der bisherigen Forschungen, wobei weitere Sondierungen aber noch ausstehen.

Musikbezogene Unterrichtsgespräche – einige empirische Beobachtungen

Im Folgenden möchte ich am Beispiel von Fallvignetten ausgewählte Aspekte musikbezogener Unterrichtsgespräche in den Blick nehmen. Diese Aspekte sind generell relevant, wenn es um Fragen der Gesprächsführung im Musik- oder Musiktheorieunterricht geht,[38] sie weisen jedoch besondere Bezüge zu den methodisch-didaktischen Konzepten indirekte Instruktion und Ästhetischer Streit auf. Im Fokus stehen potentiell problematische Verschränkungen, bei denen unterschiedliche Gesprächsorientierungen einander gegenüberstehen, und sprachlich-stilistische Brüche im Rahmen musikbezogener Aushandlungsprozesse. Die für die Analysen herangezogenen Gesprächsbeispiele stammen einerseits aus der Literatur, andererseits aus Forschungs- und Lehrzusammenhängen anlässlich des eingangs beschriebenen Projekts.

Offene und geschlossene Gesprächssituationen moderieren

Eine Herausforderung musikbezogener Unterrichtsgespräche besteht darin, den Grad ihrer Offenheit den darin verhandelten Inhalten bzw. seinen Zielen anzupassen. Wenngleich dies auf den ersten Blick trivial erscheint – soll Wissen abgefragt werden, eignen sich dafür geschlossene Fragen, soll hingegen diskutiert werden, erfordert dies offenere Impulse –, zeigen bereits fragend-entwickelnde Sequenzen (siehe oben), dass die pädagogische Praxis dieser Orientierung nicht immer folgt. Die vorliegenden Analysen lassen außerdem vermuten, dass diesbezügliche Uneindeutigkeiten für ästhetische Unterrichtskontexte auf besondere Weise bedeutsam sein könnten.

Das zeigt z. B. der Rekurs auf eine Unterrichtssequenz,[39] mit der zwei Studentinnen im Rahmen ihres Praktikums im jahrgangsübergreifenden Anfangsunterricht (1./2. Klasse) eine Musikstunde eröffnen.[40] Nachdem sie die Schüler:innen begrüßt und eine Gedankenreise angekündigt hat, fordert eine der Studentinnen – jetzt als Lehrperson – die Schüler:innen dazu auf sich vorzustellen, sie spazierten bei sommerlichen Temperaturen über eine Blumenwiese. Daraufhin spielt sie das Vogelmotiv aus Prokofjews Peter und der Wolf ab und fragt, was die Schüler:innen gehört hätten (Z. 10). Ohne zu zögern antwortet eines der Kinder mit »Vögel« (Z. 12). Dieselbe Antwort gibt ein anderes Kind auf die Nachfrage, ob »noch jemand etwas anderes gehört« (Z. 14) habe, bevor wieder andere mit »Querflöte« (Z. 20) und schließlich mit »Musik« (Z. 25) antworten. Auffällig ist bereits hier die Treffsicherheit, mit der die Grundschüler:innen nicht nur das erklungene Instrument, sondern auch die dem musikalischen Programm entsprechende Tierart benennen. Obwohl aus der Sicht von Grundschulkindern auch andere Assoziationen denkbar wären – etwa wild flatternde Schmetterlinge, eine spielende Kindergruppe oder auch eine hohe Melodie mit vielen schnellen Tönen –, bleiben die Schüler:innen selbst dann bei der ursprünglich genannten Tierart, als sie nach ›noch etwas anderem‹ gefragt werden.

Ein ähnlicher Gesprächsablauf findet sich kurz danach in Reaktion auf das Entenmotiv, wobei spätestens hier deutlich wird, dass zumindest einige Schüler:innen Peter und der Wolf bereits kennen. Noch bevor nämlich eines der Kinder mutmaßen kann, dass es sich um »die Ente« (Z. 40) handeln könnte, wirft ein Kind ein, das sei »aus Peter und der Wolf« (Z. 38). Die Lehrperson übergeht diesen Einwurf vorerst und gibt stattdessen die Beurteilung der Tierantwort an die Klasse ab (»die Ente könnte auf dem Teich schwimmen?«, Z. 42). Als mehrere Kinder mit »ja« (Z. 44) zustimmen, fragt sie nach einer Begründung (»Woran habt ihr das erkannt, dass es jetzt unbedingt die Ente sein muss?«, Z. 46) und wendet ein: »Es gibt ja auch Schwäne zum Beispiel« (Z. 47). Erst auf die jetzt folgende Erklärung hin, »weil, das kommt alles bei Peter und der Wolf vor« (Z. 49), geht die Lehrkraft in Form einer positiven Rückmeldung (»Wow, das ist eine gute Erkenntnis«, Z. 51) auf den bereits zuvor genannten Werkbezug ein.

Untersucht man die Impulse der Lehrperson auf direkt oder indirekt instruktive Gesprächspraktiken, so liegen zunächst klare Bezüge zu indirekter Instruktion vor. Die Schüler:innen erhalten die Gelegenheit ihre Höreindrücke zu benennen und ihre individuelle Hörweise zu begründen, sie werden angeregt sich auf die Antworten anderer zu beziehen und sind durch den kritischen Hinweis der Lehrperson auf ›Schwäne‹ als mögliche Alternative zur Diskussion unterschiedlicher Deutungen aufgefordert. Dies korreliert mit den weiter oben liegenden Stufen ›analysieren‹ und ›evaluieren‹ der Bloomʼschen Lernzieltaxonomie sowie dem dort zu erwartenden höheren kognitiven Anspruch und Authentizitätsgrad. Außerdem sind indirekt instruktive Gesprächspraktiken zu erkennen. Nennen kann man hier besonders die Aufforderung seitens der Lehrkraft, das eigene Urteil zu begründen oder die Anregung verschiedener Sichtweisen zu diskutieren.

Dem gegenüber stehen jedoch die eindeutigen Zuweisungen vor dem Hintergrund des konkreten Werkbezugs. Geht man davon aus, dass Prokofjews Peter und der Wolf bereits im Musikunterricht thematisiert wurde,[41] so beschränkt sich die kognitive Leistung der Schüler:innen darauf, sich richtig an die Klangbeispiele zu erinnern bzw. diese richtig zuzuordnen. Die Fragen der Lehrperson nach möglichen Alternativen entpuppen sich dann als wenig authentische und stattdessen eher rhetorische Fragen, bei denen weniger die Hörweisen der Schüler:innen interessieren als vielmehr die eine, durch die Lehrperson vorab gekannte, richtige Antwort.

Zu hinterfragen ist dabei nicht so sehr der geringere kognitive Anspruch bzw. die weniger authentische Gesprächsführung per se,[42] sondern vor allem die in dieser Unterrichtssequenz zu beobachtende Verschränkung sprachlicher Muster. Das gilt zum einen für die Frage, inwieweit die Unterrichtszeit hier effizient genug genutzt wird. Inwiefern tragen die zur Diskussion anregenden Impulse der Lehrkraft dazu bei, die Lernziele zu erreichen bzw. welche vielleicht zeitsparenderen Alternativen gäbe es, um an die in der Vorstunde thematisierten Inhalte zu erinnern? Zum anderen lassen sich mögliche Exklusionseffekte beleuchten. Diskutieren kann man z. B., welche Folgen es hat, wenn die Lehrperson eine durch Schüler:in A gegebene Antwort übergeht, dieselbe durch Schüler:in B formulierte Antwort aber mit einem »Wow« hervorhebt. Ähnlich wäre darüber nachzudenken, wie Schüler:innen an diesem Unterrichtseinstieg partizipieren, die z. B. in der Vorwoche nicht am Unterricht teilnehmen konnten und deshalb auch die implizite Wiederholung in dieser Einstiegssequenz nicht als solche identifizieren können.

Hinzu kommen Aspekte, die speziell den ästhetischen Kontext dieses Gesprächs betreffen. Fraglich ist insbesondere, inwieweit es den Lernenden im Rahmen dieses Einstiegs möglich ist, die Kontingenz musikalischer Deutungen angemessen einzuschätzen. Da die zunächst offene Frage nach der Hörassoziation mit einer einzigen als richtig ausgewiesenen Antwort verknüpft ist, könnte zumindest bezogen auf Programmmusik für die Schüler:innen der Eindruck entstehen, man könne hier grundsätzlich Eindeutigkeit herstellen, wenn man nur ›richtig‹ oder kompetent genug höre.

Dass solche Verschränkungen (wie die im Peter und der Wolf-Beispiel gezeigten) nicht nur im schulischen Anfangsunterricht auftreten, zeigt der Blick in die didaktische Literatur. Vergleichbare Muster finden sich z. B. in Clemens Kühns für die Hochschullehre entworfenem Unterrichtsvorschlag »Falsche Fährte«.[43] Anders als im Grundschulbeispiel scheint es Kühn in seiner für Studierende gedachten Forschungsaufgabe, den Komponisten eines Partiturausschnitts herauszufinden, gerade nicht um die eine richtige Antwort, sondern um das komplexe Verhältnis zwischen dem historisch Erwartbaren und musikalischen Besonderheiten zu gehen.[44] Trotz dieser offen erscheinenden Zielrichtung stellt Kühn dem Unterrichtsvorschlag jedoch die geschlossene Frage nach dem »Komponist[en]« voran, der »das Klavierwerk [schrieb], dem die folgenden Ausschnitte entnommen sind«.[45] Dadurch erhält auch in diesem Unterrichtsbeispiel die historisch korrekte Antwort einen vergleichsweise hohen Stellenwert. Obwohl die Verschränkung im Vergleich zum Peter und der Wolf-Beispiel gegenläufig ausfällt, sorgt also auch hier das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Gesprächsformate für Unklarheiten sowohl hinsichtlich der zu erreichenden Ziele als auch des epistemologischen Status ästhetischer Einordnungen.

Diverse sprachliche Register integrieren

Eine weitere Herausforderung musikbezogener Unterrichtsgespräche besteht darin, die unterschiedlichen »musikalischen Denkwege«[46] der Lernenden zu berücksichtigen. Im Kontext von Streitgesprächen bedeutet das nicht nur, individuellen Äußerungen Raum zu geben – etwa durch ein passendes Unterrichtstempo oder eine geeignete Unterrichtsatmosphäre –, sondern darüber hinaus für ihre Verknüpfung und ein darauf aufbauendes Argumentieren zu sorgen.

Anspruchsvoll gestaltet sich diese Form der Moderation bereits dann, wenn musikalische Produkte beschrieben und beurteilt werden, ohne dass dies durch bestimmte theoretische Kategorien gerahmt ist. Zu denken ist hier an induktive Vorgehensweisen im allgemeinbildenden Musikunterricht, bei denen Schüler:innen nur selten auf ein einheitliches Theorierepertoire zurückgreifen werden, aber auch an theoretisch nicht eindeutig kontextualisierte Aufgabenstellungen in der Hochschullehre. Spätestens wenn z. B. Musiken unterschiedlicher kultureller Herkunft verglichen werden oder sich für die jeweilige Musik noch kein Theorierahmen etabliert hat, werden sich auch Studierende dem ästhetischen Gegenstand nähern, indem sie auf unterschiedliche sprachlich-begriffliche Register zurückgreifen.[47]

Mindestens ebenso bedeutsam dürften geeignete moderative Praktiken jedoch für Gesprächssituationen sein, in denen zusätzlich zu diversen sprachlichen Darstellungsweisen verschiedene Ausdrucksebenen eine Rolle spielen. Beleuchten möchte ich an dieser Stelle vor allem bestimmte Formen der Geschmacksäußerung, die im Rahmen musikbezogener Unterrichtsgespräche immer wieder begegnen. Obwohl der Bezug auf die eigene Wahrnehmung konstitutiv für das ästhetische Argumentieren ist, scheint nicht immer klar zu sein, wie persönliche Äußerungen zu stärker bildungssprachlich geprägten Ausdrucksweisen ins Verhältnis zu setzen sind bzw. ob sie in der Unterrichtspraxis überhaupt einen legitimen Platz haben.[48] Anzeichen für solche Unsicherheiten lassen sich z. B. dort beobachten, wo das ästhetische Urteil mit Gelächter einhergeht, sei es auf Seiten der urteilenden Person oder von Mitschüler:innen. Nahe liegt hier die Annahme, dass man es zumindest auch mit einem durch die Beteiligten erlebten Tabubruch zu tun hat. Der weitere Umgang mit der betreffenden Situation dürfte die Qualität des jeweiligen Streitgesprächs deshalb ebenso mitbestimmen wie die des Unterrichts generell.

Vergleichsweise eindeutig gestaltet sich die Einordnung einer solchen Gesprächssituation vermutlich dann, wenn man es mit einer Geschmacksäußerung zu tun hat, die nicht im Kern zur Beantwortung der Streitfrage beiträgt. Ein Beispiel für eine solche Gesprächssituation ist der von Lachen begleitete Einschub einer Studentin, sie selbst »geh[e da] jetzt nicht mit« (Z. 128) hinsichtlich der einer Zeitschrift entnommenen Einschätzung David Garrett »wäre so schön« (Z. 127). Obwohl das Streitgespräch, dem dieser Einschub entnommen ist, um die Frage zirkuliert, ob in einem bestimmten David-Garrett-Musikclip eher dessen Kompetenz oder sein Aussehen im Vordergrund stehen – Bezüge zur äußeren Erscheinung des Künstlers also geradezu notwendig sind –, dürfte die Frage, welches Aussehen die Studentin (bei Männern) für attraktiv hält, hier nicht entscheidend sein. Nicht weiter überraschend ist es deshalb, dass weder die Studierenden noch der Moderator noch einmal auf diese einmalige, von Lachen begleitete Wertung zurückkommen.[49]

Interessant für die weitere Untersuchung derartiger Gesprächssituationen ist nun jedoch die Beobachtung, dass solche Geschmacksäußerungen auch dann mit Lachen einhergehen können, wenn sie explizit durch die Lehrkraft eingefordert wurden. Deutlich wird dies z. B. in einem Stundeneinstieg in einer 8. Gymnasialklasse.[50] Gemeinsamer Bezugspunkt ist auch hier das soeben erwähnte Musikvideo, das David Garrett beim Spiel der Variationen op. 24 von Paganini zeigt.[51] Die Schüler:innen erhalten zunächst die Aufgabe, sich zu einer der folgenden Thesen zu positionieren:

  1. Das sieht eher aus wie ein Werbefilm als ein Musikvideo.

  2. Schnitt und Kameraführung passen nicht zur Stimmung der Variationen.

  3. Die Musik ist im Video unwichtig – es geht nur um die Vermarktung von David Garrett.

  4. Klang der Musik und Effekte der Videobearbeitung wirken im Zusammenspiel gekünstelt und passen nicht zueinander.

Die Stunde beginnt damit, dass die Lehrkraft die an der Tafel notierten Thesen erläutert und das Musikvideo abspielt. Anschließend eröffnet sie den Diskurs mit der Frage:

S1, wie gefällt dir der Clip? Du warst letzte Stunde nicht da, hast dich nicht mit ihm befasst, was ist jetzt – du hast es jetzt gerade gesehen – [dein] erster Eindruck? (Z. 7–9)

Anstatt direkt auf die vorab formulierten Thesen Bezug zu nehmen, wendet sich die Lehrperson also zunächst einer Schülerin zu, die in der Vorwoche gefehlt hat, und erfragt deren persönlichen Eindruck. Die Schülerin antwortet darauf mit »Naja« sowie einem ersten Lachen, bevor sie weiter ausführt:

also so so son Mittelding, also jetzt nicht so super super, aber auch nicht ganz so schlecht (Z. 11–12)

Auch hier schließt sich ein knappes Lachen der Schülerin an, ohne dass das Urteil expliziert würde. Denkbar wäre also sowohl eine gleichgültige als auch offene Haltung der Schülerin dem Stück gegenüber. Vielmehr gibt die Lehrkraft daraufhin nach einem »mhh« (Z. 14) die Frage an einen anderen Schüler weiter, dessen Urteil mit »Ich fand das Video schlecht« (Z. 16) weitaus konkreter und drastischer ausfällt. Sein Beitrag wird nicht nur durch sein eigenes Lachen, sondern auch das Gelächter einiger Mitschüler:innen quittiert. Die Lehrkraft reagiert darauf kurz mit Entsetzen,[52] schlägt dann aber mit der Aufforderung »Begründe« (Z. 18) wieder eine stärker argumentative Gesprächsrichtung ein. Außerdem stellt sie damit wieder eine ernsthafte Unterrichtsatmosphäre sicher, die durch das Lachen womöglich gefährdet war. Der Schüler kommt der Aufforderung nach, indem er in einem längeren Gesprächsbeitrag ausführt, dass sein Missfallen auf ein Missverhältnis zwischen Musik und Videobild zurückzuführen sei (Z. 20–29). Anschließend folgt ein kurzes Zwiegespräch zwischen dem Schüler und der Lehrkraft, in dem die Deutung des Schülers ausdifferenziert wird (Z. 31–47).

Anders als im Beispiel der Studierendengruppe ist diese durch die Lehrkraft eingeleitete Wendung hin zum stärker bildungssprachlich orientierten Austausch nicht von Dauer. Stattdessen finden sich im weiteren Unterrichtsgespräch noch zwei weitere Geschmacksäußerungen, die den oben dargestellten stark ähneln, eine davon im unmittelbaren Anschluss an das argumentativ geprägte Zwiegespräch. Sichtbar wird hier eine gewisse Unsicherheit seitens des betreffenden Schülers. So bezeichnet er zwar das CD-Cover als »echt grässlich« (Z. 56) – begleitet von erneutem Lachen durch Mitschüler:innen – und bricht damit stilistisch deutlich mit dem vorangegangenen Dialog. Er tut dies aber nicht, ohne sich vorab bei der Lehrperson rückzuversichern, dass diese tatsächlich nach einem »Kommentar […] wie wir das finden« (Z. 51–52) gefragt habe. Der ›echt grässlich‹-Äußerung geht so ein explizites »Ja, ja!« (Z. 54) seitens der Lehrkraft voraus. Diese wiederum relativiert einige Zeit später ihr vorheriges Umlenken in Richtung Bildungssprache, indem sie einer Bitte um Konzentration auf ganz bestimmte ästhetische Aspekte des Musikclips selbst eine von Lachen begleitete Gefallensäußerung folgen lässt:

Fokus jetzt bitte mal, nur den Anfang, ich unterbreche dann gleich. Wie ist das Verhältnis Klang und Bild? [zieht Leinwand herunter] Schönes Cover, also ich finde das toll. (alle lachen) (Z. 136–138)

Die Geschmacksäußerung der Lehrkraft fällt damit zwar positiv aus, ist sprachlich aber ähnlich flapsig formuliert wie die ästhetischen Urteile der Schüler:innen.

Insgesamt ist dieses Unterrichtsgespräch also durch ein Nebeneinander unterschiedlicher Ausdrucksebenen bzw. sprachlicher Register gekennzeichnet, die als solche nur bedingt ineinander übergehen. Ausgehend davon liegt die Vermutung nahe, dass die Ausrichtung unterrichtlicher ästhetischer Streitgespräche an intersubjektiv nachvollziehbarer Argumentation einerseits und subjektiver Wertung andererseits zu Spannungen führen kann. Während erstere im (hoch)schulischen Kontext vertraut sind, scheint die Legimität persönlicher Stellungnahmen und damit auch ihre Integration in das unterrichtliche Sprechen selbst dann zweifelhaft zu sein, wenn die Lehrperson ein solches Positionieren unmittelbar einfordert. Deutlich wird das vor allem in Gesprächssituationen, in denen ein ästhetisches Urteil ablehnend ausfällt. Ist eine uneindeutige Positionierung wie die ›Mittelwertung‹ der zur Geschmacksäußerung aufgeforderten Achtklässlerin oder die pauschal positive Bemerkung der Lehrkraft (siehe oben) offenbar noch vergleichsweise bruchlos in das argumentative Gespräch zu integrieren, so kann eine negative Einschätzung mindestens halbernstes Entsetzen hervorrufen – eine Gefühlsdarstellung, die als Antwort auf eine persönliche Stellungnahme vermutlich zumindest als Störung im Gespräch bzw. als eher wenig empathische Reaktion seitens der Lehrkraft zu deuten ist.

Offen bleiben muss dabei vorerst die Frage, unter welchen Bedingungen solche Spannungen im Einzelnen auftreten. Die hier zitierten Beispiele lassen annehmen, dass es sich um Unstimmigkeiten handelt, die erst dann in Erscheinung treten, wenn Urteile verhandelt werden, die sich nicht nur allgemein auf die subjektive Wahrnehmung beziehen, sondern die zum Ausdruck bringen, ob man etwas mag oder nicht mag. Aufgreifen ließe sich hier die Unterscheidung zwischen korresponsiven ästhetischen Wahrnehmungen, die das persönliche Lebenskonzept betreffen und einem verstehend-imaginativen ästhetischen Modus, in dem unabhängig davon Sinn hergestellt wird.[53] Die Aufforderung nämlich, sich ›persönlich‹ zu einer bestimmten Deutung zu positionieren (z. B. ›Steht in diesem Musikclip David Garretts Aussehen oder seine Kompetenz im Mittelpunkt?‹ in Beispiel 1 oder ›Sieht der Clip eher aus wie ein Werbefilm?‹ in Beispiel 2) scheint zumindest in den hier thematisierten Gesprächen nicht weiter problematisch zu sein.

Ästhetische Streitgespräche im Musik(theorie)unterricht?

Setzt man die voranstehenden Analysen in Bezug zu den eingangs vorgestellten didaktisch-methodischen Konzepten, dann zeigt sich, dass jede der hier vorgestellten Fallvignetten bestimmte Merkmale indirekt instruktiver ästhetischer Streitgespräche aufweist. Es handelt sich jeweils um ein Gespräch einer Lehrperson mit einer ganzen Klasse bzw. Lerngruppe, und Thema des Gesprächs ist ein ästhetischer Gegenstand.

Zugleich sind in allen Fällen gewisse Spannungen zu beobachten, die sowohl die Gesprächsgestaltung selbst als auch ihr Verhältnis zu den didaktisch-methodischen Überlegungen betreffen. Wenngleich differenziertere Forschungen noch ausstehen, ist davon auszugehen, dass diese Spannungen auch über die hier beobachteten Fälle hinaus von Bedeutung sind und eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Einbindung ästhetischer Streitgespräche in die schulische oder hochschulische Unterrichtspraxis möglicherweise behindern. So machen die Ausführungen zur Verschränkung unterschiedlich offener Gesprächsausrichtungen (siehe oben) Spannungen sichtbar, die mit dem Stellenwert verschiedener Hör- und Deutungsweisen im Verhältnis zum historisch korrekten Wissen zu tun haben. Trotz einzelner an Vielfalt orientierter Gesprächsmomente bleibt unklar, inwieweit die damit einhergehende Perspektivenvielfalt für den jeweiligen Unterricht im Kern wichtig ist. Die Beobachtungen zum Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ausdrucksebenen (siehe oben) wiederum legen Spannungen offen, die den Stellenwert eigener Positionierungen im Verhältnis zum bildungssprachlich adäquaten Entpersonalisieren von Sichtweisen im Rahmen möglichst sachlicher Argumentationen betreffen. Obwohl die subjektive Wahrnehmung und das eigene ästhetische Urteil für ästhetische Auseinandersetzungen und damit eine an ästhetischen Erfahrungen orientierte Musikdidaktik[54] eine konstitutive Rolle spielen, scheint deren empirische Legitimität in der unterrichtlichen Gesprächspraxis mindestens unklar zu sein.

Vergleicht man diese Beobachtungen mit der eingangs zitierten Kluft zwischen einem idealen unterrichtlichen Umgang mit Musiktheorie und der Unterrichtspraxis, so ergeben sich auch hier einige Bezüge. Das gilt besonders dann, wenn man auf die Vorstellung zurückkommt, Musiktheorie sei Selbstzweck oder ein von Schüler:innen immer wieder vergessener bzw. nie verstandener Wissensbereich. Begreift man diese Vorstellungen als Ausdruck dessen, dass hier vermutlich gerade ein Umgang mit Musik(theorie) zur Diskussion steht, der mit den Lernenden und deren anderweitigen Zugängen zu Musik wenig zu tun hat, dann liegt es nahe, Zusammenhänge zu der oben thematisierten Abwertung individueller Hörweisen oder den Spannungen im Kontext (negativer) Geschmacksäußerungen herzustellen. Wenngleich sich ein gewisser Widerstreit zwischen dem persönlichen (Musik)Geschmack und einer schulischen oder hochschulischen Auseinandersetzung mit ästhetischen Gegenständen vermutlich nie ganz vermeiden lässt – ganz im Gegenteil ist davon auszugehen ist, dass einem solchen Widerstreit sogar relevante Bildungspotentiale zukommen[55] –, stellt sich dennoch die Frage, wie damit im jeweiligen Unterricht umgegangen werden soll.

Ein möglicher Weg, um der zu Beginn beschriebenen Situation zu begegnen, bestünde folglich darin, ästhetische Streitgespräche samt ihres Bezugs auf mehr oder weniger persönliche Stellungnahmen überhaupt in größerem Umfang in den Musik- und Musiktheorieunterricht aufzunehmen. Das gilt sowohl für Unterrichtssequenzen, in denen musiktheoretische Inhalte nur am Rande eine Rolle spielen, als auch für solche, in denen die Auseinandersetzung mit musiktheoretischen Konzepten oder Inhalten der Allgemeinen Musiklehre im Zentrum steht.[56] Von Bedeutung wären hier Klassengespräche ebenso wie ästhetische Auseinandersetzungen in Gruppen- oder Paarkonstellationen. Zwar lassen sowohl die bisherigen empirischen Untersuchungen[57] als auch die im vorliegenden Beitrag analysierten Gesprächssequenzen vermuten, dass Ansätze zu ästhetischen Aushandlungen bereits jetzt im schulischen und hochschulischen Kontext anzutreffen sind. Inwieweit es dabei jedoch immer gelingt, eine für Schüler:innen und Studierende transparente Gesprächsrichtung einzuschlagen, in der unterschiedliche Deutungen und das eigene ästhetische Urteil gewinnbringend in den ästhetischen Diskurs integriert werden können, ist angesichts der bisherigen Beobachtungen eher fraglich.

Denkbar wäre es hier zunächst, auf Varianten Ästhetischen Streits zu setzen, in denen vor allem imaginierte und weniger persönlich-korresponsive Bedeutungen ausgehandelt werden.[58] Statt eines präferierten oder abgelehnten Lebensstils stünde dann die Sinnhaftigkeit ästhetischer Wahrnehmungen im Mittelpunkt, wobei auch hier persönliche Bezüge erkennbar blieben.[59] Da eine solche Auseinandersetzung ohne gemeinsame Bezugnahmen z. B. auf bestimmte Stilistiken und damit einhergehende historische und strukturelle Besonderheiten nicht sinnvoll denkbar ist,[60] würden sich daraus zahlreiche Anknüpfungspunkte für didaktische Ansätze aus Richtung der Musiktheorie ergeben. Auch dann müsste man meines Erachtens aber im Blick behalten, welche Effekte es hat, wenn korresponsive Geschmacksurteile durch eine alternative Gesprächsperspektive implizit ausgeklammert bleiben. Zu fragen wäre etwa, ob bzw. unter welchen Bedingungen ein sprichwörtlicher ›Elefant im Raum‹ vielleicht gerade dann spürbar wird, wenn – etwa bei besonders ungewöhnlicher oder von den Lebenswelten der Lernenden weit entfernter Musik – ein korresponsives Geschmacksurteil nicht etwa irrelevant geworden ist, sondern nur nicht geäußert werden darf. Eine Alternative bestünde entsprechend darin, persönlichen Geschmacksäußerungen im Unterricht sogar mehr Raum zu geben, um durch ihr selbstverständliches Einbinden in das Unterrichtsgespräch auf längere Sicht einen ernsthafteren Umgang damit erwarten zu können.[61]

Unabhängig von den hier getroffenen didaktischen Entscheidungen wäre eine solche Weiterentwicklung der unterrichtlichen Gesprächsführung schon insofern von Bedeutung, als die diskursive Auseinandersetzung mit Musik und ein damit verbundenes Offenlegen der eigenen Hörprämissen und epistemologischen Voraussetzungen zu einer aufgeschlossenen Haltung gegenüber unterschiedlichen Musiken beitragen kann. Geht man davon aus, dass auch für die deutschsprachige Musiktheorie kultursensiblere Umgangsweisen in nächster Zeit (noch) wichtiger werden, so bietet es sich an, auch in didaktischer Hinsicht Gesprächsweisen zu fokussieren, die den eigenen Standort eher reflektieren, als ihn zu tabuisieren.[62] Gleiches gilt jedoch auch für die didaktische Bedeutung musiktheoretischer Umgangsweisen generell. Soll vermieden werden, dass diese als Fremdkörper ›neben‹ dem ›eigentlichen‹ Umgang mit Musik wahrgenommen werden, dann liegt es nahe, Ästhetische Streitgespräche zu führen in denen das Gespräch über Musik Teil ästhetischer Praxis ist.

Anmerkungen

1

Vgl. Schäfer-Lembeck 2003, 206.

2

Schlothfeldt 2009, 27.

3

Vgl. Kaiser 2012, 3 und Richter 2002, 46.

4

Vgl. Kühn 2006, 220, Rolle 1999, 119 und Schlothfeldt 2009, 205–207; außerdem Weidner 2015.

5

Ruf 2022, 82.

6

Ebd., 83.

7

Vgl. ebd.

8

Vgl. Richter 1993, 48, Rolle 1999, 176 und Schlothfeldt 2009, 28 f.

9

Vgl. Höller u. a. 2022.

10

Das Projekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1604 gefördert.

11

Vgl. Lüders 2018.

12

Der Ansatz des sogenannten Lehrertrainings stammt aus der Tradition des Microteachings (vgl. Quittenbaum 2016, 41–74).

13

Vgl. Geißler/Pilnei 1985, 8.

14

Ebd.

15

Dieser Zugang ist selbstverständlich nur einer von vielen möglichen bzw. sinnvollen und muss durch weitere didaktisch-methodische Ansätze ergänzt werden.

16

Vgl. Borich 2014, 284–321.

17

Als Unterrichtsform dürfte der Klassenunterricht deshalb auch für die musiktheoretische Lehre eine wichtige Rolle spielen, obwohl im Vergleich zum Schulunterricht in der Regel weniger Personen daran teilnehmen.

18

Vgl. Bloom u. a. 1956.

19

Vgl. Borich 2014, 294.

20

Vgl. ebd., 252–283.

21

Vgl. ebd., 295.

22

Vgl. Polman 2004, Weil u. a. 2020 und Wilkinson/Reznitskaya 2017.

23

Vgl. Ansarian/Mohammadi 2018.

24

Vgl. Grundler 2011.

25

Vgl. Heller/Morek 2015.

26

Vgl. Gebauer 2016.

27

Vgl. Pauli 2006. Diese Bezeichnung ist insofern unscharf, als sie in der Literatur auch für andere Formen der Gesprächsführung verwendet wird.

28

Ziel der Erhebung war es indirekt instruktive Gesprächssequenzen im Musikunterricht an Grundschulen zu erfassen. Die Lehrkraft war über dieses Forschungsziel informiert, in der weiteren Planung und Durchführung des Unterrichts aber frei.

29

Darunter liegen ein Wollfaden, Nüsse, Wäscheklammern und Steine, was die Schüler:innen aber noch nicht wissen.

30

Vgl. Rolle 1999, Wallbaum 2000 und Rolle/Wallbaum 2011.

31

Vgl. Rolle 2013 und Ehninger 2021.

32

Vgl. Rolle 1999, 114.

33

Vgl. Rolle 2010.

34

Vgl. Wallbaum 2010.

35

Vgl. Gottschalk/Lehmann-Wermser 2013.

36

Vgl. Schmidt 2016.

37

Vgl. Frederking u. a. 2013.

38

Bei den gewählten Beispielen handelt es sich nicht immer um in engerem Sinne musiktheoretisch ausgerichteten Unterricht, es finden überwiegend Unterrichtsbeispiele Erwähnung, in denen Musiktheorie (auch) eine Rolle spielt. Entsprechende Anpassungen und ggf. Schwerpunktverschiebungen, z. B. für hochschuldidaktische Kontexte, erscheinen vor dem Hintergrund indirekt instruktiver ästhetischer Streitgespräche aber möglich. Vgl. dazu auch den Diskurs um Musiktheorie bzw. Allgemeine Musiklehre im schulischen Musikunterricht (Weidner 2015, 132–149).

39

Sämtliche Gesprächssequenzen wurden nach Maßgabe des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems 2 (GAT 2) verschriftlicht. Da detailliertere gesprächsanalytische Betrachtungen im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht von Bedeutung sind, zitiere ich die Transkripte im Rahmen der Analysen in geglätteter Form.

40

Die beiden Studentinnen hatten die Aufgabe eine Gesprächssequenz aus ihrem Praktikumsunterricht auf didaktisch-methodische Muster hin zu analysieren. Bezüge zu Ästhetischem Streit und indirekter Instruktion lagen nahe, weil darüber im begleitenden Seminar ausführlich gesprochen wurde, waren aber keine Bedingung.

41

Das erläuterten auch die beiden Studentinnen in der Reflexion des Unterrichtsgesprächs.

42

Gerade im schulischen Anfangsunterricht dürften direkt instruktive Herangehensweisen in Ergänzung zu anderen methodischen Ansätzen sinnvoll sein.

43

Vgl. Kühn 2006, 19–21.

44

Vgl. ebd., 20.

45

Vgl. ebd., 19.

46

Kranefeld 2010.

47

Relevant werden dann u. a. metaphorische Sprechweisen sowie die Frage, wie gut die Vermittlung zwischen den ›neuen‹ Ausdrucksweisen der Lernenden und ggf. vorhandenen ›gefrorenen‹ Metaphern der Fachsprache gelingt (vgl. z. B. Oberschmidt 2011 oder Rohringer 2002).

48

Fachdidaktisch kommt Geschmacks- oder Gefallensäußerungen besonders dort eine zentrale Rolle zu, wo man es mit korresponsiven ästhetischen Wahrnehmungen zu tun hat, ästhetischen Wahrnehmungen also, die den eigenen Lebensstil betreffen. Der Bezug auf die eigene Wahrnehmung ist aber auch dann relevant, wenn etwa über die Angemessenheit einer Interpretation gestritten wird, wie es im Kontext verstehend-imaginativer ästhetischer Wahrnehmungen der Fall ist (vgl. Rolle 2004, 209 f. bzw. Seel 1985). Vgl. dazu auch weiter unten.

49

Diese Gesprächssequenz entstammt einem Seminarzusammenhang, in dem die Studierenden ein ästhetisches Streitgespräch in ihrer Seminargruppe moderieren sollten. Gemeinsamer Bezugspunkt war ein Musikclip mit David Garrett (vgl. dazu auch Kaufhold u. a. 2018 bzw. Geuen/Stöger 2016).

50

Ähnlich wie das Partiturlege-Beispiel (siehe oben) wurde auch dieses Unterrichtsgespräch erhoben, um indirekte Instruktion in der schulischen Praxis beobachten zu können. Anders als dort, haben sich Lehrkraft und Forschungsteam hier jedoch nicht nur über die Forschungsziele, sondern auch über die didaktisch-methodischen Ausgestaltung des Unterrichts verständigt (vgl. auch hier Kaufhold u. a. 2018).

51

Vgl. Anm. 49.

52

Die Lehrkraft legt im Unterrichtsvideo eine etwas überzeichnete Mimik und Gestik an den Tag, die offen lässt, inwieweit das Entsetzen ernst oder scherzhaft-ironisch zu verstehen ist.

53

Vgl. Rolle 2004, 209 f. bzw. Seel 1985; vgl. auch oben, Anm. 48.

54

Vgl. Rolle 1999, Rolle 2004 und Wallbaum 2000.

55

Im Vordergrund stünde dann weniger die Enttäuschung, dass der eigene Geschmack nicht getroffen wurde, als vielmehr »die Erfahrung einer Differenz als Anlass zur Musik- und Selbstreflexion« (Wallbaum 1998, 12; vgl. dazu aber z. B. auch Rohringer 2001, 105 f.).

56

Vgl. Anm. 38.

57

Z. B. Rolle 2010.

58

Rolle 2004, 209 f.

59

Sie müssen erkennbar bleiben, soll aus dem Ästhetischen Streit nicht ein reiner Erkenntnisstreit werden.

60

Rolle 2017, 134.

61

Aus diesen offenen Fragen ergeben sich interessante Anknüpfungspunkte auch für künftige Forschungen. Aufschlussreich wäre beispielsweise der empirische Vergleich zwischen ästhetischen Streitgesprächen ausgehend von z. B. unterschiedlichen Interpretationen oder Versionen desselben Stückes (Knörzer/Rolle/Stark/Park 2015) mit solchen, die eine eigene Komposition oder Aufnahme zum Thema haben (Wallbaum 2000).

62

Kultursensibilität ist spätestens seit dem analytischen Umgang mit Rock-/Popmusik ein Thema auch für die Musiktheorie. Dass kultursensible Umgangsweisen für die Hochschulmusiktheorie künftig erneut und in besonderer Weise relevant werden könnten, deutet sich nicht zuletzt in den Bemühungen um musikkulturell offenere Varianten hochschulischer Eignungsprüfungen an, die derzeit an verschiedenen Standorten zu beobachten sind. Zu unterschiedlich kultursensiblen didaktischen Ansätzen in der Musiktheorie vgl. auch Reid 2022. Insbesondere der von ihr als gelungen hervorgehobene Zugang weist deutliche Verbindungen zu den hier thematisierten Ideen auf.

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