Schlothfeldt, Matthias (2024), »›Das müssen die doch können?!‹. Zu Grundfragen einer Didaktik der Musiktheorie« [“Of course, they have to know that?!” On basic questions of music theory didactics], Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 21/1. https://doi.org/10.31751/1201
eingereicht / submitted: 07/11/2023
angenommen / accepted: 23/12/2023
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 20/07/2024
zuletzt geändert / last updated: 15/07/2024

›Das müssen die doch können?!‹

Zu Grundfragen einer Didaktik der Musiktheorie

Matthias Schlothfeldt

Ausgangspunkt dieses Artikels sind Überlegungen dazu, was unter Didaktik zu verstehen ist und welche zentralen Fragen eine auf (Unterricht in) Musiktheorie bezogene Didaktik beantwortet. Von hier aus wendet er sich der Planung und Reflexion von Unterricht in musiktheoretischen Fächern zu. Insgesamt wird für einen partizipativen, für kulturelle Vielfalt offenen Unterricht in musiktheoretischen Fächern argumentiert, der Lernende und ihre Interessen wahrnimmt und ihnen Raum gibt zum Entdecken sowie für ästhetische Erfahrungen.

The starting point of this article are considerations of what is meant by didactics and which central questions a didactics related to (teaching in) music theory answers. From here, the text turns to the planning and reflection of lessons in music theory subjects. Overall, the argument is for participatory lessons in music theory subjects that are open to cultural diversity, that recognize learners and their interests, and that give them space for discovery and aesthetic experiences.

Schlagworte/Keywords: Bildung; didactics; Didaktik; education; music theory lessons; Musiktheorieunterricht; participation; Partizipation; relevance; Relevanz; transparency; Transparenz

Um auf Grundfragen einer auf Unterricht in Musiktheorie bezogenen Didaktik eingehen zu können, soll zunächst erörtert werden, welche Fragen die Didaktik (insbesondere die Musikdidaktik) stellt und beantwortet. Hier schließt die Frage an, ob es eine Musiktheoriedidaktik überhaupt gibt und wie sie sich zur Musikdidaktik verhält. Die darauffolgenden Überlegungen zu Unterricht in musiktheoretischen Fächern wenden sich wieder den vorab erörterten Fragen zu. Dies geschieht nicht nur mit dem Ziel, zur Reflexion des eigenen Unterrichts anzuregen – was bei einem Text über Didaktik kaum verwundern kann –, sondern es sollen auch Vorschläge unterbreitet werden, in welche Richtung sich das Repertoire didaktischen Handelns möglicherweise erweitern ließe. Nimmt der Text seinen Anfang in der auf Musikunterricht bezogenen Didaktik, so wendet er sich am Ende wieder der allgemeinbildenden Schule in dem Sinne zu, dass Lehramtsstudierende durch Unterricht in musiktheoretischen Fächern durchaus auf Maßgaben von Musikunterricht vorbereitet werden. Lehrveranstaltungen in Didaktik der Musiktheorie richten sich nicht nur an Studierende mit Hauptfach Musiktheorie. Insbesondere eine Didaktik, die das Unterrichten musiktheoretischer Inhalte im Unterricht an Schulen in den Blick nimmt, vermag hier wertvolle Beiträge zu leisten. Insgesamt steht aber die Hochschullehre im Mittelpunkt. Unterricht außerhalb der Hochschule und der Anteil, den Musiktheorie dort hat, werden nur knapp behandelt.[1] Der Text schließt mit einem eindringlichen Fazit, dessen Appellcharakter wohl kaum zu übersehen ist.

(Musik-)Didaktik

Didaktik wird verstanden als Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens.[2] Werner Jank und Hilbert Meyer bezeichnen sie als »Handlungswissenschaft«, deren »Hauptaufgaben« die Analyse, die Planung und die Inszenierung von Unterricht seien.[3] Das erforderliche fachdidaktische »Können und Wissen« leite sich »aus den Anforderungen im jeweiligen Berufsfeld«[4] her. Den neun Fragen, was wie und wann denn wer von wem mit wem wo womit und wozu lernen solle, sei »eine zehnte Frage, die es in sich hat«, übergeordnet, nämlich »die Frage nach der Begründung«.[5] Die Ergänzung der »Warum-Frage« unterscheidet die aktuelle von den vorangegangenen Auflagen des von Werner Jank herausgegebenen Praxishandbuchs Musikdidaktik.[6] Dementsprechend rücken Werner Jank und Ortwin Nimczik in ihrem 2023 im Sammelband Musiklehrer:innenbildung erschienenen Text »Zur Relevanz von Musikdidaktik in der Lehrkräftebildung« das Fragewort an den Anfang der Reihe: »Didaktik kümmert sich um die Fragen, warum, wer, was, von wem, wie, wann, wo, mit wem, womit und wozu lernen soll«.[7]

Noch pointierter formuliert Peter W. Schatt, Aufgabe der Musikdidaktik sei, »die Frage, warum sich musikbezogenes Lehren und Lernen worauf richten solle, zu beantworten«.[8] Musikdidaktik beziehe die Antworten auf musikpädagogische Fragen »in theoretisch-reflexiver Weise auf die Situation von [U]nterricht«.[9] In diesem und im folgenden Zitat ist »Musikunterricht« durch »Unterricht« ersetzt worden, um jetzt bereits die Frage nahezulegen, ob die Ausführungen sich nicht in gleicher Weise auf Unterricht in Musiktheorie beziehen lassen. Schatt fasst zusammen:

Der Theorieaspekt der Didaktik konstituiert sich in der Reflexion der Sinnhaftigkeit intentional herstellbarer Bezüge zwischen Musik und den auf Musik gerichteten Handlungen der Lernenden. Sie stellt sich demnach dar als die Wissenschaft der Anwendung musikpädagogischen Wissens […].

Musikdidaktik reflektiert grundlegende Strukturmomente von [U]nterricht. Analyse und Planung von [U]nterricht sind zentrale Aufgaben [...], zu deren Bearbeitung insbesondere die Reflexion der Eigenart und Begründbarkeit von Zielen, Inhalten, Handlungsformen, Methoden und Medien des Unterrichts gehört.

Ferner entwickelt und überprüft die Didaktik politische, kulturelle und institutionelle Vorgaben für Bildungsgänge, Lehrpläne und Curricula und stellt Hilfen zum [U]nterricht bereit.[10]

Als zentrale Fragestellung der Didaktik lässt sich festhalten: Warum soll wer was lernen? (Und es kann hier bereits ergänzt werden, dass die im Titel formulierte Rückfrage eine mögliche, aber gewiss keine überzeugende Antwort darauf darstellt.) Die Frage, warum gelernt wird, ist in diesem Zusammenhang zunächst auf einer höheren Ebene zu beantworten: auf der Ebene der musikalischen oder musikalisch-ästhetischen Bildung, die sich mit der kulturellen Bildung überlappt.[11] Im Sinne einer individuellen und einer sozialen Kategorie werden Musiklernen und der Erwerb musikalischer Bildung als Ziele musikbezogenen Unterrichts benannt.[12] »Musikalische Bildung findet statt, wenn Menschen in musikalischer Praxis ästhetische Erfahrungen machen.«[13] Während Christian Rolle hier Erfahrungen als Voraussetzung für musikalische Bildung benennt, die aus musikalischen Handlungen resultieren und zu bildungsrelevantem »Ästhetischem Streit« führen können,[14] fokussiert Stefan Orgass Bedeutung:

Musikalische Bildung vollzieht sich in der Hervorbringung neuer und neuartiger (Möglichkeiten der) Zuweisung neuer musikalischer Bedeutung und nicht-musikalischer Bedeutsamkeit in Interaktionen […]. Auf der Grundlage lässt sich […] der Unterschied zwischen Musiklernen – einer individualen Kategorie – und der umfassenderen Kategorie musikalischer Bildung beobachten und theoretisch fassen.[15]

Die von Stefan Orgass entwickelte »Kommunikative Musikdidaktik«, insbesondere in der seit 2007 entfalteten Form, deren reflexionslogische Voraussetzungen sich hier nicht in Gänze darlegen lassen, trägt wesentliche Merkmale konstruktivistischer Didaktik. Konstruktivistische Didaktiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Planbarkeit zielgerichteter Lehr-Lern-Prozesse bezweifeln und skeptisch sind gegenüber der Einflussnahme durch Lehrende. Sie wenden den Blick auf das Subjekt und auf den Lernprozess, sie betonen die Selbsttätigkeit und Autonomie der Lernenden und damit die Förderung des Kompetenzaufbaus durch aktives selbstgesteuertes Lernen. Die Aufgabe von Lehrenden besteht dann eher in der Beobachtung von Lernprozessen und der pädagogischen Begleitung von Lernenden in sozialen Bezügen.

Auch die »Kommunikative Musikdidaktik« sieht Didaktik nicht als ›Vermittlungslehre‹: Musikalische Bildung lässt sich zumindest nicht ausschließlich durch Zeigeaktionen etc. ›vermitteln‹,[16] also lediglich mit Bezug auf bereits bestehenden Sinn und auf vorhandene Deutung existierender Musik. Nach Orgass emergiert neue musikalische Bedeutung und nicht-musikalische Bedeutsamkeit in Interaktion, insbesondere in Kommunikation. Emergenz ist mit Handlung (z. B. mit Improvisation oder Komposition) und mit Zuweisung von Bedeutungen verbunden.[17]

Für die Wahl von Themen und Gegenständen gelten für Orgass zwei Maßgaben: Erstens ist »die Vielfalt der Musik«[18] angemessen zur Geltung zu bringen. Zweitens kann, um Borniertheit zu vermeiden, bei den Lernenden das »Interesse an bislang unbekannter Musik« eingefordert werden.[19] Im Sinne der anzustrebenden Symmetrie der Lehr-Lern-Gruppe wird zur »gemeinsamen Themenfindung«[20] geraten. Diese Maßnahme, die auf Klaus Schallers »Pädagogik der Kommunikation« zurückgeht,[21] ist mit der »rückhaltlosen Information«[22] der Lehrkraft über die institutionellen und curricularen Bedingungen verbunden, unter denen die Wahl getroffen wird. Im Verlauf der auf die Themenfindung folgenden Unterrichtsplanung gewährleistet die »komplementäre Kontextualisierung«, dass die erste der oben genannten Maßgaben erfüllt ist: Die Lehrkraft ergänzt die Vorschläge aus der Lerngruppe so, dass Gegenstände und Inhalte im Bezug aufeinander Musik in ihrer Vielfalt zur Geltung bringen. Auf die hier äußerst knapp beschriebene Weise werden die Partizipation der Lernenden, die Transparenz der Unterrichtsplanung und die Relevanz der Inhalte gesichert.[23]

Der gleiche Autor erläutert in einer eigenen sowie in einer gemeinsam mit Heinz Geuen verfassten Publikation,[24] was hinsichtlich musikalischer Bildungsprozesse unter Lernen und Lehren zu verstehen ist: Lehren bedeutet, Lernen zu ermöglichen und zu fördern. Lernen wiederum bezieht sich auf Wahrnehmen sowie auf Deuten von Musik, auf Orientierung in musikkultureller Vielfalt und auf Selbsttätigkeit. Dass Lernen nur selbsttätig erfolgen könne, sei bereits musikpädagogische »Folklore«.[25]

Schatt benennt vier Prinzipien,[26] die bei der Wahl von Inhalten und Methoden des Unterrichts leiten können: Die Inhalte sollen exemplarisch und anschaulich sein sowie selbsttätiges und kooperatives Lernen gewährleisten.[27] Bei einigen dieser Prinzipien bezieht Schatt sich auf Wolfgang Klafki, auf den in der Musikpädagogik häufig Bezug genommen wird. Bei Klafki ist die »didaktische Analyse« Kern der Planung und Reflexion von Unterricht. Neben den Fragen, wofür das geplante Thema exemplarisch, typisch und repräsentativ ist, der generellen Frage nach der Struktur des Themas aus pädagogischer Perspektive und den Phänomenen, Fällen etc., die Lernenden an der Struktur des Inhalts begreiflich werden, sind noch zwei wesentliche Fragen zu beantworten: Welche Bedeutung hat der Inhalt oder die am Thema zu gewinnende Erfahrung, Erkenntnis, Fähigkeit oder Fertigkeit in der Gegenwart der Lernenden? Und welche Bedeutung hat das Thema für ihre Zukunft?[28]

Wie oben gesehen, führt Jank neben anderen die Frage »wozu?« mit auf. Zwischen dieser und der Frage »warum?« zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. Die kausale Frage nach der Begründung evoziert eine mit »weil« beginnende Antwort, die finale Frage nach dem Ziel hingegen eine mit »damit« beginnende.[29] Nicht nur Begründungen für musikbezogenen Unterricht, auch Begründungen für Lehr-Lern-Ziele werden zunächst auf der Ebene musikalischer oder kultureller Bildung gegeben. Bislang sind in diesem Abschnitt ebenso Antworten auf die Frage »warum?« wie auf die Frage »wozu?« angeführt worden.

Lehr- und Lernziele als zu erwartende Antworten auf die finale Wozu-Frage werden im Zusammenhang mit Musik oft als Kompetenzen formuliert: Nicht nur Wissen und Fähigkeiten sollen erlangt werden, sondern deren Anwendung wird bereits mitgedacht.[30] Eine kompetenzorientierte Didaktik hat den Anspruch, Kompetenzen auszubilden, mit denen auf offene Anforderungssituationen reagiert werden kann. Dem entspricht – insbesondere in konstruktivistischer Sicht – eine Unterrichtskonzeption, die nicht einen Lernweg vorgibt, sondern mehrere Lernwege bereitstellt. Für den Aufbau von Kompetenzen gilt, was für Lernen generell als gültig angesehen wird: Er geschieht langfristig,[31] vorzugsweise kooperativ und gegebenenfalls interdisziplinär. Zwar hält die Debatte darüber an, ob Kompetenzformulierungen in der Musikpädagogik zielführend sind. Lernenden- und handlungsorientierte Konzepte und gerade konstruktivistische Didaktiken betonen allerdings, dass selbstbestimmtes und selbsttätiges Lernen aussichtsreich und günstig zu realisieren ist in Formaten wie Offenem Unterricht, Stationenlernen oder Projektunterricht,[32] der wiederum vorzugsweise kooperativ anzulegen wäre. Dass Kompetenzen als Voraussetzung für musikalische Bildung anzusehen sind, hat Jens Knigge zuletzt einleuchtend dargelegt.[33]

Didaktik der Musiktheorie

Bis hierher entstammen die Überlegungen primär dem Nachdenken über Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen. Zu klären wäre also zunächst, inwieweit die Ausführungen für musiktheoretische Fächer Geltung haben und inwieweit sie für Unterricht an Hochschulen hilfreich sind. Mit Recht wird die Vorstellung, dass, was außerhalb der Schule (so) ist, auch in der Schule (so) sein müsse, als Kurzschluss kritisiert und die »gedankenlose Übernahme der Hochschullehre in den Musikunterricht« als »Abbilddidaktik« bezeichnet.[34] Ebenso ist aber zu hinterfragen, ob Kriterien der auf schulischen Musikunterricht bezogenen Musikdidaktik für eine Didaktik der Musiktheorie gelten, die sich vorwiegend auf Unterricht im Hochschulbereich richtet. Das Verhältnis von Musiktheoriedidaktik und Musikdidaktik wird zuerst betrachtet.

Michael Dartsch bezieht in seinem Buch Didaktik künstlerischen Musizierens für Instrumentalunterricht und Elementare Musikpraxis seine Überlegungen auf Elementare Musikpädagogik sowie auf Instrumental- und Gesangspädagogik. Ihm zufolge lässt sich Allgemeine Instrumentaldidaktik »als Teildisziplin der Musikdidaktik verstehen. Als solche ist sie ihrerseits der Fachdidaktik eines einzelnen Instruments übergeordnet.«[35] Sofern das »Unterrichten des jeweiligen künstlerischen Hauptfachs thematisiert« wird, seien Fachdidaktiken »Kern des Studiums«.[36]

Gleichgültig, ob man die sich auf Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen richtende Musikpädagogik und den entsprechenden Teil der Musikdidaktik neben andere Teilgebiete der Musikpädagogik und -didaktik stellen möchte oder nicht, sind doch in jedem Fall eine übergeordnete Musikpädagogik und Musikdidaktik auszumachen, die sich auf musikbezogenes Lernen und Lehren richten. Hierzu zählt musikbezogener Unterricht im Sinne formalen Lernens, das in »absichtsvoll und institutionell-formell arrangierten Prozessen«[37] stattfindet und von non-formalem und informellem (gleichsam Alltags-)Lernen unterschieden wird, an unterschiedlichen Institutionen. Teilgebiete dieser übergeordneten Musikpädagogik und Musikdidaktik sind die auf das Erlernen von Instrumenten gerichtete Instrumentalpädagogik sowie die Instrumentaldidaktik. Wenn man Gesang als Instrument begreift, können Gesangspädagogik und Gesangsdidaktik jeweils als jenen untergeordnet aufgefasst werden; andernfalls bildeten sie jeweils einen eigenen Teilbereich der Musikpädagogik bzw. Musikdidaktik.[38] Dementsprechend ist die auf das Komponieren ausgerichtete Kompositionspädagogik sowie die Kompositionsdidaktik aufgeführt, die auf (Unterricht in) Komponieren bezogen ist.[39] Und ebenso angemessen ist es, im Zusammenhang mit dem Unterrichten musiktheoretischer Inhalte eine Musiktheoriepädagogik auszumachen im Verein mit einer Musiktheoriedidaktik, die auf Unterricht in musiktheoretischen Fächern bezogen ist.[40] Musiktheoriedidaktik ist das Teilgebiet der Musikdidaktik, das Voraussetzungen und Bedingungen von Unterricht betreffende Antworten der Musiktheoriepädagogik, die ihrerseits ein Teilgebiet der Musikpädagogik ist, auf Unterrichtssituationen anwendet. Mag es sich auch um ein Wortungetüm handeln, so ist der Gebrauch des Begriffs beispielsweise in der Bezeichnung des Grazer Studiengangs Musiktheorie- und Kompositionspädagogik doch durchaus sinngemäß.

Abbildung

Tabelle 1: Bereiche der Musikpädagogik und der Musikdidaktik

Später wird zu klären versucht, ob und wie sich die Musiktheoriepädagogik als Teilgebiet abgrenzen lässt sowie ob und unter welchen Bedingungen Begründungen der Musikdidaktik im Rahmen der Musiktheoriedidaktik gültig sind. Zunächst wird der institutionelle Rahmen betrachtet. Dabei lässt sich im Vergleich zur auf das Schulfach Musik bezogenen Didaktik konstatieren, dass Unterricht in Musiktheorie häufig im Hochschulrahmen stattfindet und spezifische, nämlich musiktheoretische Inhalte aufweist und dass bei der Auseinandersetzung mit diesen Inhalten bestimmte Methoden bevorzugt werden. Sofern es sich um Lehrveranstaltungen im Rahmen von Musikstudiengängen handelt, wären also hochschuldidaktische Überlegungen anzustellen. Eine der Hochschuldidaktik zugehörende Frage bezieht sich z. B. auf die Curricula der Studiengänge. Aber auch die Frage nach der Begründung von Inhalten und Gegenständen gehört hierher und wird nun zuerst behandelt.

Oben wurden musikalische und kulturelle Bildung als zentrale musikpädagogische Zielvorstellungen (»Grundideen«) benannt. Nun ließe sich fragen, inwieweit hier mit Blick auf die Lernenden der jeweiligen Institutionen – Schülerinnen und Schüler dort, hier Studierende an Hochschulen – Unterschiede bestehen. Wenn aber das Ziel aller auf Musik bezogener unterrichtlicher Bemühungen neben dem Musiklernen vor allem im Erwerb (bzw. dessen Ermöglichung) musikalischer bzw. kultureller Bildung liegt, dann gilt dies nicht nur für Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen. Es gilt schon insofern auch für Hochschullehre, als nicht nur die Kunsthochschulen selbst, sondern auch die Institutionen, an denen Studierende später arbeiten werden, seien es Konzerthäuser, Theater, Orchester, freie Ensembles oder Schulen, Musikschulen und wiederum Hochschulen, sich dem Ziel kultureller Bildung verpflichtet haben.[41] Kulturelle Bildung ist eine wesentliche Leitidee für die Musikhochschule ebenso wie für das Ensemble, in dem Studierende der Vokal- oder Instrumentalausbildung einmal beruflich tätig werden möchten – von der Musikschule und gerade der Schule, an der Studierende pädagogischer Studiengänge unterrichten werden, ganz zu schweigen. Ein Musikstudium hat eben nicht nur die Ausbildung für die Ausübung musikbezogener Tätigkeiten zu gewährleisten, sondern die Hochschule ist ein Ort, an dem sich Menschen kulturell, ästhetisch, musikalisch bilden können. Insofern ist zu erwarten, dass die Ziele von Musikunterricht und die Begründungen für die Wahl von Gegenständen, Inhalten und Themen denen von Musiktheorieunterricht ähneln oder gar gleichen. Auch hierin gibt sich Musiktheoriedidaktik als Teilgebiet der Musikdidaktik zu erkennen.

Studierende haben Berufsziele, daher ist die Ausrichtung auf den angestrebten Beruf zwar sicher nicht das einzige, aber ein wesentliches Begründungsmuster. Davon abgesehen, dass der Erwerb vielfältiger, für die (langfristig gelingende) Ausübung eines Berufs wichtiger Kompetenzen durchaus unter musikalischer Bildung geführt werden kann (und nicht nur – andersrum – der Erwerb kultureller Bildung als Teil der Berufsausbildung), ist hier wichtig festzustellen, dass in einem Musikstudium Bildungs- und Ausbildungsaspekte ungefähr gleichberechtigt nebeneinanderstehen dürften. Hier ist die Frage angebracht, ob Studienverläufe das angemessen abbilden und ob Inhalte und Ziele, die in der Regel in Modulbeschreibungen zu finden sind, auch in diesem Sinne angemessen begründet werden.

Selbstredend ist auch bei der Konzeption von Studiengängen die Beteiligung Studierender gefordert. Darüber hinaus liegt nahe, Studierende in erheblichem Maße in die Planung von Unterricht einzubeziehen – insbesondere dort, wo es keine Wahloptionen gibt; aber auch in Lehrveranstaltungen, die aufgrund der Thematik gewählt wurden, wird es günstig sein, am Anfang über die weitere Seminargestaltung zu sprechen. Denn im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern im Musikunterricht verfügen Studierende in hohem Maße über Expertise in Musik, insbesondere in den von ihnen gewählten Studienbereichen, sowie über pädagogische Expertise, sodass sie besonders gut einschätzen können, was sie lernen wollen.

Erwerb kultureller, speziell musikalischer Bildung, Musik-Verstehen, Musik-Lernen – all das sind eher übergeordnete bzw. Fernziele. Mit Blick darauf lassen sich in überschaubarem Maße unterschiedliche Ausrichtungen und Zielsetzungen in verschiedenen Studiengängen erkennen. Unterricht in musiktheoretischen Fächern hat sicher die Aufgabe, einen (spezifischen) Teil zur Realisierung beizutragen – wie auch andere Fachgebiete im jeweiligen Studiengang. Exklusivität dürfte Unterricht in Musiktheorie, wenn überhaupt, dann mit Blick auf konkrete Lernziele, Inhalte und gegebenenfalls bevorzugte Methoden erheben. In Verbindung mit Methoden stehen Unterrichtsfächer, die traditionell den Kern musiktheoretischer Lehre bilden und in jüngster Vergangenheit deutlich erweitert wurden.

Die Vielfalt musiktheoretischer Fächer ist nicht eben klein und umfasst – entsprechend den Tätigkeiten Lesen, Schreiben und Hören von Musik – zunächst die drei hergebrachten Fächer oder Fachgebiete Analyse (auch Formenlehre), Tonsatz bzw. Satzlehre (darin sind Harmonielehre und Kontrapunkt weitgehend aufgegangen) und Hören (Höranalyse und Gehörbildung, auch Solfège oder Solmisation). Hinsichtlich der Lehrkräfte, die diesen Unterricht anbieten, gibt es allerdings ebenso große Schnittmengen mit Lehrenden aus anderen Bereichen wie bei den Lehrenden der Gebiete, die weniger als musiktheoretische Kernfächer wahrgenommen werden. Zu diesen Fächern zählen Instrumentieren und Instrumentenkunde sowie Schulpraktisches Klavier-/Instrumentalspiel, Liedbegleitung, Vom-Blatt-Spiel/-Singen, Partiturspiel, Generalbassspiel, Improvisation (dabei sehr unterschiedliche Angebote), Komponieren für und mit Schülerinnen und Schülern, Texte Schreiben über Musik sowie Didaktik der Musiktheorie.[42] Zum einen werden diese Fächer teils von Lehrkräften unterrichtet, die den Fachgebieten Musikwissenschaft, Musikpädagogik, Komposition, Klavier, Ensembleleitung etc. angehören. Denn es werden hier Tätigkeiten thematisiert, die auch in Bereichen außerhalb der Musiktheorie liegen. Zum anderen ist nicht auf den ersten Blick auszumachen, was diese Fächer (als ›Kanon‹) verbindet, ob also, wenn es schon nicht die Lehrenden sind, die als Vertreterinnen und Vertreter der Musiktheorie diese Fächer unterrichten, das Unterrichten musiktheoretischer Inhalte diese Fächer vereint oder ob es gar spezifische musiktheoretische Methoden gibt. Darüber hinaus liegt die Frage nahe, ob es nicht sinnvoll ist, eine eigene Hör- bzw. Gehörbildungsdidaktik zu unterscheiden. Der Konzeption einer Integrativen Musiktheorie entsprechend, lassen sich aber die genannten Fächer als Unterrichtsangebote begreifen, die jeweils Schwerpunkte des Umgangs mit ähnlichen oder sogar gleichen Inhalten ausbilden, wobei insbesondere musiktheoretische Inhalte im Fokus stehen.[43] Eben der Bezug auf Musiktheorie und deren Inhalte ist den Fächern gemeinsam.

Inhalte der Musiktheorie – als Theorie – sind Begriffe, Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien, die hinter musikalischen Phänomenen zu erkennen sind bzw. diese erklären. In historisch-stilistischer Perspektive (bzw. in Bezug auf historisch-stilistische Kontexte) sind auch stilgebundene Normen von Musik sowie (spezifische) Prinzipien, Merkmale und Mittel klanglich-musikalischer Gestaltung und damit Musik(en) in ihrer Besonderheit Gegenstand der Musiktheorie. Im Unterricht gefördert werden darauf bezogenes Wissen und Fähigkeiten, insbesondere hinsichtlich der Wahrnehmung (des Hörens), des Erkennens, Begreifens und Benennens solcher Merkmale und Prinzipien. Dies geschieht durch und ist gerichtet auf Hören und Lesen, Spielen und Singen, Erfinden und Schreiben (Improvisation sowie Tonsatz und Komposition eingeschlossen) – und (angemessenes) Unterrichten. Insbesondere durch Analyse werden Begriffe und Gesetzmäßigkeiten, Normen und Gestaltungsmerkmale festgestellt; deren Wahrnehmung wird in der Gehörbildung geübt; und das ›Festgestellte‹ wird u. a. im Tonsatzunterricht wieder ›verflüssigt‹. Die historische Orientierung des Faches gibt den Blick frei auf historisch-stilistische Normen, mithin auf Gestaltungmerkmale und Gestaltungsmittel. Insoweit ist die Musiktheorie traditionell eng auf Komponieren bezogen. In fast allen musiktheoretischen Unterrichtsfächern ist musikalisches Handeln in vielfältiger Weise geboten – als Hören sowie als Singen, Instrumentalspiel, Komponieren oder Improvisieren –, denn die Inhalte sind oft kaum anders als über ästhetische Erfahrungen und auf dem Weg musikalischer Praxis oder mit Bezug darauf erlernbar.

Stefan Orgass betont die von ihm so genannte »immanente Didaktizität«[44] der Musiktheorie: Musiktheoretische Tätigkeit ermögliche neue musikbezogene Bedeutungszuweisungen und eröffne begriffliche Möglichkeiten der Verständigung darüber. Das kann für Unterricht fruchtbar gemacht werden; was hier mit Blick auf allgemeinbildenden Musikunterricht formuliert ist, lässt sich auf Theorieunterricht und weitere musikpädagogische Situationen übertragen: »Allerdings gehören meines Erachtens begründbare Vorstellungen vom Erlernen von Begriffen, auch von musiktheoretischen Fachbegriffen, zur Theoretisierung der letzteren, womit die immanente Didaktizität der Musiktheorie umrissen sein mag.«[45] An anderer Stelle formuliert Orgass später genauer, es lasse »sich von einer immanenten didaktischen Konstitution sprechen, soweit […] die Arbeit an jenen Begriffen als eines der Hauptgeschäfte dieser Disziplin verstanden wird«.[46] Demnach stellt sich die Frage, warum wer was lernen solle, in der Musiktheorie sogar in besonderem Maße und auf spezifische Weise.

Orgass fokussiert beide Male stark auf Begriffe, ohne die Musiktheorie auf deren Erwerb reduzieren zu wollen. Ähnlich wurde oben nahegelegt, dass Theorieunterricht sich auch nicht im Erlernen von Begriffen erschöpft, weder in inhaltlicher noch in unterrichtsmethodischer Hinsicht. Auch wenn Orgass den Aspekt des Deiktischen, der Zeigehandlung, zwar erwähnt, aber gewiss nicht überbetont,[47] erklärt sich vielleicht von der »Konstitution« des Faches her eine gewisse Neigung zum Nachvollzug feststehender Ergebnisse insbesondere im Unterricht. Darauf wird zurückzukommen sein.

Anmerkungen zu den Grundfragen der Didaktik

Die oben zusammengefassten Überlegungen zu Musikpädagogik und -didaktik, zu Musiktheorie und einer auf sie bezogenen Didaktik bilden den Hintergrund dafür, dass an dieser Stelle Janks zehn Fragen wieder aufgegriffen werden. Sie können nicht pauschal beantwortet werden, also ohne Kenntnisse über Lernende und Unterrichtsbedingungen oder für beliebige Inhalte. Und genauso verbietet es sich, hier klären zu wollen, wie Unterrichten ›richtig‹ geht, will man nicht – über das in didaktischen Fragen unvermeidlich mitschwingende Normative hinaus – in einen kaum zu rechtfertigenden Dogmatismus verfallen. Vielmehr sollen Hinweise zu den zehn Fragen gegeben werden, die (möglicherweise im Sinne eines ›Fahrplans‹ oder einer ›Checkliste‹) zur Planung und Reflexion von Unterricht und zur Erweiterung des Repertoires didaktischen Handelns dienen mögen.

Die Fragen werden dazu neu geordnet und in fünf Blöcke gegliedert. Der Fragenkomplex, warum wer was lernen soll, bildet die Kernfrage und lässt sich eigentlich nicht auftrennen.[48] Trotzdem werden Überlegungen zunächst an die Frage »warum?« geknüpft, die mit der Frage »wozu?« gekoppelt wird. Dass das sinnvoll ist, wurde im ersten Abschnitt bereits erläutert; die ersten beiden Abschnitte gingen in erster Linie diesen beiden Fragen nach, sodass es hier bei wenigen Ergänzungen bleibt. Der Frage, wer lernt, werden die ebenfalls personenbezogenen Fragen, mit wem und von wem gelernt wird, zugeordnet. »Was?« wird an dritter Stelle gefragt, also die Frage nach Gegenständen und Inhalten von Theorieunterricht gestellt und danach, worauf sich Lernen und Lehren richtet. Die Zuordnung der Hinweise zu diesen drei Fragekomplexen ist nicht sehr trennscharf, und auch mit den folgenden Fragebündeln gibt es Überschneidungen. Die Überlegungen, wie und womit gelernt wird, sind bereits Fragen der Methodik und betreffen streng genommen nicht mehr die Didaktik;[49] der Versuch, die methodischen Fragen zu vermeiden, wäre aber nachgerade künstlich, sind sie doch eng mit den didaktischen Kernfragen verknüpft. Die Fragen, wann und wo gelernt wird, spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle am Ende des Abschnitts.

Warum (und wozu)?

Im Mittelpunkt der Überlegungen standen bisher Begründungen und Ziele von Unterricht, der auf Musik oder speziell auf Musiktheorie bezogen ist. Es klang sogar die Frage nach der Legitimation von Unterricht an. Denn nur dadurch, dass es sie gibt, sind weder die Fächer noch die Unterrichtsgegenstände, Inhalte und Themen legitimiert. Von Bildungs- und Ausbildungsaspekten des musikbezogenen Hochschulstudiums aus gesehen, wurden musikalische und – in einem gleichsam umfassenderen Sinne – kulturelle Bildung wegen der anvisierten beruflichen Tätigkeit ebenso als grundlegende Intention von Theorieunterricht im Musikstudium benannt wie der Erwerb von Wissen, Kenntnissen, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die dafür förderlich sind. Denn die Berufsziele sind eine wichtige Orientierung bei der Planung von Unterricht.

Davon ausgehend, dass Didaktik auch für die Entwicklung und Überprüfung von Curricula zuständig ist, ist es umso auffälliger, dass in Studienunterlagen wie den Beschreibungen in Modulhandbüchern häufig Inhalte und Ziele von (Teil-)Modulen, mithin von Lehrveranstaltungen, aufgeführt, diese aber selten begründet werden. Da die Personen, die an der Lehrveranstaltung beteiligt sind, die Lehrenden ebenso wie die Studierenden, die das Modul belegen (müssen), zwangsläufig in der Modulbeschreibung außer Acht gelassen wurden, ist der Zweck der Festlegung von Inhalten und Zielen, zumindest aber deren obligatorischer Charakter, eher fragwürdig. Und die gemeinsame Konkretisierung des Lehr-Lern-Vorhabens dürfte von hoher Relevanz sein.

Wer (mit wem von wem)?

Orgass (auch gemeinsam mit Geuen) benennt Wahrnehmung, Deutung, Orientierung und Selbsttätigkeit als Bereiche, in denen Musikunterricht Lernen ermöglichen und fördern sollte.[50] Selbsttätigkeit ist eine für alles Lernen günstige Eigenschaft. Aber auch mit Blick auf die anderen drei Bereiche ist unschwer zu erkennen, dass dies auch für musiktheoretische Lehre im Hochschulbereich zutrifft: Sie will mit unterschiedlichen Schwerpunkten und mit verschiedenen Inhalten und Methoden die Wahrnehmung von Musik, die Deutung von Musik sowie die Orientierung in der Vielfalt von Musik fördern. Allerdings ist bei Studierenden in allen Fällen zu erwarten, dass Expertise in hohem Maße vorhanden ist: Wahrnehmung deutet in erster Linie auf Hören, das in jedem musikbezogenen Unterricht eine Rolle spielen sollte; Fächer wie Gehörbildung, Höranalyse etc. legen den Fokus darauf. Zu Deutungen sind Studierende ebenfalls in der Lage. Hier sollte auch Theorieunterricht nicht feststehende Deutungen und Interpretationen nachvollziehen lassen, sondern offen sein für Unerwartetes aus der Lerngruppe. (Dies gilt in besonders hohem Maße für musikpädagogische Studiengänge.) Dass Musikstudierende Übung darin haben, sich in der Vielfalt der Musikkulturen zu orientieren, ist ebenfalls zu erwarten. Die Präsentation von Unbekanntem kann bewirken, dass die Orientierung kurzfristig perturbiert wird. Dann kann die Vielfalt als solche erneut bewusst wahrgenommen (und zur Diskussion gestellt) werden. Selbsttätigkeit kann in einem Studium einerseits vorausgesetzt werden. Andererseits hat die mehr oder weniger enge oder offene Konzeption des Unterrichts unmittelbar Einfluss darauf, ob die Selbsttätigkeit auch erhalten bleibt. Je weniger dies gewährleistet ist, desto geringer dürften die Aussichten sein, dass Lernen stattfindet.

Insofern ist die Partizipation Studierender in hohem Maße erstrebenswert. Gerade an Hochschulen ist erwartbar, dass die Lernenden wissen und artikulieren können, was sie wollen und was sie brauchen, und weniger, dass die Lehrenden es besser wissen. Diese sind sicher gut beraten, jene erst einmal hinreichend kennenzulernen und mit Blick auf Wünsche und Ziele zu befragen. Ohne ein Mindestmaß des Austauschs an Informationen kann ein Unterrichtsplan kaum festgelegt werden, weder für eine Unterrichtseinheit noch gar für ein ganzes Semester.[51] Selbstverständlich ist die grobe Planung von Unterricht vor dem Beginn der Veranstaltung günstig, allerdings sollte der Plan revidierbar sein, sofern das Gespräch mit der Lerngruppe Korrekturen erforderlich macht. Unabhängig von Lernenden detailliert durchgeplante Lehrgänge sind dagegen mit Skepsis zu betrachten. Es ist aus bereits genannten Gründen sogar noch aussichtsreicher als in der Schule, auch im Rahmen hochschulischen Theorieunterrichts die oben erwähnte gemeinsame Themenfindung (gegebenenfalls samt komplementärer Kontextualisierung) in Erwägung zu ziehen.

Eine gemeinsame Planung von Unterricht sollte nicht ausschließlich auf die Frage gerichtet sein, welche Defizite auszugleichen sind. Aufgrund der bei Studierenden vorhandenen Expertise kann es sich anbieten, bereits Gekonntes weiter zu fördern und an bereits Bekanntem anzuschließen. Statt vorhandene musikbezogene Präferenzen infrage zu stellen, kann das vorhandene Repertoire durch entsprechende Angebote erweitert und durch das Kennenlernen von noch Unbekanntem bereichert werden, auch durch die Auseinandersetzung mit Musik, die eher außerhalb der späteren Tätigkeit liegt.

Hier sind zwei Fragen anschließbar: Die Frage, von wem gelernt wird, lässt reflektieren, ob andere Personen oder Personengruppen als die üblichen in den Blick geraten sollten. So kann es sich günstig auswirken, wenn zwei oder mehr Lehrende beteiligt sind – möglicherweise auch aus unterschiedlichen Fachbereichen. In diesem Fall kommen interdisziplinäre Angebote in den Blick, die in aktueller Perspektive nicht nur begründbar, sondern geradezu notwendig erscheinen.[52] Außerdem können die Lernenden als Lehrende fungieren, indem sie sich gegenseitig informieren, instruieren, anleiten etc. »Lernen durch Lehren« ist ein lange erprobtes Unterrichtskonzept, das auch im Hochschulrahmen Erfolg verspricht.

Die Frage, mit wem gelernt wird, lässt reflektieren, wie homogen eine Lerngruppe ist oder sein sollte. In der Regel sind Lerngruppen in musiktheoretischen Lehrveranstaltungen nicht besonders heterogen, weder mit Blick auf Kenntnisstand und Leistungsfähigkeit noch auf ihr Alter noch auf ihre Ziele und Wünsche, befinden sie sich doch oft in ähnlichen Studienabschnitten und gleichen oder ähnlichen Studiengängen. Eine größere Heterogenität der Gruppe, ein mit Schülerinnen und Schülern oder mit Berufstätigen gemeinsames Lernen kann von großem Vorteil sein. Gerieten eben schon interdisziplinäre Lehrveranstaltungen ins Blickfeld, so ist hier Projektarbeit bzw. Projektunterricht zu ergänzen.[53] Die Möglichkeit, dass Lehrende mit den Lernenden mitlernen, sollte nicht als beängstigend, sondern (auch aus diskurstheoretischer Perspektive) als Chance betrachtet werden.

Was (und woran)?

Während eben die Partizipation der Studierenden bei der Wahl von Gegenständen, Inhalten und Zielen des Unterrichts im Vordergrund stand, ist Transparenz im Wesentlichen der Schlüsselbegriff für das Folgende. Zunächst muss aber etwas zum Begriff des Gegenstands vorweggeschickt werden. Ein Unterrichtsthema wird gemeinhin dadurch definiert, dass ein Gegenstand unter einem Aspekt anhand eines Beispiels betrachtet wird. Aus konstruktivistischer Sicht ist dieser Gegenstand aber keine Konstante, nichts Gegebenes, sondern konstituiert sich erst in der Interaktion der Beteiligten, vorzugsweise im kommunikativen Akt. Zum einen ist aus dieser Perspektive der Gegenstand ein anderer, wenn er unter einem anderen Aspekt betrachtet wird. Zum anderen emergiert in solchen Interaktionen neuer Sinn; die Zuweisung von Bedeutung und das Aushandeln wird so möglich und nötig. Dass diese Sichtweise weitreichende (musik-)pädagogische Konsequenzen hat, liegt auf der Hand. Ein wesentlicher Beitrag musiktheoretischer Lehre kann u. a. darin bestehen, die Plausibilisierung von Deutungen und Interpretationen zu üben.

Dass Lehrende in Hinsicht auf Beispiele (z. B. Werke und Werkausschnitte), Gegenstände und Inhalte ihres Unterrichts, aber auch mit Blick auf Methoden und Unterrichtsformate im Laufe ihrer Tätigkeit Präferenzen ausbilden, lässt sich kaum vermeiden – und muss auch nicht vermieden werden: Präferenzen sind nicht unbedingt problematisch. Problematisch könnte aber sein, wenn jemand etwas unterrichten muss, das sie oder er nicht mag, oder auf eine Weise, die ihr oder ihm nicht liegt. In dem Sinne äußert sich schon Klafki, wenn er schreibt, »der Lehrer […] kann seine Aufgabe […] nur erfüllen, wenn er den Gehalt des […] zu Erschließenden repräsentieren, in sich selbst darstellen, glaubhaft vertreten kann.«[54] Nun ist es sicher kein Einzelfall, dass die Unterrichtsplanung von einem Unterrichtsgegenstand oder einem Beispiel dafür, z. B. einem Werk oder Werkausschnitt, ausgeht und von dort Thema, Inhalt und Ziel des Unterrichts entwickelt werden. Im Wortsinn des Begriffs der Reflexion ist es geboten, gleichsam den gedanklichen Rückweg zu gehen und zu fragen, unter welchem Aspekt der Gegenstand anhand des Beispiels betrachtet wird, welches Ziel mit welcher Begründung damit erreicht werden und der Erwerb welcher Kompetenzen dadurch gefördert werden kann – oder ob sich nun (zum Erreichen begründeter, reflektierter Ziele) andere Gegenstände oder Beispiele anbieten, die deutlich geeigneter sind.

Jede Wahl eines Unterrichtsinhalts bedeutet den Verzicht auf viele andere Inhalte, die möglicherweise ebenso bedeutsam sind.[55] Diesbezüglich lässt sich beobachten, dass einige Gegenstände deutlich unterrepräsentiert sind, denken wir beispielsweise an zeitgenössische Musik und an Popmusik, an Musik aus Asien und Afrika etc. Anderes ist deutlich überrepräsentiert. So ist es schwierig zu begründen, warum sich z. B. Lehramtsstudierende über mehrere Semester Theorieunterricht ausschließlich mit generalbassbasierter Musik beschäftigen sollen. Eine mögliche Begründung für eine betont ausführliche und langfristige Auseinandersetzung mit einem thematischen Bereich wäre, dass der Gegenstand dann beherrscht wird und dabei Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden, die auf andere Bereiche übertragbar sind. (Die Wahl eines exemplarischen, repräsentativen Inhalts würde immerhin für solche Übertragbarkeit sprechen.) Dann müsste freilich die Übertragung geübt werden. Und warum genau der infrage stehende Inhalt gewählt wurde, wäre nichtsdestotrotz zu begründen. – Dies gilt in gleichem Maße für Unterricht in Didaktik für Studierende mit Hauptfach Musiktheorie, muss doch dort nicht nur die Planung von Unterricht zu einem Thema geübt, sondern auch die Fähigkeit geschult werden, die Planung auf andere Themen zu transferieren und angemessen zu modifizieren.

Wie (und womit)?

Ähnliche Präferenzen wie die bei den Unterrichtsgegenständen erwähnten, gibt es sicher auch in Hinsicht auf Methoden. Abermals Klafki: »Erst von der didaktischen Analyse eines geplanten Unterrichtsthemas aus kann der zweite Schritt der Vorbereitung vollzogen werden, die methodische Vorbereitung.«[56] Insofern ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Unterrichtsplanung im Idealfall nicht von der Methode ausgehen sollte. Selbst wenn bevorzugte Methoden vor Inhalten und Zielen des Unterrichts feststehen, ist es günstig, später noch einmal den gedanklichen Rückweg einzuschlagen, wie es oben bereits nahegelegt wurde.

Einige Methoden haben den Charakter oder zumindest den Anschein des Aktuellen oder des Spielerisch-Unbeschwerten, etwa Übungen, die am Rechner oder online stattfinden, der Podcast als Format, Spiele oder Methoden, die Spielen nachempfunden sind. Sie alle entheben nicht von der Notwendigkeit der Reflexion: Aufgaben, die am Rechner zu bewältigen sind, Quiz, Memory und Puzzle erfreuen sich einer durchaus verständlichen Beliebtheit. Trotzdem ist immer zu prüfen, ob sie methodisch Lernen fördern oder eher verhindern. Denn gerade solche Methoden legen enge Aufgaben nahe, die mit ›richtigen‹ oder ›falschen‹ Antworten verbunden sind. Hier fühlen sich Lernende schnell gegängelt.[57] Natürlich können sich Lernende ein Thema erschließen, indem sie einen Podcast dazu erstellen; wenn aber der von Lehrenden aufgenommene Podcast die Vorlesung oder den Frontalunterricht ersetzt, ist – außer einer gewissen zeitlichen Flexibilität – methodisch-didaktisch nicht viel gewonnen.

Wenn Lernen nur selbsttätig erfolgen kann[58] und es stimmt, dass Musiklernen am günstigsten in Verbindung mit Handlung und musikalischer Praxis geschieht, dann wäre eine unterrichtspraktische Konsequenz, dass auch musiktheoretische Lehre nur im begründeten Ausnahmefall frontal oder gar als Vorlesung durchgeführt wird.[59] Dass anstelle des Nachvollzugs feststehender Inhalte, Deutungen und Bedeutungen den Lernenden im Unterricht Raum gegeben wird für musikalisch-ästhetische Erfahrungen und für die Emergenz von neuer Bedeutung, ist dem künstlerischen Gegenstand eher angemessen und mit Blick auf Lernen erheblich aussichtsreicher. Begeisterung[60] wird selten durch den Nachvollzug von etwas ausgelöst, von dem die Lehrkraft einmal begeistert war; sie entsteht eher im eigenen Entdecken und durch Erfahrungen, die durch musikalische Praxis gewährleistet sind.

Dass mit der Vorlesung ein in der Wissenschaft bzw. in universitärer Lehre beliebtes Format hier kritisch betrachtet wird, bedeutet nicht, dass damit wissenschaftliches Arbeiten (oder gar Forschung) in der Musiktheorie ausgeschlossen[61] oder sonst ein fachlich relevantes Feld beschnitten würde. Im Gegenteil: Projektlernen und wissenschaftliche Forschung schließen einander keineswegs aus. Benjamin Lang konstatiert eine widersprüchliche Entwicklung des Fachs Musiktheorie hin zu einer wissenschaftlichen Disziplin einerseits, zu einer Unterrichtsdisziplin andererseits, deren Fächervielfalt er ebenfalls hervorhebt. Außerdem betont er die notwendige Entwicklung einer aktuellen Unterrichtsmethodik. Es ließe sich gar »eine Entfremdung der fachlichen und fachwissenschaftlichen Entwicklung von der Hochschulrealität bzw. von der fachlichen Vermittlung von künstlerischen Inhalten im Rahmen einer musiktheoretischen Grundausbildung an deutschen Hochschulen beobachten.«[62] Das ist sicher richtig beobachtet. Aus der hier eingenommenen Perspektive wäre aber weniger abzuwägen, ob gerade der künstlerische oder der wissenschaftliche Bereich im Vordergrund steht, sondern didaktisch zu reflektieren, was warum gelernt werden soll und welches Format angemessen ist.[63]

Wann und wo?

In didaktischer Perspektive beziehen sich diese Fragen zunächst auf einen übergeordneten, nämlich auf den zeit- und geistesgeschichtlichen sowie sozialen Kontext. Die Fragen zielen dann darauf, wie Inhalte und Gegenstände von Unterricht legitimiert sind in einer so oder so verfassten Welt der Gegenwart und mit Blick auf die Zukunft.

In eher methodischer und unterrichtspraktischer Hinsicht gesellen sich die beiden Fragen zu der gerade behandelten Frage nach mehr oder weniger günstigen Formaten: Dann richten sie den Blick auf geeignete Lernorte und auf die angemessene zeitliche Organisation von Lehrveranstaltungen hinsichtlich Dauern und Zeitabständen. Alternativen dazu, dass Unterricht wöchentlich im gleichen Raum und mit gleicher Dauer durchgeführt wird, können sicher von Vorteil sein. Die oben vorgeschlagenen Formate legen solche Überlegungen nahe.

Musiktheorie in Schule und Musikschule

Als Hochschulfach kann Didaktik der Musiktheorie nicht nur in Theoriestudiengängen angeboten werden, sondern in allen musikpädagogischen Studiengängen.[64] Schließlich kann die Didaktik der Musiktheorie sich insofern auf Schule und Musikschule[65] beziehen, als an Musikschulen Theorieunterricht stattfindet und Musiktheorie ein Lernfeld innerhalb des schulischen Musikunterrichts und des Gesangs- und Instrumentalunterrichts darstellt. Auf diese Tätigkeitsfelder soll hier nicht ausführlich eingegangen, sondern nur einige Aspekte betont werden, welche die Hochschullehre betreffen.

Oben wurde bereits ausgeführt, dass die Relevanz von Unterrichtsinhalten für den angestrebten Beruf der Studierenden auch für den Theorieunterricht an Hochschulen eine bedeutsame Begründung ist, schon weil die (musikalische) Bildung im Ganzen den berufstätigen Menschen zugutekommt. Dies legt eine Differenzierung des Unterrichtsangebots nach Studiengängen nahe. Die Musikhochschule ist der geeignete Ort, an dem z. B. Lehramtsstudierende mit der Vielfalt der Musikkulturen selbst in reflektierender Absicht in Berührung kommen. Es ist kaum zu begründen, warum die Musiktheorie sich dem gegenüber verschließen und nicht ihren fachspezifischen Anteil beitragen sollte. Das bedeutet jedoch nicht, dass in Lehramtsstudiengängen im Sinne einer »Abbilddidaktik«[66] der Unterricht in Schule und Hochschule einander so angepasst werden müsste, dass ein direkter Transfer stattfinden könnte. Eher sollte versucht werden, den Schulbezug zumindest von erheblichen Teilen des hochschulischen Theorieunterrichts (hier: im Bereich Lehramt Musik) zu sichern. Manche Autorinnen und Autoren erblicken Schulbezug am ehesten im schulpraktischen Klavierspiel;[67] andere sehen die Aufgabe der Musiktheorie im Nachdenken über den sinngemäßen Gebrauch von Begriffen, wenn auch nicht unbedingt von Fachbegriffen;[68] wieder andere betonen den Einbezug musikalischer Praxis wie Improvisation und Komposition.[69] Letztere kann dazu beitragen, dass elementare Begriffe erlernt werden, und zwar im Zusammenhang mit musikbezogenen Handlungen, welche das Lernen als sinnvoll erachten lassen. Dass bei Laien im Alltag oft ein wenig sinngemäßer Gebrauch von Begriffen wie ›melodisch‹, ›harmonisch‹ und ›rhythmisch‹ zu beobachten ist, dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass sie die Begriffe entweder gar nicht oder ohne Einsicht in ihren Sinn erlernt haben. Jüngere Studien zeigen, dass weder den Schülerinnen und Schülern im Rahmen ihres Musikunterrichts noch den Lehrkräften mit Blick auf ihr Studium einleuchtete, warum sie sich mit musiktheoretischen Inhalten befassen sollen.[70] Wenn das stimmt, ist weder in der Schule noch in der Hochschule der Unterrichtsplan ›aufgegangen‹. Es bedürfte dann spezieller Bemühungen, damit Lehrkräfte eben keinen Bogen um musiktheoretische Inhalte machen und Lernende sich für Musik in großer Breite interessieren, Konzerte mit Gewinn besuchen und im Gespräch auf geeignete sprachliche Mittel zugreifen können.[71]

Fazit

Drei Zitate: Im Editorial der ersten Ausgabe der ZGMTH im Jahr 2003 schreibt Michael Polth: »Längst hat die Musikpädagogik gezeigt, daß […] ein kompetenter Musiktheoretiker nicht wegen seiner Fachkenntnisse allein schon unterrichten kann. Die Auseinandersetzung mit der Musikpädagogik und ihren Interessen ist für die Musiktheorie zentral.«[72] Wenn Juliane Brandes im Zusammenhang mit einer »methodischen und didaktischen Auseinandersetzung« erst kürzlich formuliert, diese würde »eigentlich, wie sonst auch in der Hochschullehre, nicht unbedingt diskursiv betrieben, sondern in der Lehre als Niederschlag neuster Forschung schlichtweg praktiziert«,[73] ist das eher mit Bedauern zu verkünden als ein Grund zum Jubel. Hatte doch Robert Lang bereits zwei Jahre nach Michael Polth an anderer Stelle bemerkt, dass »viele Lehrende zwar hochschulautodidaktisch zu hervorragenden Pädagogen geworden [seien]. Wie weit eine ›Didaktik der Musiktheorie‹ trotzdem noch entfernt ist«, ließe sich daran erkennen, dass sich Veröffentlichungen eher in Best-Practice-Beispielen aus dem eigenen Unterricht erschöpften. »Wichtiger als das Sammeln guter methodischer Ideen ist der Versuch, die übergeordneten Ziele des Musiktheorie-Unterrichts zu benennen.«[74]

Damit Lehrende auch in Hinsicht auf Unterricht in musiktheoretischen Fächern die Kernfrage beantworten können, warum wer was lernen soll, und zwar nach dem Unterrichten, aber auch schon davor und währenddessen,[75] ist didaktische Expertise erforderlich. »Das müssen die doch kennen/können?!« – dies wäre eine zu schwammige, ausweichende Antwort.[76] Sie ließe eher darauf schließen, dass wenig konturiert blieb, wer unterrichtet wird oder wurde, und dass die Frage der Begründung zu keinem Zeitpunkt gestellt worden ist. Damit ist weder geklärt, ob die Lernenden sich mit dem angebotenen Gegenstand beschäftigen wollten, noch begründet, warum so viele andere Inhalte und Themen ausgeschlossen wurden, geschweige dass ein einziges, in wie weiter Ferne auch immer liegendes Ziel der Unterrichtsbemühungen benannt wäre.

Außerdem gibt sich in der fiktiven Antwort hinter dem Begriff ›müssen‹ möglicherweise eine nicht begründete normative, ja dogmatische Haltung zu erkennen. Der Gefahr der Normativität,[77] die, wie überall dort, wo »Sollens-Aussagen«[78] getroffen werden, auch mit Blick auf diesen Text besteht, wurde dadurch zu begegnen versucht, dass hier in erster Linie Anregungen für die Planung und Reflexion anhand relevanter Fragen formuliert wurden, die zu alternativen Unterrichtskonzepten führen könnten.

Dass sich didaktische Fragen detailliert nur im Zusammenhang mit konkreten Lerngruppen und den entsprechenden Bedingungen hinreichend untersuchen lassen, dürfte schon mit Blick auf die dargestellte Fächervielfalt und den beachtlichen Reichtum an Gegenständen einleuchten, mit denen die Musiktheorie aufwarten kann. Bei den nötigen Entscheidungen aus didaktischer Perspektive ist Reflexion eine zentrale Aufgabe, der genügend Raum zugestanden werden sollte. Ein Rezept zur Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von automatisch gelingendem Unterricht wird niemand ernsthaft erwarten. Vielmehr sollten hier Anregungen zur Strukturierung solcher Reflexionsarbeit gegeben werden. Dazu wurde eine Art Fragenkatalog erstellt und mit möglichst breit gefächerten Hinweisen darauf versehen, was bedacht werden sollte.

Wenn man als eine Leitidee eines Musikstudiums akzeptiert, dass Studierende sich musikalisch und kulturell bilden, so lässt sich auch für die musiktheoretische Lehre und deren Gegenstände und Inhalte einfordern, was oben im Zusammenhang mit der Kommunikativen Musikdidaktik unterstrichen wurde: die Relevanz der gewählten Themen, die Transparenz der Unterrichtsplanung und die Partizipation der Lernenden sowie die Berücksichtigung individueller Lernwege. Weil die Lehrkraft gerade im Hochschulrahmen nicht immer besser weiß als die Studierenden, was für diese gut ist und was sie wollen und brauchen, sind sie im Grunde noch zwingender als im Schulunterricht in die Themenfindung einzubeziehen. Dazu tragen in diesem Rahmen rückhaltlose Information, die den Hintergrund der gemeinsamen Themenfindung darstellt, und komplementäre Kontextualisierung bei. Auch im Unterricht in Musiktheorie ist kein Grund dafür erkennbar, eine Musik auszuschließen; das Interesse an noch unbekannter Musik kann ebenfalls eingefordert werden. Bei Musikstudierenden kann es gute Gründe geben, für einen gewissen Zeitraum den Fokus auf eine bestimmte Musik zu setzen. Mögliche Begründungen könnten ein bestimmtes (aktuelles) Interesse oder eine angestrebte berufliche Tätigkeit sein. Allerdings sollte der Lehrkraft bewusst sein, dass bei der Auswahl eines Gegenstandes sehr viele andere zu kurz kommen oder unberücksichtigt bleiben. Es müsste dann eine vorübergehende Übereinkunft darin geben, das Interesse an weiterer (noch unbekannter) Musik zu vernachlässigen. Wird ein Bereich besonders langfristig oder intensiv bearbeitet, könnte das damit begründet werden, dass die Studierenden den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten auf die Erschließung anderer Bereiche übertragen können.

Weder der Unterrichtsinhalt noch das Fach sind dadurch legitimiert, dass sie in der Welt sind. Unterricht, Lernen und Lehren, geschieht nicht frei von Kontexten. Der Bezug auf die sich stets verändernde Welt, in der wir leben, mit ihren sich ständig ändernden Bedingungen darf ebenso wenig aus den Augen verloren werden wie die Frage nach der Welt, in der wir leben wollen. Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung (für Lernende) von Unterrichtsinhalten gilt es auch im Hochschulkontext stets aufs Neue zu reflektieren. Relevant ist ein »Bildungsinhalt […] erstens nur im Blick auf bestimmte [Lernende] […] und zweitens nur im Blick auf eine bestimmte, geschichtlich-geistige Situation mit der ihr zugehörigen Vergangenheit und der vor ihr sich öffnenden Zukunft.«[79] Die Frage der Legitimation in den Vordergrund zu rücken, ist ein zentrales Anliegen dieses Textes.

Das Nachdenken über Sinnhaftigkeit, Begründungen und Methodik musiktheoretischer Lehre ist von großer Bedeutung, schon um dem Rechtfertigungsdruck zu begegnen, unter dem die Musiktheorie gerade im Zusammenhang mit musikbezogenen Studiengängen steht. Die Kritik kommt vermehrt von Seiten der Musikpädagogik, sie bezieht sich vorzugsweise auf die mangelnde Breite an Gegenständen und die lehrgangsartige Unterrichtsdurchführung. Die Musiktheorie ist bereits dem Vorwurf ausgesetzt, hinter ihrer Lehrpraxis stünden »(oftmals schulmeisterliche) Bilder von Musikpraxen, mithin ein überholter Lernbegriff, zu denen es sowohl in der hochschuldidaktischen Literatur als auch in der Forschung mittlerweile differenzierte Perspektiven gibt.«[80] Der Verzicht auf musiktheoretische Lehre zugunsten anderer relevanter Felder wird durchaus erwogen, so dass die Gefahr droht, marginalisiert zu werden. Derlei Kritik oder Bedrohungsszenarien waren nicht Ausgangspunkt dieses Textes. Gleichwohl sollte Kritik, sofern sie nicht bloß polemisch und letztlich haltlos ist, ernst genommen und es sollte gefragt werden, was dahintersteckt. Ein Hintergrund wurde hier gesucht in der unzureichenden Beantwortung didaktischer Fragen. Der nicht immer öffentlich, aber doch hörbar vorgetragene Vorwurf mangelnder Relevanz der Musiktheorie für das Musikstudium, ja für das Musiklernen und den Erwerb musikalischer Bildung überhaupt lässt sich zwar entkräften. Aber es muss sich auch in der (Unterrichts-)Praxis zeigen, welchen Anteil die Musiktheorie an diversen Bildungsprozessen hat. Hier bietet sich der Versuch an, vom Fach Musikpädagogik zu lernen und dafür auf dessen Vertreterinnen und Vertreter zuzugehen.[81]

Angesichts der enormen Fülle und der hohen fachlichen Relevanz der Inhalte, die sich schon allein in den Texten zeigen, welche in den letzten Jahrzehnten in der ZGMTH veröffentlicht wurden, wäre es umso bedauerlicher, wenn darauf im Unterricht an Schulen und Musikschulen wenig zugegriffen würde – oder gar das Unterrichten im Hochschulkontext das Ziel (bzw. mögliche Ziele) verfehlte. Drei Vorschläge liegen auf der Hand:

Erstens sollte die Musiktheorie den Bereich der (Hochschul-)Didaktik stärker in den Blick nehmen, und zwar nicht als ›Vermittlungslehre‹, sondern um die Reflexion von Unterricht zu ermöglichen und zu fördern. In dem Rahmen sollte deutlich werden, dass ein Ausschluss von Gegenständen sich kaum begründen lässt. Potenziell sollten im Unterricht in Musiktheorie alle (Teil-)Kulturen berücksichtigt und zur Geltung gebracht werden, experimentelle neue Musik ebenso wie Popmusik, Maqam und Usul ebenso wie Raga und Tala oder Slendro und Pelog. Die Entscheidung für Oktavregelsatz und Försterstufen, pitch class sets und Z-relation ist möglich, bedarf aber jeweils einer Begründung in Ansehung der Lernenden, ihrer Ziele und ihrer »geistesgeschichtlichen Situation«.

Zweitens erscheint für die reflexionsgesättigte Disziplin Musiktheorie, die sich zunehmend als wissenschaftliches Fach definiert, ein intensiver Austausch mit der wissenschaftlichen Musikpädagogik sowie eine intensive Auseinandersetzung mit musikpädagogischer Forschung und Literatur und mit aktuellen Musik- und Lernbegriffen dringend geboten. Dadurch ließe sich der Anschluss an die Musikpädagogik als Nachbardisziplin ebenso gewährleisten wie die wünschenswerte Kohärenz in musikpädagogischen Studiengängen.[82]

Drittens könnte musikpädagogische Forschung einen bedeutenderen Teil im Wirken der Disziplin ausmachen, und zwar als musiktheoriepädagogische Forschung und längst nicht nur, aber naheliegenderweise auch im Sinne künstlerischer Forschung. Musiktheorie kann wertvolle Beiträge zu musikpädagogischer Forschung leisten, beispielsweise mit empirischen Studien, die über Musiklernen im Theorieunterricht oder über Theorielernen im Musikunterricht Auskunft geben.

Anmerkungen

1

Vgl. in Ergänzung hierzu Gatz/Schlothfeldt 2023.

2

Vgl. Dartsch 2019, 13–15 und Jank 92021, 24.

3

Jank 92021, 8–9.

4

Jank/Nimczik 2023, 219.

5

Jank 92021, 13.

6

Vgl. Jank 82020 und ders. 92021.

7

Jank/Nimczik 2023, 221.

8

Schatt 22021, 32; ebenso bereits in Schatt 12007, 19.

9

Schatt 22021, 33.

10

Ebd., 36. In der hier zitierten Passage weist Schatt darauf hin, dass der Vollzug von Unterricht ein »von Didaktik zu unterscheidendes Feld« darstelle. Insofern ist im Hochschulstudium die Einrichtung von Unterrichtsdurchführung als Lehrveranstaltung neben der Fachdidaktik folgerichtig.

11

Beachtlich erscheint in diesem Zusammenhang die Bemerkung von Jörg Zirfas (2015, 24), es sei »weder geisteswissenschaftlich-normativ noch sozialwissenschaftlich-empirisch geklärt, welche Ziele inwieweit durch Kulturelle Bildung verfolgt werden sollen bzw. welche auch verwirklichbar sind«.

12

Vgl. u. a. Orgass 2007, 106, ders. 2011a, 119 und Schatt 22021, 11.

13

Rolle 1999, 5.

14

Vgl. u. a. Rolle/Wallbaum 2011.

15

Orgass 2011a, 119. Vgl. zu »Bedeutung und Bedeutsamkeit« auch Krause 2008.

16

Vgl. u. a. Geuen/Orgass 2007, 70–72. ›Vermittlung‹ ist nicht nur aus konstruktivistischer Sicht ein problematischer Begriff, bezeichnet er doch meist eine Situation, in der jemand, der etwas besitzt, es jemand anderem, der es (noch) nicht besitzt, zu welchen Konditionen auch immer, übergibt. In der Alltagssprache verbinden wir mit dem Begriff Kontaktanzeigen, das Angebot von Waren etc. Neben dieser Kontextualisierung ist in der Regel ein Machtgefälle wahrnehmbar, weshalb umso erstaunlicher ist, wie unbekümmert der Begriff in musikpädagogischen, aber auch in Musiktheoriediskursen verwendet wird. Hans-Ulrich Schäfer-Lembeck (2014) thematisiert dies und ist zugleich bemüht, den Begriff einigermaßen zu rehabilitieren.

17

Vgl. Orgass 2011a, 121.

18

Ebd., 120; vgl. auch Geuen/Orgass 2007, 103 f.

19

Orgass 2011a, 120.

20

Geuen/Orgass 2007, 95.

21

Schaller 1998.

22

Geuen/Orgass 2007, 95.

23

Vgl. Orgass 1996, ders. 2007, Geuen/Orgass 2007. Schatt (12007, 120) hat in der ersten Ausgabe der Einführung in die Musikpädagogik kritisch angemerkt, dass die gemeinsame Themenfindung Gefahr läuft, zum Dogma zu werden. Hier wird sie – wie in Schatts zweiter Ausgabe – eher als aussichtsreiche und bedenkenswerte Option betrachtet.

24

Orgass 2007, 483–570 und Geuen/Orgass 2007, 54–72.

25

Ebd., 59.

26

Von den Prinzipien unterscheidet Schatt Orientierungen von Musikunterricht, die in der Geschichte der Musikdidaktik ins Feld geführt worden seien, nämlich die Orientierung am Kunstwerk, an der Handlung, an den Lernenden, der Erfahrung, an der Lebenswelt der Lernenden oder an Kultur. Mit Schatt (22021, 107–139) sind Geuen und Orgass (2007, 30) sich einig darin, dass selbst die Kombination mehrerer Orientierungen »für die Bestimmung des Verhältnisses von Zielen, Inhalten und Methoden« im Unterricht unzulänglich ist.

27

Schatt 22021, 109.

28

Vgl. Klafki 1973, 135–143.

29

Werner Jank nennt in der bereits erwähnten Musikdidaktik Bildungsideale und Lehrziele als mögliche Antworten auf »Wozu-Fragen«. Zu Ersteren heißt es: »Wer ein Bildungsideal formuliert, trifft eine Wertentscheidung« (92021, 19).

30

Vgl. Schatt 22021, 91.

31

Zum Begriff der Kontinuität vgl. (unter Bezug auf John Dewey) Geuen/Orgass 2007, 90–93.

32

Zu Chancen, Perspektiven, Risiken und Herausforderungen vgl. Malmberg 2012.

33

Vgl. Knigge 2014.

34

Richter 2011, 31.

35

Dartsch 2019, 13.

36

Ebd.

37

Schatt 22021, 63; vgl. auch Dartsch u. a. 2018, 170 f.

38

Daher schlägt Dartsch (2019, 13) vor, von »Allgemeiner Instrumental- und Gesangsdidaktik« zu sprechen.

39

Vgl. u. a. den Überblick über kompositionspädagogische Handlungsfelder in Schlothfeldt 2018 sowie zur Frage der Zuständigkeit der Musiktheorie Schlothfeldt 2015. Zur Kompositionspädagogik als »Teildisziplin« vgl. u. a. Schmidinger 2020, 25–31.

40

Sieht man von (historischen) Lehrbüchern ab, so ist in Musiktheorie unterrichten – Musik vermitteln (Kühn 2006) einer der ersten Versuche zu sehen, einen Beitrag zur Didaktik der Musiktheorie zu entwerfen. Schlothfeldt 2009 trägt Entwurf einer Didaktik der Musiktheorie bereits explizit als Teiltitel.

41

Im Jahre 2011 »wurde als wichtigste Aufgabe für die Orchester genannt, Kinder und Jugendliche für Musik und das musikalische Erbe zu begeistern« (Mertens 2013/2012).

42

Gatz/Schlothfeldt 2023, 80; vgl. auch Jeßulat 2010, 51 und Lang 2022.

43

Vgl. Kühn 2006, 220 und Schlothfeldt 2009, 206.

44

Orgass 2011b, 28 f.

45

Ebd. Warum nicht im Zusammenhang mit Gesang oder Instrument von »immanenter Didaktizität« die Rede ist, dürfte unmittelbar einleuchten.

46

Orgass 2015, 252.

47

Ebd. Anschließend unterscheidet Orgass (2015, 254) zwischen Didaktik der Musiktheorie und der »immanenten didaktischen Konstitution aller musiktheoretischen Tätigkeiten […]. Die erstere rekurriert auf die letztere und reflektiert Ziele, Inhalte und Methoden der Modifikation jeweiliger subjektiver Artikulationen jener Konstitution«.

48

In den GMTH-Proceedings 2004 begegnen die drei Fragen bei Koehler-Massinger 2004, 166.

49

Vgl. Klafki 1973, 130.

50

Siehe Anm. 24.

51

Dies gilt auch dann, wenn die Studierenden eine Lehrveranstaltung aufgrund der Ankündigung unter mehreren Möglichkeiten gewählt haben.

52

Vgl. Orgass 2013.

53

Siehe Anm. 32. Hier wäre das mit dem Label des »deeper learning« versehene Unterrichtsexperiment der Musikhochschule Detmold zu verorten, dass von Theorielehrenden auf dem GMTH-Kongress 2023 in Freiburg präsentiert wurde. Bei Projektarbeit ist zu beachten, dass sie dann aussichtsreich ist, wenn es sich bei dem behandelten Problem um eines handelt, das wirklich existiert.

54

Klafki 1973, 129.

55

Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung von Curricula warnt auch Robert Lang (2005, 462) vor der Gefahr, dass »Unterrichtsinhalte auf der anderen Seite geopfert werden.«

56

Klafki 1973, 142.

57

Entweder blamieren sie sich, weil sie die Antwort nicht kennen, oder der Unterricht ist überflüssig. Für solch geschlossenes Fragen, die Suche nach der gewünschten Antwort, hat sich der spöttische Begriff der ›Ostereierdidaktik‹ durchgesetzt.

58

Vgl. Geuen/Orgass 2007, 59.

59

Das sollte auch nicht als ›kaschierte Vorlesung‹ geschehen, also in frontal durchgeführtem Unterricht mit feststehendem, starr geplantem und lehrgangsartigem Unterrichtsverlauf, in dem mittels enger Fragen im Vorhinein festgelegte Inhalte zu erlernen und (gleichsam ›richtige‹) Deutungen von Musik nachzuvollziehen sind. Für solchen Unterricht ließe sich die Formulierung bemühen, dass Lernende »am Nasenring durch die Arena gezerrt« werden. Dabei könnte man den Begriff »Arena« im Hinterkopf haben, wie ihn Jörg Zirfas (2015) als Metapher für kulturelle Bildung erläutert und nutzbar gemacht hat, nämlich verstanden als Feld, Kampfplatz, Bühne, Spielplatz und Krisenort, wo Sachverhalte »unter diskurstheoretischen, machtpraktischen, inszenatorischen, ludischen und kritischen Perspektiven« aufgeklärt werden können.

60

Vgl. zu den Begriffen »Begeisterung«, »Inspiration« und »Enthusiasmus« im pädagogischen Diskurs Pesköller/Zirfas 2023.

61

Zum Selbstverständnis der Musiktheorie als wissenschaftliches Fach sei ausdrücklich verwiesen auf Neuwirth/Rohrmeier 2016, Aerts/Boenke/Linke 2022 u. a.

62

Lang 2022, 17. Einerseits habe sich eine Forschungsdisziplin etabliert, die andererseits »tonsetzerische Grundlagen […] in Kombination mit einem verstärkten historisch informierten Grundlagenwissen« (ebd.) vermittle.

63

Ein Zugang zu Inhalten der Musiktheorie kann sich auch darüber auftun, dass jemand ein Forschungsprojekt modelliert.

64

Vgl. Schlothfeldt 2009, ders. 2010, ders. 2015, Orgass 2011b.

65

Vgl. zum Handlungsfeld Schule u. a. Gatz/Schlothfeldt 2023 und Schlothfeldt 2009; zum Handlungsfeld Musikschule vgl. u. a. Verband deutscher Musikschulen 2016.

66

Siehe Anm. 34.

67

Jank/Nimczik 2023.

68

Orgass 2015, 251–253.

69

Gatz/Schlothfeldt 2023, 85–87. Ebenso Orgass 2011a, 173. Auch Robert Lang (2005, 462) empfiehlt (mit Bezug auf Wilfried Gruhn) »nach einer Art ›sinnlich erfahrbarer Musiktheorie‹ zu suchen, die für Unterricht an Schulen und Hochschulen genauer als zuvor überprüft, welche theoretischen Inhalte aus praktischem Handeln hervorgehen können.« Vgl. auch Brandes 2021b.

70

Vgl. Ickstadt/Imort-Viertel/Lang 2022.

71

Zu diesen Bemühungen zählt gewiss, dass die musiktheoretische Forschung und Lehre den Fokus nicht ausschließlich auf musikalische Kunstwerke setzt und sich mit arabischer, brasilianischer, indischer, indonesischer, türkischer etc. Musik ebenso auseinandersetzt wie mit anderen Bereichen der musikalischen Lebenswelt Lernender heute. Vgl. Jünger 2014, 218.

72

Polth 2003.

73

Brandes 2021a, 18.

74

Lang 2005, 460 f.

75

Vgl. bei Orgass die Begriffe des »Proflexiv-Normativen« (2011a, 132) und – mit Bezug auf Johannes Heinrichs – die Unterscheidung von »ausdrücklich-theoretischer« und »gelebter bzw. immanenter Reflexion« (2023, 19).

76

Insbesondere in Stellenbesetzungsverfahren, in denen Kommissionen die pädagogische Eignung prüfen sollen, müsste eine solche Antwort allein fast zwangsläufig zum Ausschluss der Bewerberin oder des Bewerbers führen.

77

Zu Werten und Normen vgl. Feurich 1999 sowie Orgass 2023. Zum Begriff des Restdogmatismus im Zusammenhang mit Musikunterricht vgl. (mit Bezug auf Schaller) u. a. Orgass 2011a, 120.

78

Ebd., vgl. auch Schatt 22021, 19.

79

Klafki 1973,132.

80

Clausen/Wolf 2023, 128. So ist auch fraglich, dass sich die angriffslustigen Beiträge von Buchborn und Clausen (2023), repetiert u. a. in der Studie MULEM-EX (Bundesfachgruppe Musikpädagogik e.V. 2024, 20), sowie in Clausen/Wagner 2024, nur auf Theorietests in Eignungsprüfungen für das Lehramtsstudium beziehen und nicht generell auf die Musiktheorie als Fach und auf ihr Unterrichtsangebot.

81

Vgl. hierzu auch Weidner 2015.

82

Vgl. hierzu Sammer 2023 und Gatz/Schlothfeldt 2023.

Literatur

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