Generalbass als Mittler zwischen Harmonie und Kontrapunkt
Zur Kreuzung von Satzkonzeptionen in Joseph Riepels Anfangsgründen
Oliver Wiener
Der Beitrag diskutiert zunächst den Generalbasses als Notationsform oder ‚Aufschreibesystem‘ im musikgelehrten Diskurs in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Dann wird seine Rolle in der Akkordbildungs- und Satzlehre in Joseph Riepels Anfangsgründen zur musicalischen Setzkunst untersucht. Riepel benutzt ihn als kombinatorisches Programm zur Bildung von Akkorden (in der Gründlichen Erklärung der Tonordnung insbesondere, 1757), nutzt sein Potential aber auch in Form von Sequenzmodellen bei seiner Überarbeitung von älteren Kontrapunktübungen nach Johann Joseph Fux und Meinrad Spieß. Generalbass dient ihm mithin als Medium theoretischer Reflexion wie auch einer modernisierenden Transformation des musikalischen Satzes. Für Riepel ist es typisch, dass mit kleinen versatilen Theoriesegmenten, ausgehend von Beispielen, arbeitet. Eine reduktive Theorie, die den Anspruch einer allgemeinen Gültigkeit haben soll, liegt ihm fern. Insofern spiegelt seine Art der Theoriebildung die Aufspaltung des Stilbegriffs nach 1750 in eine Vielzahl lokaler Praktiken.
The paper first discusses the thorough bass as a form of notation or operational writing technique (F. Kittler) in musicological discourse in the mid-18th century. Then, its role in chord formation and movement theory is examined in Joseph Riepel's Anfangsgründe zur musicalischen Setzkunst. Riepel uses it as a combinatorial program for the formation of chords (in the Gründliche Erklärung der Tonordnung insbesondere, 1757), but also exploits its potential in the form of sequence models in his revision of older counterpoint exercises after Johann Joseph Fux and Meinrad Spieß. Thorough bass thus serves him as a medium of theoretical reflection as well as a modernizing transformation of the musical movement. For Riepel it is typical to work with small versatile theory segments, starting from examples. A reductive theory, which should have the claim of a general validity, is far from him. In this respect, his way of theorizing reflects the splitting of the concept of style after 1750 into a multitude of local practices.
Julius-Maximilians-Universität Würzburg [Julius-Maximilians-Universität of Würzburg]
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