Dittrich, Marie-Agnes (2007), »›Teufelsmühle‹ und ›Omnibus‹«, Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 4/1–2, 107–121. https://doi.org/10.31751/247
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 01/01/2007
zuletzt geändert / last updated: 11/12/2010

›Teufelsmühle‹ und ›Omnibus‹

Marie-Agnes Dittrich

Die als ›Teufelsmühle‹ und ›Omnibus‹ bezeichneten Sequenzen begegnen in der Literatur im Zusammenhang mit Modulationen, Chromatik, Enharmonik und Alteration oder sind unter Stichworten wie ›Kontrapunkt‹, ›Kanon‹, ›Fragefiguren‹, ›Kleinterzbeziehungen‹ oder ›Symmetrie‹ zu finden. Als Satzmodell werden sie häufig nicht erkannt. Der Aufsatz erörtert neuere Literatur zu Terminologie, Ursprung und Varianten der ›Teufelsmühle‹ (Elmar Seidel nach Förster, Vogler u.a.) und des ›Omnibus‹ (Yellin). Als Werkzeug der Analysekritik und zur Erleichterung zukünftiger Analysen dienen eine Übersicht über den gesamten möglichen Akkordvorrat der drei häufigsten Versionen und eine (an Seidel angelehnte) Bezeichnung für sämtliche Akkorde in allen Transpositionsstufen. Da beide Sequenzen nicht immer hörend zu erkennen sind, wird der Diskussionsstand zu Markiertheit, Kontext und Konnotation referiert und anhand von Beispielen diskutiert.

Schlagworte/Keywords: Devil's Mill; Geschichte der Musiktheorie; history of music theory; Modell; musical schema; Omnibus; Satzmodell; sequential progression; Sequenz; Teufelsmühle

Terminologie, Varianten, Ursprünge

Elmar Seidel interpretierte die ›Teufelsmühle‹ 1966/1969 in Schuberts Wegweiser erstmals als wenigstens 100 Jahre altes harmonisches Modell, in dem trotz der Individualität der klassischen und Schubertschen Musik wahrscheinlich noch die barocke Ausdrucksfigur der Pathopoiia nachgewirkt habe.[1] Dieser vorsichtigen Deutung widersprach 1987 Martin Zenck: Bei Schubert handle es sich um eine »a-topische Topik der Harmonik«[2], es gehe nicht um eine »Identität mit dem harmonischen Topos«, sondern um »die Abweichung von ihm«, wie z.B. die »Durchbrechung des Modells« durch Auslassung eines Akkordes zeige.[3] Inzwischen gilt der Gebrauch von Modellen, Satztypen oder Modulen nicht mehr als Widerspruch zur individuellen Gestaltung: Komponieren schließt im hier behandelten Zeitraum, dem späteren 18. und dem 19. Jahrhundert, die Verwendung, Anverwandlung und Umformung bekannter Formeln und Bausteine im Rahmen einer verständlichen Syntax ein. Varianten sind daher weniger ein Zeichen der ›Abweichung‹ von einem Modell, sondern eher eine Voraussetzung für seine neuerliche Verwendung.

Das 1805 bei Förster »als sogenannte Teufelsmühle«[4] als bekannt vorausgesetzte Sequenzmodell und seine Varianten werden spätestens seit dem 18. Jahrhundert komponiert und, wenn auch meist nicht unter diesem Namen, in Lehrbüchern erwähnt. Dass ein verbindlicher Terminus bisher fehlt[5], erschwert den Überblick über den augenblicklichen Diskussionsstand, sofern davon überhaupt die Rede sein kann: Die beiden Autoren, die das Modell ins Gespräch gebracht haben – nach Seidel (1966/1969 und 1978/1981)[6] war dies im englischsprachigen Raum Victor Fell Yellin (1972/1976 und 1998)[7] – haben offenbar nicht voneinander Kenntnis genommen; auch etliche andere Beiträge beschränkten sich auf die Pioniere im jeweils eigenen Sprachraum. Daher ist es kaum verwunderlich, dass das Satzmodell unterschiedlich beschrieben, abgeleitet und klassifiziert wird oder dass der Vorwurf zu lesen ist, es sei in etlichen Lehrbuch-Beispielen oder analysierten Passagen zwar vorhanden, aber nicht erkannt worden. Eine Darstellung des Modells muss sich also im Rahmen der von Christian Thorau[8] angeregten Toposforschung auch mit seiner Erkennbarkeit und seiner »Markiertheit«[9] befassen, da es ebenso völlig übersehen wie als Klischee verdächtigt werden kann.

Seidel beschrieb die ›Teufelsmühle‹ wie die Generalbasslehren Voglers[10], Försters und anderer Autoren als eine Sequenz im Kleinterzabstand mit einer Akkordfolge aus drei Klängen – Dur-Septakkord, Moll-Quartsextakkord und verminderter Akkord oder ihren enharmonischen Varianten – über einer auf- oder absteigenden chromatischen Skala. In dieser Form nennt Seidel (1981) sie Version A.

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Beispiel 1: Teufelsmühle, Version A nach Seidel 1981

In einer Variante – Seidels sogenannte Version B – wird der verminderte Akkord durch einen Sekundakkord ersetzt:

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Beispiel 2: Teufelsmühle, Version B nach Seidel 1981

Eng verwandt mit Seidels Version B der Teufelsmühle ist der zuerst von Yellin beschriebene ›Omnibus‹ (die Herkunft dieses Terminus ist unklar).[11] Der ›Omnibus‹ besteht aus mindestens fünf Akkorden: einem Quintsextakkord und vier Akkorden aus der ›Teufelsmühle‹.

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Beispiel 3: Omnibus, nach Yellin 1998, 4

Wesentlich sei dabei, so Yellin, bei zwei liegenden Stimmen die Umkehrung der beiden anderen: »Symmetrical inversion is the fundamental contrapuntal basis of the omnibus idea«.[12] Sein Beispiel 61 zeigt eine solche Passage in Brahms’ Scherzo in es-Moll für Klavier op. 4, T. 38–45.

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Beispiel 4: Brahms, Scherzo in es-moll, op. 4 (181), T. 38–45 (nach Yellin, Ex. 61)

Um eine längere chromatische Skala zu harmonisieren, muss eine Fünfergruppe des ›Omnibus‹ in eine andere übergehen (der fünfte Akkord wird zum zweiten) oder, anders ausgedrückt, ein längeres Segment aus der ›Teufelsmühle‹ verwendet werden:

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Beispiel 5: längere Passage mit zwei ineinander übergehenden ›Omnibus‹-Segmenten, nach Yellin 1998, 4

Eine genaue Abgrenzung des ›Omnibus‹-Modells von der ›Teufelsmühle‹ ist, folgt man Yellin, nicht möglich, da er selbst nicht konsequent verfährt. So hält er die Folge verminderter Akkord – Moll-Quartsextakkord – Dur-Septakkord usw. (also Version A der ›Teufelsmühle‹) für eine Variante des ›Omnibus‹, dessen erste zwei Akkorde zu einem verminderten Akkord kombiniert wurden (6f.); dieselbe Akkordfolge im Finale des 2. Aktes in Mozarts Don Giovanni (T. 495–501) bezeichnet er ebenfalls als Variante des ›Omnibus‹ (18), aber auch als einen kurzen ›Omnibus‹ mit Variante als Ausstieg aus dem ›Omnibus‹-Modell (17).[13] Zwar hält er (10–12) am Beispiel der Kanons von Ziehn[14] die ›Teufelsmühle‹ A für eine von verschiedenen Möglichkeiten des ›Omnibus‹, nicht aber am Beispiel von Vogler (15). Jedoch stimmt er (15, Anm. 14) mit Thomas Christensen überein, der Voglers Sequenzmodell (also Version A der ›Teufelsmühle‹) als »Vogler’s chromatic omnibus« bezeichnet.[15] Entsprechend unpräzise sind viele der Analysen: Sein Beispiel 41 etwa, aus Verdis La Traviata (3. Akt, Nr. 18, Duett, T. 310–312) zeigt nicht die ›Omnibus‹-Glieder 1–4, sondern die ›Teufelsmühle‹ A. Auch Wason (1985), der den Terminus ›Omnibus‹ von Yellin für dessen Folge aus fünf Akkorden übernommen hat und ihn prinzipiell als »modifizierte Version« von der ›Teufelsmühle‹ abgrenzt (16), spricht bei Schuberts Wegweiser von einem ›Omnibus‹ (19), obwohl es sich um die ›Teufelsmühle‹ A handelt. In diesem Beitrag wird der Terminus ›Omnibus‹ deshalb nur dann verwendet werden, wenn von genau jener Akkordfolge die Rede ist, die Yellin[16] als solchen definiert und die nicht auch als ›Teufelsmühle‹ gelten könnte.

Um es zu erleichtern, diese eng verwandten, wenn auch verwirrend bezeichneten Sequenzmodelle zu überblicken, zeigt Tafel 1 den gesamten möglichen Akkordvorrat der Versionen A und B der ›Teufelsmühle‹ nach Seidel und des ›Omnibus‹ nach Yellin.[17] Damit sie in Kompositionen und Analyse-Beispielen auch in transponierter Form leicht zu erkennen sind, wurden hier die ersten beiden Akkoladen strukturgleich zweimal abwärts transponiert. Die Kleinbuchstaben a, b und c unterscheiden zwischen dem Modell auf einer Skala und den beiden Transpositionen. Die arabischen Ziffern kennzeichnen die Position der Basstöne oder der zwölf Akkorde auf jeder Skala (zuerst c=1, des/cis=2 usw.; in der ersten Transposition dann h=1, c=2 usw.). Die Akkorde, die nur mit ›A‹ oder ›B‹ bezeichnet sind, gehören nur zu den jeweiligen Versionen der ›Teufelsmühle‹; die Akkorde ›AB‹ kommen in beiden Versionen vor. Die umkreisten Ziffern beziehen sich auf die fünf Akkorde der verschiedenen ›Omnibus‹-Segmente. Sie erscheinen hier rückwärts, weil das Modell bei Yellin einen fallenden Bass harmonisiert. Die wie ›Ganze‹ notierten Akkorde, der Septakkord und der Moll-Quartsextakkord, sind also allen drei Modellen gemeinsam (und haben deshalb beide Großbuchstaben und umkreiste Ziffern). Von den übrigen jeweils drei Akkorden über demselben bzw. enharmonisch verwechselten Basston gehört jeweils der erste (›Viertel‹, nach unten caudiert) nur zur ›Teufelsmühle‹ A; der zweite (uncaudiert) erscheint sowohl in der ›Teufelsmühle‹ B als auch im ›Omnibus‹; der dritte (›Halbe‹, nach oben caudiert) nur im ›Omnibus‹-Modell. Die Akkorde 2 und 5 im ›Omnibus‹ können verschiedenen Fünfergruppen angehören und bieten deshalb die Möglichkeit zum Wechsel in eine andere Gruppe (oder, anders ausgedrückt, zur Verlängerung des Segments aus der ›Teufelsmühle‹ B).

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Tafel 1: Akkordvorrat der Versionen A und B der ›Teufelsmühle‹ nach Seidel und des ›Omnibus‹ nach Yellin

Weitere Formen des Satzmodells, in denen es allerdings oft nur noch schwer zu erkennen ist, ergeben sich durch die in der Praxis sehr häufige Kombination der Versionen A und B der Teufelsmühle, durch Modifikation oder Auslassungen einzelner Akkorde oder durch Sprünge in eine der Transpositionen. Ein schönes Beispiel ist eine Passage in Schumanns 2. Sinfonie, 3. Satz. Yellin sieht darin zwei deutlich ausgeprägte Verläufe des ›Omnibus‹ (»two distinct omnibus series«) über dem chromatisch ansteigenden Bass.[18] Dies trifft allerdings nicht genau zu.

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Beispiel 6: R. Schumann, Symphonie Nr. 2 in C-Dur, op. 61 (1846), 3. Satz, T. 43–61 (nach Yellin, Ex. 60)[19]

Nach Subdominante und Dominantquartsextakkord (T. 48) steigt der Bass chromatisch an. Die ›Omnibus‹-Akkorde vier und drei setzen über den Tönen cis und d ein (T. 49f.; in der ›Teufelsmühle‹ sind es die Akkorde Ba2 und ABa3). Da der Bass weiter steigt, wären in T. 51 über es und e im ›Omnibus‹ die Klänge zwei und eins zu erwarten. Klang zwei im ›Omnibus‹ (= ABa4) wäre ein Es-Dur-Septakkord. Stattdessen erklingt aber ein reines Es-Dur, und anstelle des ›Omnibus‹-Glieds eins (= Ba5), dem Quintsextakkord auf e, erscheint der verminderte Akkord (= Aa5). Die beiden Klänge in T. 52 (Dur-Quartsextakkord über f, dessen Basston in der zweiten Takthälfte erhöht wird) kommen in keinem der Sequenzmodelle vor; und nicht schon über dem Basston g, sondern erst über gis beginnt ein ›Omnibus‹-Verlauf (T. 53–56) (Glieder 4–1 oder Bc11, ABc12, ABc1, Bc2). Da der Klangvorrat verschiedener Versionen (auch in transponierter Form) vermischt wird und an mehreren Stellen anstelle der dissonanten Klänge in der ›Teufelsmühle‹ oder im ›Omnibus‹ konsonante Akkorde (T. 51: Es-Dur, T. 53: g-Moll) sowie Dur- statt der Moll-Quartsextakkorde vorkommen, ist der ›Omnibus‹ trotz des chromatischen Basses keineswegs deutlich. Das zeigen auch die folgenden Klänge, die dem verminderten und dem Dur-Quartsextakkord Takt 51f. entsprechen. Anders als in vielen anderen Fällen ist das (stark variierte) Satzmodell hier nicht als Kontrast zur folgenden Kadenz komponiert, denn der Modulationsweg führt in den Dominantquartsextakkord von Es-Dur zurück (T. 58), von dem er (in T. 48) ausgegangen war. Dass er dann schließlich doch sein Ziel erreicht, signalisieren nur die Figurationen der Holzbläser; die Harmonik oszilliert zwischen der Chromatik und scheinbar stabilen Kadenzklängen, die sich dann doch wieder als Durchgänge erweisen.

Noch schwerer ist das Modell zu erkennen, wenn regelmäßig ganze Akkorde ausgelassen werden oder wenn im Modell A an die Stelle des Septakkords ein Durakkord mit Sixte ajoutée tritt.[20] Peter Giesl beschreibt unter anderem eine theoretisch mögliche Zwischenstufe zwischen Seidels Modellen A und B (die Giesl als authentische halb- bzw. vollchromatische Kleinterzzirkel bezeichnet): Bei dieser Variante fallen auf jede vierte Stufe der chromatischen Skala (als »stagnierende Fortschreitungen«) zwei Akkorde, nämlich der Sekundakkord aus Version B und danach der verminderte Akkord aus A.[21]

Kaum weniger verwirrend als die Vielzahl der Varianten des Modells ist seine Einordnung in der einschlägigen Literatur. Nicht einmal hinsichtlich seiner akustischen Qualitäten besteht Klarheit. Yellin setzt, falls seine Formulierung nicht missverständlich ist, für die enharmonischen Umdeutungen die gleichschwebend temperierte Stimmung voraus[22], eine Auffassung, für die Voglers Beschränkung enharmonischer Modulationen auf Tasteninstrumente vielleicht als Beleg gedeutet werden könnte.[23] Allerdings sollte sich der Streit über die verschiedenen Stimmungen bekanntlich noch lange hinziehen, und die Möglichkeit, dass die durch die Besetzung gegebene Intonation bzw. die Veränderung der Stimmung von Tasteninstrumenten die Wahrnehmung der ›Teufelsmühle‹ beeinflusst hat, sollte nicht ausgeschlossen werden.

Die Wurzeln von ›Teufelsmühle‹ bzw. ›Omnibus‹ sehen Seidel und Telesco im Zusammenhang mit der Pathopoiia bzw. den chromatischen Bassformeln in Passacaglias und Lamento-Arien[24], Thorau in kontrapunktischer Gegenbewegung und einer Periphrase der Wechseldominante bzw. Dominante[25], Giesl schließlich (meines Erachtens weniger überzeugend) in der Klausellehre.[26] (Ob auch ein Einfluss harmonischer Labyrinthe oder der überraschenden Ausweichungen im Rezitativ bzw. ihren Nachahmungen in den Modulationsübungen und ›Inganni‹-Wendungen in den Generalbasslehren vorliegt, wäre noch zu prüfen.) Erwähnt wird die ›Teufelsmühle‹ in theoretischen Schriften und Lehrbüchern, auch in Beispielen versteckt, die etwas ganz anderes illustrieren sollen, in verschiedensten Kapiteln über Modulationen ebenso wie über Kleinterzbeziehungen, Chromatik, Enharmonik, Alteration oder über Sequenzen[27], Kontrapunkt, Kanons, im Zusammenhang mit Fragefiguren oder unter dem Stichwort ›Symmetrie‹. Als Satzmodell[28] wird die ›Teufelsmühle‹ keineswegs immer identifiziert; nicht selten erschwert der Versuch einer funktions- oder stufentheoretischen Deutung[29], sie als solches zu erkennen.

Noch dazu kommen natürlich leittönige Akkorde um einen Durchgangs-Quartsextakkord (also die bei Thorau so genannte Periphrase der Wechseldominante) auch in ganz normalen Kadenzen, vor allem in Moll, häufig vor.[30] Die Bezeichnung »small omnibus« für derartige Kadenzfragmente etwa bei Telesco (259) scheint deshalb nicht zwingend. Yellin sieht sogar in einer noch kürzeren Wendung in seinem Beispiel 39 (Bellini, Norma, 1. Akt, Szene 2, T. 146–150) einen »Pseudo-Omnibus«.[31] Tatsächlich handelt es sich nur um eine Kadenz mit einer Bewegung vom Sextakkord der Subdominante über den übermäßigen Quintsext- in den kadenzierenden Quartsextakkord, die selbst dann kaum als ›Omnibus‹-Glieder zwei und drei gehört werden würden, wenn es sich beim vermeintlichen Glied drei nicht obendrein um einen Dur-Quartsextakkord handelte. Auch Yellins Beispiel 49 (Wagner, Tristan, 2. Akt, Szene 1, T. 75–80, Brangäne: »Ich höre der Hörner Schall«) zeigt eine ganz konventionelle chromatische Modulation, in der ein Dominantseptakkord durch Erhöhung seines Grundtons zu einem verminderten Septakkord wird, auf den ein kadenzierender Quartsextakkord folgt. Yellins Bezeichnung als abgekürzte Version des ›Omnibus‹[32] führt geradezu in die Irre, da sie suggeriert, bei derartigen Modulationen handle es sich entwicklungsgeschichtlich um ›Omnibus‹-Derivate.

Gelegentlich können ›Teufelsmühle‹ oder ›Omnibus‹ also vor allem im Auge oder Ohr des Betrachters liegen. Aber auch der umgekehrte Fall kommt vor: Seidel (1981) gibt überzeugende Beispiele für Passagen bei Liszt, etwa in der Bergsinfonie.[33] Die kompositorische Umsetzung hat sich allerdings so weit vom Modell entfernt, dass man es selbst nach der Analyse kaum wahrnehmen kann.

›Markiertheit‹, Kontext, Konnotation

Zur Frage, unter welchen Bedingungen das Satzmodell erkannt werden kann, gibt sein Name, über dessen Ursprung ich bisher nichts herausfinden konnte, immerhin einen Hinweis: Die ›Teufelsmühle‹ hat tatsächlich bis weit ins 19. Jahrhundert ihre Markiertheit bewahrt und etwas von dem Geist, der stets verneint, symbolisieren können.[34] Ihre chromatische Stimmführung bei gleichzeitig gehaltenen oder wiederholten Tönen machte eine konventionelle Melodiebildung unmöglich, ihre Enharmonik schwächte das Bewusstsein für eine herrschende Tonart und gefährdete damit die musikalische Logik besonders in einer grundsätzlich heiter oder wenigstens optimistisch gestimmten Musik mit verhältnismäßig einfacher Harmonik und Form: Sechter etwa bezeichnete die Enharmonik als natürliche Feindin der gesunden Melodie, dafür aber als geheimnisvoll und überraschend, und konnotierte sie mit der »großen Welt« und der Abkehr vom »einfachen Familienleben«.[35] Und so werden die ›Teufelsmühle‹ bzw. der ›Omnibus‹ vor allem in folgenden Zusammenhängen beschrieben, die einander natürlich keineswegs ausschließen:

1) assoziiert mit Unsicherheit, Melancholie, Trauer, Schrecken, dem Erhabenen oder Tod

Ein berühmtes Beispiel findet sich in der Einleitung zu Beethovens Finalsatz aus op. 18,6, in der die ›Teufelsmühle‹[36] in den Takten 37–42 nur einer von mehreren Gedanken ist, laut Forchert »Täuschung und Trug, Verwirrung und grüblerischer Zweifel, Aufbegehren und ermattetes Zurücksinken«.[37] In seiner Deutung ist das folgende Allegretto, ein motorischer ›Deutscher‹ mit unausgesetzten Wiederholungen, übrigens kein Durchbruch zu einer völlig anderen Stimmung, sondern eine weitere Facette der Melancholie: Die Überschrift beziehe sich denn auch nicht nur auf die Einleitung, sondern auf den ganzen Satz.

Auch auf die ›Teufelsmühle‹ in Schuberts Lied Meeres Stille (D 216) bei »Keine Luft von keiner Seite! Todesstille [fürchterlich]«[38] folgt, anders als bei Goethe, keine Glückliche Fahrt.[39] Als gern zitiertes Beispiel aus der Oper wäre in diesem Zusammenhang außer Mozarts Don Giovanni die Wolfsschlucht-Szene aus Webers Freischütz zu nennen.

Auch das dem Schrecken nicht unverwandte Erhabene kann mit der ›Teufelsmühle‹ verbunden werden, etwa in Haydns Schöpfung bei »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes« (T. 178ff.)[40] und »Der Herr ist groß«[41] (T. 28ff.).

2) in nicht thematischen Stücken oder Passagen

Da auch Fantasien oder verwandte Gattungen oft mit derartigen Vorstellungen konnotiert sind, ist die ›Teufelsmühle‹ in ihnen seit Carl Philipp Emanuel Bach nicht selten;[42] auch nicht-thematische Formteile wie Kadenzen in Konzerten oder Durchführungen und Überleitungen nutzen ihre labyrinthische harmonische Qualität gern aus. Im ersten Satz von Brahms’ Streichquartett in c-Moll (op. 51,1) ist ein Ausschnitt aus der ›Teufelsmühle‹[43] (T. 45–47) ähnlich wie in einigen der unter (1) genannten Beispielen nicht die Vorbereitung zu einem Durchbruch nach Dur, sondern Teil einer langen Passage, deren formaler Position zufolge die Überleitung längst den Seitensatz erreicht haben müsste: Sie findet sich in der zweiten Hälfte der nur 82 bzw. 84 Takte zählenden Exposition und lange nach den Halbschlüssen in es-Moll in T. 31 und T. 32 und dem dann folgenden Basston b. Aber die Seitensatztonart erscheint erst unmittelbar vor Ende der Exposition mit einer klaren Kadenz nach Es-Dur in T. 75, und noch im selben Takt rückt eine Eintrübung nach Moll das vermeintliche Ziel wieder in weite Ferne. Das kurze ›Teufelsmühle‹-Segment ist übrigens schwer zu hören, da die beiden allen vier Akkorden gemeinsamen Töne fis und a in der 1. Violine und im Violoncello nicht als Haltetöne komponiert sind, sondern die Motive aus T. 35f. aufgreifen. Häufiger erscheint die ›Teufelsmühle‹ wohl aber

3) als Kontrast zur Vorbereitung eines strahlenden Höhepunkts

Gern zitierte Beispiele sind die ›Teufelsmühlen‹ in der Coda des ersten Satzes aus Beethovens 2. Sinfonie (T. 326–335) oder im Finale der 3. Sinfonie (T. 409ff.).

In Dvoráks Requiem op. 89 (1890) leitet im ersten Satz (in b-Moll) ein Segment der Teufelsmühle (T. 115ff.) über dem chromatisch um eine Quart steigenden Bass zu den Worten »et lux perpetua luceat eis« von Ges-Dur aus die Aufhellung nach B-Dur ein. In der Kadenz, die diese Worte wiederholt, lassen Durklänge die Worte »luceat eis« aufstrahlen. Ähnlich wirkt im Offertorium (T. 88ff.) die Passage »libera eas de ore leonis« (dort ist die ›Teufelsmühle‹ allerdings durch akkordfremde Töne verschleiert).[44]

Im erwähnten Kontext, als unsichere oder dramatische, nicht-thematische Passagen vor einem Höhepunkt und vor allem auch in Verbindung mit einer Satztechnik oder Instrumentation, die sie als Besonderes kennzeichnen, sind diese Sequenzen so häufig, dass umgekehrt ein solcher Kontext einiges dazu beiträgt, dass auch eigentlich ambivalente Passagen als ›Teufelsmühle‹ oder ›Omnibus‹ interpretiert werden können. Eine Sequenz im Finale von Tschaikowskys 6. Sinfonie Pathétique (1893) enthält kurze Kadenzen nach A-Dur und G-Dur, die als Ausweichungen über Zwischendominanten erreicht werden (T. 137–141). Aber der akkordische Satz, die geheimnisvolle Aura der plötzlichen Reduktion auf tiefe Bläser und die formale Position – diese Takte leiten wie bei (2) und (3) als Ausweitung des Dominantbereichs über Fis-Dur in den Schluss auf h über – sind so typisch für diese Sequenz, dass vieles dafür spricht, die Passage als kurzes ›Omnibus‹-Segment (3-2-1) zu deuten. Dazu könnte allerdings auch beitragen, dass der 1. Satz dieser Sinfonie eine oft erwähnte längere ›Teufelsmühle‹ (Version B) in ähnlicher formaler Position enthält (T. 259–262), die ebenfalls zur Dominante (von H-Dur, der Tonart der Seitensatz-Reprise) führt und als deren fernes Echo man diesen Schluss hören kann.

Unter den Verdacht des Klischees müsste eigentlich wegen der formalen Stellung und ihrer Gestalt die Teufelsmühle im Finale von Bruckners 5. Sinfonie (Vollendung des Finales 1877) fallen – ist sie doch für diese Zeit erstaunlich lang und nicht einmal variiert. Zudem nimmt sie die übliche unter (2) und (3) erwähnte Position ein: Sie beschließt in der Coda eine Überleitung und gipfelt in der triumphalen Wiederaufnahme des Chorals (und zweiten Themas der Doppelfuge). Dennoch wirkt die ›Teufelsmühle‹, die in Verbindung mit Motiven aus dem Hauptsatz-Thema des Finalsatzes erscheint, nicht abgenutzt. Denn sie ist selbst eine Steigerung der vielen vorigen, ebenfalls schon durch Chromatik charakterisierten, Harmonisierungen dieser Motive (vgl. z.B. das Heraufrücken in Halbtonschritten ab T. 476 oder die noch im Rahmen von Kadenzen zu verstehende chromatische Bassführung ab T. 496). Vor allem aber tritt die ›Teufelsmühle‹ an einer Stelle auf, an der sich die Tonart und das gesamte Thema des Hauptsatzes ankündigen, und zwar (analog zu seiner Version als mächtiges Bläser-Unisono in der Schlussgruppe ab T. 137) auch noch in Augmentation. Einen solchen Auftritt hätte man schon zu Beginn der Coda (T. 460) erwartet. Aber dort wird das Thema bereits nach zwei Takten überraschend vom Hauptsatzthema des Kopfsatzes verdrängt, das damit als überzähliges, drittes Fugenthema die Doppelfuge um eine weitere Durchführung (in Kombination mit dem Finalsatz-Hauptthema) verlängert. Nach einem weiteren Dominant-Orgelpunkt (entsprechend denen vor der Schlussgruppe, der Reprise und der Coda) scheint in T. 564 endlich das verdrängte Finalsatz-Hauptthema, nunmehr sogar feierlich augmentiert, nachgeholt zu werden. Dieses Mal aber verhindert dies die ›Teufelsmühle‹, in deren Sog das Thema nun gerät: Zweimal könnten die ersten ›Teufelsmühlen‹-Akkorde noch als Bestandteil seiner üblichen Harmonisierung verstanden werden, dann aber erscheinen ab T. 573 nacheinander, immer wieder neu ansetzend, Klänge aus Version B, dann aus Version A über den von dis an aufsteigenden Basstönen.[45] Das Thema wird dabei natürlich zersplittert, wie auch schon so oft vorher im Satz. Den krönenden Schluss überlässt es dem nun ebenfalls augmentierten Choralthema, dem seine Motive, nun auch wieder auf das normale Zeitmaß reduziert, sich als Kontrapunkt unterordnen.

Auf eine Ausnahme von der Regel, dass die ›Teufelsmühle‹ gern im Zusammenhang mit nicht-thematischen Passagen auftaucht, hat Seidel bei Liszt aufmerksam gemacht, bei dem ›Teufelsmühlen‹-Derivate als Thema verwendet werden können. Als Beispiel nennt Seidel die erste Themengruppe der Bergsinfonie, der eine Kombination der Versionen A und B der ›Teufelsmühle‹ zugrunde liege.[46] Ebenfalls seltener erwähnt wird das Satzmodell im Zusammenhang mit der Schärfung einzelner Stimmen bzw. Charaktere durch den individuellen Ausbruch aus einer strengen Satztechnik. Thorau etwa verweist in C.Ph.E. Bachs Fantasie C-Dur aus der fünften Sammlung auf die »selbständige Rede einer Einzelstimme«, die sich aus »dem Schematismus« dieses Sequenzmusters heraushebe.[47] Yellins Beispiel 34 zeigt die unterschiedliche Charakterisierung zweier Personen in Meyerbeers Robert le diable[48] durch ihre jeweilige Melodiebildung. Und schließlich kann die ›Teufelsmühle‹ auch in Übersteigerung ihres erhabenen oder verwirrenden Effekts eingesetzt werden: C.Ph.E. Bachs Verwendung der ›Teufelsmühle‹[49] im letzten Ritornell des Rondos a-Moll aus der zweiten Sammlung fassen Thorau und Poos als Groteske auf, da sein »fast pedantisch lehrbuchartige[s] Ausmaß« über das »Ziel der Erhabenheitsdarstellung hinausschieße«.[50] In den ›Teufelsmühle‹-Bruchstücken im Andantino von Schuberts Sonate A-Dur (D 959) sieht Jeßulat ein Klischee der Klavierfantasie, das mit ebensolchen der Invention und des Rezitativs »stilbrüchig aneinander« gereiht werde.[51]

Es versteht sich von selbst, dass das Satzmodell ›Teufelsmühle‹ bzw. ›Omnibus‹ am leichtesten ins Ohr fällt, wenn seine Harmoniefolgen nicht durch komplizierte Stimmführung und Rhythmik verschleiert werden und die Stimmung die Haupttonart und ihre nahen Verwandten bevorzugt.[52] Je mehr sich einerseits im 19. Jahrhundert all diese Voraussetzungen ändern und je mehr die ›Teufelsmühle‹ ihrerseits variiert werden muss, um nicht zum Klischee zu erstarren, desto schwerer wird es, sie als markiert zu empfinden – oder Analysen nachzuvollziehen, die sie oder den ›Omnibus‹ aufzuspüren glauben.

Anmerkungen

1

Seidel 1969. Der Aufsatz ist die erweitere Fassung eines Referats auf dem Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongress der Gesellschaft für Musikforschung Leipzig, 1966.

2

Zenck 1987, 156.

3

Ebd., 158. – Im Wegweiser ist die Auslassung eines Akkordes aber keine Distanzierung vom Modell, sondern darauf zurückzuführen, dass es sonst für eine unauffällige Integration in die Tonart und die periodische Strophenform des Liedes zu lang wäre; in anderen Liedern, in denen Schubert die ›Teufelsmühle in Strophenformen integriert, verfährt er ebenso (vgl. Dittrich 1991, 215–227).

4

Förster 1858, § 93, Bsp. 134 (der Haupttext des Beispielheftes ist gegenüber früheren Ausgaben leicht gekürzt, das Bsp. 134 aber unverändert).

5

Soweit ich sehe, ist im Moment außer dem Terminus ›Teufelsmühle‹ und seinen Übersetzungen wie ›Devil’s Mill‹ und ›djævlemøllen‹ der Ausdruck ›Omnibus‹ gebräuchlich. Nur ausnahmsweise wird deutlich, dass beide Begriffe fast dasselbe meinen (vgl. Amon 2005, 235). Dass Robert W. Wason, auf den sich die Autoren im englischsprachigen Raum beziehen, die Teufelsmühle zwar beschreibt, aber nur die Übersetzung ›Devil’s Mill‹ verwendet (1985, 24), hat vermutlich die Rezeption des deutschen Terminus und der entsprechenden Literatur erschwert, ebenso wie umgekehrt der bestenfalls nichtssagende Ausdruck ›Omnibus‹, der sich leider im Englischen eingebürgert hat, es verhindert haben dürfte, dass die Literatur dazu im Deutschen bekannt wurde. Nicht einmal die computergestützte Recherche hilft hier weiter, da die entsprechenden Abstracts, etwa im RILM, nur auf die unübersehbare Literatur zu Stichworten wie ›Chromatik‹, ›Enharmonik‹ etc. verweisen.

6

Seidel 1981.

7

Yellin 1972. Auf eine erweiterte unpublizierte Version dieses Referats (1976) bezieht sich Wason 1985 (siehe auch Yellin 1998).

8

Thorau 1993, 191.

9

Zur Markiertheit in der Musik vgl. Hatten 2004, besonders den Abschnitt »Markedness Theory and The Interpretation of Musical Oppositions«, 11–16.

10

Vogler 1776, 86, sowie 1802, 133f.

11

Näheres dazu bei Yellin 1998, 79.

12

Yellin 1998, 4.

13

Gerade bei diesem Beispiel wäre eine Interpretation als ›Teufelsmühle‹ naheliegend, weil man damit einen Akkord mehr erklären könnte, als es mit dem ›Omnibus‹ gelingt.

14

Vgl. Ziehn 1912, 114f. (zit. nach Yellin 1998, 10f.). Yellin 1998 (12) sieht übrigens in Ziehns Modellen (reproduziert auf 10f.) verschiedene ›Omnibus‹-Gruppen (»five omnibus groups connected by a process of mutation«). Demnach würde sich der ›Omnibus‹ auf nicht mehr als drei Klänge mit zwei chromatischen und zwei Haltestimmen reduzieren. Die resultierenden Akkordfolgen wären aber völlig verschieden. Die Frage, was noch als ›Omnibus‹ bezeichnet werden kann, scheint also offen.

15

Vgl. Christensen 1992, 116, Anm. 89 (zit. nach Yellin 1998, 15).

16

1998, 4f.

17

Die Tafel bei Telesco gibt eine Übersicht über alle ›Omnibus‹-Reihen, enthält aber einen Druckfehler: Im dritten Zyklus muss der erste Akkord der dritten Reihe ein Gis-Dur- (nicht G-Dur)-Quintsextakkord sein (1998, 261).

18

Yellin 1998, Bsp. 60, 55f.

19

Die Druckfehler in der Bezifferung der ›Omnibus‹-Progression bei Yellin wurden hier korrigiert.

20

Seidel 1981, 175.

21

Giesl 2001, 393.

22

»It was not until the advent of well-tempered tuning in the eighteenth century and a system of twelve semitones that the contrapuntal idea of contrarium reversum could be applied chromatically and enharmonically, thereby leading to the possibility of symmetrical inversion« (Yellin 1998, 6). Der im selben Zusammenhang folgende Verweis, »Mozart persisted in the practice of treating as equal all enharmonic notation of chromatic semitones«, legt nahe, dass hierbei nicht an eine der temperierten, sondern an die gleichschwebende Stimmung gedacht ist.

23

Laut Vogler könnten enharmonische Modulationen »auf einem Saiten- oder Pfeifenspiel die beste Wirkung thun, aber für ein Stück von verschiedenen Stimmen sind sie dem Gehöre unerträglich und dem Tonsezer unbrauchbar; denn der Unterschied z.B. zwischen cis und des wird genau vernommen, und von den geschicktesten Tonkünstlern kann der Vortrag nicht richtig genug sein« (1776, 84). Allerdings ist nicht klar, an welche Stimmung Vogler genau denkt. – Gottfried Weber, der sich ausführlicher äußert und zum damals noch geführten Streit über die gleichschwebende und verschiedene Arten der ungleichschwebenden Stimmung, ihre praktische Umsetzung und die Fähigkeit unseres Gehörs, sich Unstimmiges zurechtzuhören, sehr pragmatische Ansichten gehabt zu haben scheint, schreibt: »Wir wollen hier den Streit dahingestellt sein lassen, und nur anführen, dass unsere Tasteninstrumente ungleichschwebend gestimmt werden, und zwar so, dass die minder transponirten und darum auch gebräuchlicheren Tonarten der Reinheit näher gehalten werden, als die mehr transponirten, mehr chromatischen.« (1830–32, § 182 A, 92).

24

Telesco 1998.

25

Thorau 1993, 172–174.

26

Giesls Prämisse, nämlich dass die ›Teufelsmühle‹ und andere chromatische Kleinterzzirkel auf verschiedenen Spannungs- und Ruheklängen beruhen, scheint problematisch, weil sie ein Hören des Quartsextakkords als Ruheklang voraussetzt. Mir persönlich ist das noch bei Schubert unmöglich, wenn auch Gottfried Weber wenig später einen Beleg für die sich ändernde Wahrnehmung des Quartsextakkords auf schwerer Taktzeit als Konsonanz gibt (1830–32, Bd. 2, 129): Gerade auf schwerer Taktzeit sei unser Gehör »so gewöhnt, eine tonische Harmonie auf solche Art auftreten zu hören, dass es dadurch geneigt geworden ist, jeden (gesperrt) also auftretenden, harten, oder weichen Quartsextakkord, für eine […] tonische Harmonie zu nehmen.« Da aber der Dissonanzgrad des Quartsextakkordes bis ins frühe 20. Jahrhundert in Harmonielehren diskutiert wurde und Giesl sich mit der Klausellehre auf wesentlich ältere Musik bezieht, kann diese neue Wahrnehmung seine Ableitung der Teufelsmühle nicht stützen.

27

Jersild 1982, 73–108, besonders 103–108, dort auch mehrere Literaturbeispiele.

28

Fladt 2005, als »Skalenmodell« (358) und als »Modell mit symmetrischer Oktavteilung« (364).

29

Vgl. dazu etwa Krämer 1997, 60f. und 113f., oder Carl Dahlhaus’ Beschreibung der ›Teufelsmühle‹ in Beethovens op. 18,6 (1983, 207f.).

30

Vgl. dazu auch Budday 2002, 216.

31

Yellin 1998, 37.

32

»truncated (chords 1-2-3) but straightforward version of the omnibus« (Yellin 1998, 46).

33

Zur ›Teufelsmühle‹ bei Liszt siehe auch Torkewitz 1978, 31ff.

34

Vgl. dazu auch Poos 1993, 158.

35

Sechter 1853, 218.

36

Version A, Glieder Ab6 bis Ab10.

37

Forchert 1983, 230.

38

Version B, Glieder Bb7 bis Bb1 ohne das Glied Bb2; in seiner Auslassung sehe ich, anders als Poos, weniger die »Peripetie« der »obscuritas der Harmonik« als eine Anpassung des Modells an den formalen und harmonischen Kontext (vgl. Poos 1997, 41).

39

Zur ›Teufelsmühle‹ in anderen Liedern von Schubert siehe den entsprechenden Abschnitt in Dittrich 1991, 220–227.

40

Hier handelt es sich um ein Segment der ›Teufelsmühle‹, das in den ›Omnibus‹ übergeht: über b ansteigend bis cis: Aa11, AB 12 = ›Omnibus‹-Glied 3, ABa1 = ›Omnibus‹-Glied 2 dann ›Omnibus‹-Glied 1.

41

Hier sind es nur die Akkorde Aa11 bis Aa2; im Akkord Aa1 fehlt der Ton b.

42

Vgl. Thorau 1993.

43

Version A, Glieder Ab2 bis Ab5.

44

Es handelt sich in beiden Fällen um die Version A. Im ersten Satz sind alle Klänge von Aa8 bis Aa1 vorhanden. Im Offertorium liegt der Passage der Ausschnitt von Aa4 bis Aa11 zugrunde; die Klänge Aa6 und Aa9 in T. 90 und 93 werden allerdings nur angedeutet und lösen sich in Septakkorde auf; andere Klänge erscheinen erst nach Vorhalten. Für den Hinweis auf diese beiden Beispiele danke ich Hans-Ulrich Fuss, Hamburg.

45

Es sind die Akkorde Bb5, ABb6, ABb7, Ab8, ABb9, ABb10, Ab11 und ABb12.

46

Seidel 1981, 175f.

47

Thorau 1993, 186.

48

Yellin 1998, 34; Meyerbeer, Robert le diable, 1. Akt, Szene 6, Finale, T. 310–318.

49

T. 143–155; es handelt sich um eine Mischung aus den Varianten A und B.

50

Thorau 1993, 184; zu dieser Passage auch Poos 1993, 156–158.

51

Jeßulat 1997, 82.

52

Noch 1853 hält Sechter das Ideal reiner Intervalle für die Hauptakkorde in verschiedenen Tonarten aufrecht; die darauf beruhende Hierarchie der Klänge habe die »Regeln der Fortschreitung« auch bei Tasteninstrumenten in einer temperierten Stimmung »nach dem richtigen Verhältniss einzurichten« (1853, 69).

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