Tavousi, Davoud (2021), »Explizite und implizite Regeln der modalen Solo-Improvisation in iranischer Musik. Eine vergleichende Analyse« [Explicit and Implicit Rules for Modal Solo Improvisation in Iranian Music: A Comparative Analysis], Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 18/1, 101–126. https://doi.org/10.31751/1107
eingereicht / submitted: 16/08/2020
angenommen / accepted: 07/10/2020
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 28/06/2021
zuletzt geändert / last updated: 27/06/2021

Explizite und implizite Regeln der modalen Solo-Improvisation in iranischer Musik

Eine vergleichende Analyse

Davoud Tavousi

Dieser Artikel untersucht die kreativen Prozesse in der freien modalen Solo-Improvisation in iranischer klassischer Musik mithilfe eines analytisch-vergleichenden Ansatzes. Der Text ist in drei Hauptabschnitte gegliedert: (1) »Lehr- und Lernprozesse in der Improvisation iranischer Musik«, (2) »Die Wechselbeziehung zwischen persischer Sprache und iranischer Musik«, (3) »Die Herleitung theoretischer Regeln der iranischen modalen Solo-Improvisation durch vergleichende Analyse«. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der vergleichenden Analyse von neun Aufführungen einer Gūše namens Qaratsche – fünf vokalen und vier instrumentalen Performances ̶ , die ein breites Spektrum von Möglichkeiten innerhalb eines bestimmten Modalbereichs abdecken. Außerdem wird in der Analyse gezeigt, wie das gleiche melodische Material in unterschiedlichen Arrangements präsentiert werden kann.

This article explores creative processes in free modal improvisation by soloists in Iranian classical music through an analytical-comparative approach. The text is divided into three main sections: (1) “Teaching and learning Iranian music improvisation,” (2) “The interrelationship between Persian language and Iranian music,” (3) “The derivation of theoretical rules for Iranian modal solo improvisation through comparative analysis.” The study is based on a comparative analysis of nine performances (five vocal and four instrumental) of a gūše called Gharache covering a broad spectrum of possibilities within a certain modal area. The study also demonstrates how the same melodic material can be presented in different arrangements.

Schlagworte/Keywords: Analyse und Performance; analysis and performance; Dastgāh; Gūše; Improvisation; Iran; modal system; modales Tonsystem

Einführung

Improvisation wird aus dem Innern der Musiker heraus als spontane Leistung hervorgerufen, die zugleich auf erlernten Regeln basiert. Imitieren und Auswendiglernen des Radif (des Kanons persischer Kunstmusik)[1] ist eine Übetechnik in der iranischen klassischen Musik, um die musikalischen Elemente und ihre zeitliche Anordnung zu verinnerlichen und sich zu eigen zu machen.[2] Das Verständnis des Radif und seiner Einheit und Ordnung trotz komplexer innerer Beziehungen ist zugleich der Schlüssel zum Verständnis des iranischen klassischen Musiksystems.

Persian classical music is composed of short bits of sound – we call them motifs, gestures, particles – which are manipulated, alternated, repeated, developed, expanded, reduced. It is this group of procedures that make it possible for the radif to consist of so many units, and yet to be so unified. They also make the radif difficult to memorize, but at the same time, an ideal teaching device for the improvisor.[3]

Die freie modale Improvisation[4] in der iranischen Musik ist ein fortwährender Prozess der Innovation, und diese Innovationsprozesse basieren zunächst auf der Aneignung der Modelle des Radif. Anschließend befreit sich der oder die Musiker*in bewusst von den erlernten Vorlagen durch verschiedene Kombinationen modaler Materialien und Änderungen der Anordnung ihrer Komponenten. Hormoz Farhat macht eine ähnliche Beobachtung, wenn er die wesentlichen Elemente einer jeden Gūše[5] als »Melodiemodell« beschreibt: »What I call the melody model is absorbed by the performing musician, as well as the informed listener, through repeated experience of hearing different renditions of the piece, over a long period of time.«[6] So erlernen die Musiker*innen durch das Imitieren und Auswendiglernen des Radif zuerst die grundlegenden Strukturprinzipien der Musik und danach die Regeln der musikalischen Ornamente, Variationen, Wiederholungen, Ähnlichkeiten, Kontraste, Erweiterungen und Transformationen, die in das erlernte Repertoire eingebettet sind und als ein grundlegendes Werkzeugset für die freie Improvisation gelten können.

The student must deduce from the radif, with its many examples of variation, melodic sequence, extension and contraction of motifs, that its very structure is the guide to improvisatory procedure. Once the radif is memorized, the student is considered ready to perform without further instruction. He or she has learned a theoretical construct and must now suddenly move to improvisation. […] The Iranian musician leaps directly from study, detailed but at only one level of conceptualization, into true performance.[7]

Durch Nachahmung und Auswendiglernen verschiedener Versionen des Radif hören die Musiker*innen nicht nur den Aufführungen anderer aufmerksam zu, sondern eignen sich allmählich die grundlegenden Variations- und Kompositionstechniken an, die es ihnen später ermöglichen, kreative Leistungen zu erbringen.

Nun stellt sich die Frage der Analysierbarkeit dieses Repertoires, mit der sich bereits Ella Zonis konfrontiert sah: »How can one analyze a music that changes with each performer and even with the same performer on different occasions?«[8] Sie bietet selbst eine Lösung an, indem sie nur das Material studiert, das als Grundlage für die Improvisation verwendet wird, die Aufführungen selbst jedoch nicht berücksichtigt. Zusätzlich zu ihren Aussagen bin ich jedoch der Auffassung, dass eine neue Analysemethode erarbeitet werden muss, die die eigene Logik und Organisation dieser Musik genauer berücksichtigt. Für diesen Zweck wird im ersten Schritt das für alle Aufführungen verbindliche formale Schema erörtert. Ein Teil dieses formalen Schemas, das aus der Untersuchung des strukturellen Rahmens der Performances abgeleitet ist, enthüllt Informationen über die allgemeinen konstruktiven Komponenten der Improvisationen. Schließlich können durch Isolierung der relativ stabilen und unveränderlichen Teile der Aufführungen gemeinsame Regeln und Prozessmodelle extrahiert werden.

Lehr- und Lernprozesse in der Improvisation iranischer Musik

Eine der besten Wege zum Verständnis der Improvisation in der iranischen Musik ist eine nähere Betrachtung der dort praktizierten Unterrichtsmethoden:

One of the keys to understanding the concept and practice of improvisation is to explore the teaching and learning processes. Traditionally, the Iranian repertoire of the radif was transmitted orally from teacher to pupil – piece by piece, line by line – a process that took many years. […] At the same time, repeated repetition of a passage by a teacher would show how it might be varied, and the attempts of individual students to make their own variations, and the teacher’s corrections where necessary, further established the possibilities and boundaries of acceptable variation.[9]

In der iranischen klassischen Musik lernen Musiker*innen nicht nur regelmäßig verschiedene Gūše-hā, sondern sie lernen auch verschiedene Versionen einer Gūše. Im Allgemeinen wird am Anfang von den Lernenden erwartet, dass sie das Radif genauestens lernen. In Form von Einzelunterricht lernt der oder die Musiker*in Teil für Teil einer Gūše, indem er*sie dem Lehrer folgt, und präsentiert die erlernte Gūše als komplettes Stück in der nächsten Sitzung. »Der Unterricht für Anfänger besteht aus der mehrmaligen Wiederholung eines Abschnittes des Anfangsstückes, […], bis ein dazu bestimmter Schüler das Stück im Kopf hat, der dann bis zur nächsten Lektion entlassen ist.«[10] Heute wird dieser Unterricht sowohl mündlich als auch unter Verwendung von Notation durchgeführt. Mündlicher Unterricht ist in der iranischen Musik seit Jahrhunderten üblich und dauert bis heute an. Es gibt auch weitere Gründe für den mündlichen Musikunterricht: Einige Lehrer und Improvisierende der iranischen Musik sind der Meinung, dass die Musik ihren ursprünglichen Charakter verliert, wenn sie in Noten fixiert wird. Sie sehen die Notation als ein Gefängnis an, welches die Möglichkeit von Veränderungen ausschließt, während Improvisation auf Variation basiert.[11] Aus diesem Grund bestehen sie darauf, dass man sich nicht nur auf Notation stützen sollte: »Since the art of Persian music has been taught aurally and its performance based on variation and improvisation, these musicians argue that the use of notated music weakens the memory and the process of internalization necessary to provide the foundation for improvisation.«[12]

Im Gegensatz zu Einzelunterricht ist Gruppenunterricht eine andere Methode, bei der ein Lehrer eine Gruppe von Lernenden gleichzeitig unterrichtet und ihnen in jeder Lektion eine bestimmte Menge an Material zum Auswendiglernen gibt. Von ihnen wird erwartet, dass sie es exakt reproduzieren können.[13] Das langfristige Ziel des Auswendiglernens des Radif besteht nicht darin, die Melodien direkt zu wiederholen, sondern der vorherrschenden Organisation, ihrer Ausführung und Ästhetik treu zu bleiben, also Sätze zu erzeugen, die selbst Teil des Radif werden könnten.

If, for example, there were only a scale taught to the student and he were asked to improvise on this, his task would be very different and probably difficult. But the teacher says, in effect, ›play something similar to what I’m playing‹, not, ›improvise something on this model‹. Thus the student has the opportunity of departing very gradually from the teaching version, at first perhaps doing little beyond adding ornaments, repetitions, and brief extentions [sic; extensions], later striking out more on his own.[14]

Laut Khatschi besteht eine Methode darin, dass der Lehrer die Lernenden auffordert, sich gegenseitig die Abschnitte einer Gūše, die sie auswendig gelernt haben, beizubringen. Dies bietet den Lernenden reichlich Gelegenheit, die abwechslungsreiche Aufführungspraxis intensiv zu erleben und weiterzuentwickeln:

Der Lehrer setzt den Vortrag des Darāmad fort und bestimmt einen zweiten Schüler zum Referenten. Auf diese Weise wird ein jeder Schüler mit einem Teil des Darāmad vertraut. Bei der nächsten Zusammenkunft wird das Stück durch die Schüler vollständig wiedergegeben, der Darāmad wird also aus den einzelnen Teilen wieder zu einer Einheit zusammengesetzt. Die Aufgabe der Schüler ist dann, sich gegenseitig den Darāmad vollständig einzustudieren.[15]

Die oben erwähnte Gruppenunterrichtsmethode ermöglicht es den Lernenden, zusätzlich zu den Korrekturmaßnahmen des Lehrers, ständig wechselnde Variationen des Grundmaterials der gleichen Repertoireabschnitte von den Mitstudierenden zu hören und nachzuahmen. So wird ihnen beigebracht, was variiert werden kann, innerhalb welcher Grenzen diese Variationen liegen und welche dieser Variationen zulässig sind bzw. verwendet werden sollen. »The student soon comes to the understanding that he is learning material with a hierarchical structure, and this perception can be substantially amplified through observation and analysis. Actually, the melodies that comprise a dastgâh differ enormously in structure and function.«[16] Die Möglichkeit, ständig Variationen zu hören, ist ein wichtiger Bestandteil des Lernens der Improvisation. Daher bieten die verwendeten Unterrichtsmethoden in der iranischen klassischen Musik viele solcher Möglichkeiten. Damit künstlerisch-kulturelle Werte der Vergangenheit weiter tradiert und zugleich erneuert werden können, ist es in der traditionellen iranischen Improvisation wichtig, den wesentlichen Kern des Materials, auf dem die Radif-Identität beruht, hervorzuheben, und ihn trotz der Variationsbreite innerhalb unterschiedlicher Darbietungen und auf verschiedenen Komplexitätsstufen beizubehalten.

Die Wechselbeziehung zwischen persischer Sprache und iranischer Musik

Improvisation in der iranischen Kunstmusik ist zwar einerseits ein individueller und innerer Prozess, basiert andererseits aber auch auf einer Organisation unter Berücksichtigung der ethnisch, sozial und kulturell bedingten Ästhetik. Insbesondere die enge Wechselbeziehung zwischen persischer Sprache und iranischer Musik spielt hier eine wesentliche Rolle.

However, the concept of improvisation gradually became naturalised, and the term ›bedaheh navazi‹ (›spontaneous playing‹), borrowed from the realm of oral poetry, was adopted by musicians as an equivalent to ›improvisation‹. Both the concept and the terminology are now widely accepted and used by Iranian musicians.[17]

Das Verhältnis von Sprache und Musik in der Geschichte der menschlichen Kommunikation zeigt, dass beide in vielen Fällen eine komplementäre Rolle einnehmen oder stellenweise eine Alternative zueinander darstellen. Die rhythmischen und melodischen Aspekte der Sprache wie z. B. Akzent, Betonung, Tonhöhe, Tempo, Rhythmus, Pausen und relative zeitliche Dauer sprachlicher Einheiten können zur Übertragung auf die musikalische Kommunikation und anschließend in der interaktiven Improvisation verwendet werden, oder auch umgekehrt:

Music is often said to express or evoke something that might have been conveyed verbally. In certain restricted cases, like drum or whistle languages, something like music is even used as a referential coded substitute for language.[18]

Harold Powers nennt drei Hauptaspekte in Zusammenhang mit der Metapher von Musik als Sprache: »The metaphor of music as language has three principal aspects, depending upon whether the focus is on semantics, on phonology, or on syntax and grammar.«[19] Der Schwerpunkt dieser Studie liegt eher auf den strukturellen und grammatikalischen Aspekten der Improvisation von iranischer Musik, die nicht als unabhängig von ihrer Sprache (Persisch) und Kultur angesehen werden können. Aber was macht eigentlich diese Verbindung in der iranischen Musik so besonders?

Die mündlichen Traditionen des Lehrens und Übermittelns iranischer Musik machen deutlich, dass es manche Feinheiten bei der Weitergabe der iranischen Musik gibt, deren genaue Details besser durch verbale Kommunikation oder Singen vermittelt werden können als durch musikalische Notation.

The radīf was traditionally learned by ear, without the use of music notation, and was committed to memory. Over the last century, Iranian musicologists and musicians such as ’Ali Naqi Vaziri, Abolhasan Saba, and Musa Ma’rufi transcribed the radīf using Western notation. Eventually teachers began to use these notated versions as teaching aids. Because nearly all of the gūshes have flexible rhythm, use of Western music notation with its mathematically-based rhythmic values has only approximated the timing of that rhythm. Slides and other subtle ornaments also cannot be precisely notated in this style. Thus, the transcribed radīf is an approximate version of the original and still requires a master teacher to play each gūshe for the student. A recorded performance of the radīf would be a useful adjunct to the notated version.[20]

Das Hören ist beim Lernen der Phrasen iranischer Musik also immer wichtiger als das Lesen. Khatschi drückt dies so aus: »Da das Auge am Lernen des Stückes nicht beteiligt ist, prägt sich das Ohr umso rascher den Verlauf des ganzen Darāmad ein; es pflegt daher der Schüler in kurzer Zeit das Stück auswendig spielen zu können.«[21] Die Meinungsäußerungen von Meistern der iranischen Musik in einem Dokumentarfilm namens The Radif[22] zeigen ebenfalls, wie und warum überhaupt die persische Sprache und Poesie einen herausragenden Einfluss auf das Lernen und Ausführen der iranischen Musik haben. Dāriush Talāi sagt dort: »Die Seele des ›Radif‹ wird mündlich übertragen«[23] und Mohammad Rezā Schajariān ist der folgenden Meinung:

Das Radif dient als Syntax der persischen Musik […]. Wenn jemand persische Musik kennenlernen möchte, sollte er das Radif kennenlernen und lernen. Durch das Erlernen dieser musikalischen Sprache, ihrer Satzformen und Phrasierungsprinzipien können wir ein Musikstück komponieren […]. Ich empfehle eine mündliche Methode zur Weitergabe des Radif. Da das Notationssystem die Feinheiten dieses Repertoires nicht widerspiegeln kann, wird die genaue Artikulation dieser Melodien am besten durch die orale Methode übertragen.[24]

Artikulation und Betonungsverhältnisse, agogische und rhythmische Eigenschaften, die aus den langen und kurzen Silben der persischen Poesie folgen, besitzen eine starke Verbindung mit der Sprache und bringen die iranische Musik der gesprochenen Sprache sehr nahe. Diese Korrelationen zwischen sprachlichen und musikalischen Mustern werden meistens anhand bestimmter Gūše-hā, deren Rhythmus dem Gewicht der Silben von Gedichten folgt (akzentuierende Metrik), veranschaulicht:

The melodic parts of the radīf are what I call ›flexible melodies‹. Flexible melody is common in all kinds of music in Iran, especially in the very widespread unmeasured melodies, whose rhythm depends on the meter of the poetry. When Persian poetry is recited or sung, both long and short syllables are articulated in flexible units of time; nonetheless, short syllables are always sustained for a shorter time than long ones.[25]

Zumindest in einigen Kulturen ist es selbstverständlich, dass jede*r aktiv am Musizieren teilnehmen kann. Dies bestätigt die Vorstellung, dass das Erlernen von Musik wie das Erlernen von Sprache eine natürliche menschliche Fähigkeit ist.[26] In vielen Regionen des Iran ist die Musik ein unverzichtbarer Bestandteil verschiedener kultureller Rituale, bei denen Frauen, Männer, Kinder und Erwachsene am gemeinsamen Musizieren teilnehmen.[27] Aus diesem Grund ist die Verbindung mit spirituellen Aspekten für viele Menschen in diesen Regionen in besonders intensiver Weise durch die Musik zu erreichen; etwas, das nicht durch den Besuch einer Schule erlernt wird, sondern im Laufe des täglichen Lebens von Menschen aktuell gestaltet wird.[28]

Die Herleitung theoretischer Regeln der iranischen modalen Solo-Improvisation durch vergleichende Analyse

Die vergleichende Analysemethode der vorliegenden Untersuchung ermöglicht den Musiker*innen, die Anwendung der Prinzipien jeder Gūše in der Improvisation besser zu lernen, indem sie ein umfassendes Spektrum an Melodie-Modellen kennenlernen und ihre expliziten und impliziten Regeln nachvollziehen können. Dies gilt insbesondere bei kleinen Unterschieden zwischen einer Improvisation und einem vorgestellten Radif, die eine große Hilfe beim Verständnis der variablen Grenzen der Improvisation sind: »The difference between the model and the improvisation is one of detail, not essence.«[29] Im Folgenden liegt der Fokus auf der Struktur einer Gūše namens Qaratsche. Einige Beispiele davon wurden aus verschiedenen vokalen und instrumentalen Radif-hā zusammen mit anderen Improvisationsaufführungen ausgewählt. Ziel der Studie ist es, durch Herleitung theoretischer Regeln zu zeigen, wie eine frei improvisierte Performance einer Gūše präsentiert werden sollte, und dadurch die iranische Improvisation durch vergleichende Strukturanalyse verschiedener Performances auf allgemeine Regeln zurückzuführen. Die in der Studie untersuchten Vokal-Performances umfassen fünf Aufführungen in der folgenden Reihenfolge:

  • Vokal-Performance 1 (VP 1): Qaratsche aus Radif von Mahmud Karimi

  • Vokal-Performance 2 (VP 2): Qaratsche aus Radif von Hasan Kasāi

  • Vokal-Performance 3 (VP 3): Improvisation von Ali Nasiriān[30]

  • Vokal-Performance 4 (VP 4): Qaratsche aus Radif von Mohamadrezā Schajariān

  • Vokal-Performance 5 (VP 5): Improvisation von Siamak Schajariān

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Beispiel 1: Vokal-Performance 1: Qaratsche aus Radif von Mahmud Karimi sowie Erklärung der Symbolausführung (unterste Zeile); Transkription vom Verf.

Audiobeispiel 1: Vokal-Performance 1: Qaratsche aus Radif von Mahmud Karimi; Course of Âvâz. Vocal Radif of Persian Classical Music, Mahmud Karimi, M. CD 125, ℗ 2003, Track 7

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Beispiel 2: Vokal-Performance 2: Qaratsche aus Radif von Hasan Kasāi sowie Erklärung der Symbolausführung (unterste Zeile); Transkription vom Verf.

Audiobeispiel 2: Vokal-Performance 2: Qaratsche aus Radif von Hasan Kasāi; Conventional Classification (Radeef) of Iranian Music, Hasan Kasāi, Label: Avaye Novin Isfahan, ℗ 2013, Track 54. https://www.youtube.com/watch?v=WmGRWU0dCL4&list=OLAK5uy_kombsv6vIFDKsGMN4lgrLVU7A__TbZQYs&index=54 (11.6.2021)

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Beispiel 3: Vokal-Performance 3: Improvisation von Ali Nasiriān sowie Erklärung der Symbolausführung (unterste Zeile); Transkription vom Verf.

Videobeispiel 1: Vokal-Performance 3: Improvisation von Ali Nasiriān; https://www.youtube.com/watch?v=9hOTj01502M (11.6.2021), 17:40–18:40

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Beispiel 4: Vokal-Performance 4: Qaratsche aus Radif von Mohamadrezā Schajariān sowie Erklärung der Symbolausführung (unterste Zeile); Transkription vom Verf.

Audiobeispiel 3: Vokal-Performance 4: Qaratsche aus Radif von Mohamadrezā Schajariān; https://www.youtube.com/watch?v=pOtzH5Ce7uQ (11.6.2021), 07:54–08:58

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Beispiel 5: Vokal-Performance 5: Improvisation von Siamak Schajariān sowie Erklärung der Symbolausführung (unterste Zeile); Transkription vom Verf.

Audiobeispiel 4: Vokal-Performance 5: Improvisation von Siamak Schajariān; Kereshmehye Narges, Siamak Schajariān (Gesang) und die Gruppe der Meistermusiker / Faramarz Payvar (Komposition), Label: Delawaz (Kassette), ℗ 1994

Um den rhythmisch-melodischen Charakter von Gūše-ye Qaratsche besser zu veranschaulichen, wurden die fünf oben genannten Performances der Qaratsche in Dastgāh-e Schur transkribiert.[31] Zum leichteren Vergleich wurden die Transkriptionen mithilfe relativer Solmisation, also unabhängig von der absoluten Tonhöhe, notiert. Dies bedeutet: Die Bezeichnung der einzelnen Tonstufen ist in jedem Modus gleich.

Die in der Studie untersuchten Instrumental-Performances beinhalten vier Performances in der folgenden Reihenfolge:

  • Instrumental-Performance 1 (IP. 1): Qaratsche aus Radif von Mirzā Abdallāh, aufgeführt von Hossein Alizadeh

  • Instrumental-Performance 2 (IP. 2): Improvisation von Faramarz Payvar

  • Instrumental-Performance 3 (IP. 3): Qaratsche aus Radif von Sabā, aufgeführt von Davoud Tavousi

  • Instrumental-Performance 4 (IP. 4): Improvisation von Davoud Tavousi[32]

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Beispiel 6a: Instrumental-Performance 1: Qaratsche aus Radif von Mirzā Abdallāh, Zeilen 1–6 (Transkription von Dāriush Talāi[33])

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Beispiel 6b: Instrumental-Performance 1: Qaratsche aus Radif von Mirzā Abdallāh, Zeilen 1–19 (Transkription von Dāriush Talāi)

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Beispiel 6c: Instrumental-Performance 1: Qaratsche aus Radif von Mirzā Abdallāh; Erklärung der Symbolausführung (Transkription von Dāriush Talāi)

Audiobeispiel 5: Instrumental-Performance 1: Qaratsche aus Radif von Mirzā Abdallāh, aufgeführt von Hossein Alizadeh; Radif Navâzi / Radif of Mirzâ Abdollâh, according to Nur-Ali Borumand, Hossein Alizadeh (Târ), Label: Mahoor, ℗ 2002, Track 31

Audiobeispiel 6: Instrumental-Performance 2: Improvisation von Faramarz Payvar; Shahre Ashub, Faramarz Payvar & Hossein Teherani, Label: Ranginkaman (LP / Kassette), o. J. https://www.youtube.com/watch?v=gwCXNiUT_YA&t=428s (11.6.2021), 6:49–7:55

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Beispiel 7a: Instrumental-Performance 3: Qaratsche aus Radif von Sabā (Transkription von Faramarz Payvar[34])

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Beispiel 7b: Instrumental-Performance 3: Qaratsche aus Radif von Sabā; Analyse der Phrasen

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Beispiel 7c: Instrumental-Performance 3: Qaratsche aus Radif von Sabā; Erklärung der Symbolausführung

Videobeispiel 2: Instrumental-Performance 3: Qaratsche aus Radif von Sabā, aufgeführt von Davoud Tavousi; https://www.youtube.com/watch?v=L-g5s7G_TAM (11.6.2021)

Videobeispiel 3: Instrumental-Performance 4: Improvisation von Davoud Tavousi; https://www.youtube.com/watch?v=5GfKaPYc040 (11.6.2021)

Untersuchung der Modalstruktur der Gūše-ha

Das jeweilige Tonsystem spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Improvisation, weil es je nach seiner Bestimmung in verschiedenen Kulturen zu unterschiedlicher musikalischer Kreativität führt. Das Tonsystem der iranischen Musik basiert auf verschiedenen Modi: Diese Modi sind in einem zyklischen Design organisiert und werden in Dastgāh-hā und davon abgeleitete Āwāz-hā eingeteilt.

Jeder Teil des dastgāh ist durch eine bestimmte tonale [modale; Anm. d. Verf.] Struktur und bestimmte melodische Charakteristika gekennzeichnet. Allgemein bewegen sich die Teile innerhalb eines kleinen Tonraumes, sie bauen sich aus mehreren Gliedern auf. Jedem dastgāh ist ein Teil eigen, dessen tonal- [modal-]melodische Charakteristik für den ganzen dastgāh bestimmend ist. Sein Gesamtzusammenhang wird durch den ständigen Rückbezug der einzelnen Teile auf diesen Teil hergestellt. So wäre der dastgāh als musikalischer Zyklus zu bestimmen, der rhythmisch-periodisch und formal partiell fixiert und durch einen Komplex tonaler [modaler] und melodischer Merkmale gekennzeichnet ist.[35]

Die Modalstruktur offenbart die gesamten Hauptmerkmale jeder modalen Gūše, die nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten einen spezifischen Tonumfang aufweist. In einer übergeordneten Kategorie namens Dastgāh sind die modalen Gūše-hā gemeinsam mit den Gūše-hā, die keine bestimmte Modalstruktur haben, zusammengefasst. Mantle Hood betrachtet einen Modus generell als durch vier Eigenschaften charakterisiert: »(1) a gapped scale, that is, a scale made up of both small and large intervals; (2) a hierarchy of principal pitches; (3) the usage of vocal or ornamental pitches; and (4) extramusical associations.«[36]

In addition, modal practice might involve the usage of special registers, for example, low, middle, and high; rhythmic requirements including unmeasured ›silence‹ following points of melodic repose (modal cadences); regulation of the ›quality‹ of sound; special associations with language and/or text; particular requirements in connection with interrelated arts such as dance or puppetry; special practices governed by the requirements of ritual or religion; and so forth.[37]

Außerdem ist ein Modus allgemeiner als eine Melodie und spezifischer als eine Tonleiter oder ein Tonumfang.[38] Im Folgenden wird versucht, die Identität des Modus der Qaratsche unter den folgenden drei Gesichtspunkten zu untersuchen:[39]

  1. Tonumfang, Modalzelle, Kernzelle,

  2. Hierarchie und Funktionen der wichtigsten Töne,

  3. Satzformen und besondere Melodietypen.

Tonumfang, Modalzelle, Kernzelle

Wie die folgende Abbildung zeigt (Abb. 1), besteht der Modalbereich aus einer Reihe von Tönen mit bestimmten Intervallen. Zwischen diesen Tönen besteht auch eine besondere Beziehung, worauf im nächsten Abschnitt eingegangen wird. Die Bedeutung der unterschiedlichen Funktionen zeigt sich an ihren Notenwerten. Tatsächlich haben wichtigere Töne einen größeren Notenwert. Als erstes Merkmal soll der Tonumfang, der den Spielraum des Interpreten bestimmt, berücksichtigt werden.

  • Tonumfang oder Ambitus: (b)-c-dk[40]-es-f-(g),

  • Modalzelle oder strukturelle Intervalle: Tetrachord c-dk-es-f,

  • Kernzelle des Modalbereichs:[41] c-dk-es.

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Abbildung 1: Tonumfang und Modalzelle der Qaratsche

Die folgende Tabelle zeigt die Frequenz der Töne:[42]

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Tabelle 1: Die Frequenz der Töne

Vokalteil

Der Ambitus der Aufführungen von Kasāi, Karimi und Nasiriān (VP. 1, VP. 2, VP. 3) ist b-f und von S. Schajariān (VP. 5) b-g. M. Schajariān (VP. 4) hingegen beginnt seinen Gesang mit einer Passage, die außerhalb des konventionellen Tonumfangs der Qaratsche liegt, bleibt dann aber bis zum Ende im vorgesehenen Tonbereich.

Instrumentalteil

Der melodische Tonumfang in der Reihenfolge der Aufführungen lautet:

  • Alizadeh und Payvar (IP. 1 und IP. 2): g-g1,[43]

  • Tavousi (IP. 3): c-g,

  • Tavousi (IP. 4): b-g.

Hierarchie und Funktionen der wichtigsten Töne

›Zeuge‹: Der sogenannte ›Zeuge‹ (Schahed) ist zur Artikulation eines Modus von vorrangiger Bedeutung. Er ist ein Ton, der mehr als alle anderen Töne betont wird, und es entsteht der Eindruck, dass der melodische Verlauf zu ihm hin tendiert. Ihm werden längere Notenwerte zugewiesen. Bei manchen Aufführungen wird die Kombination von Tremolo, Triller und Vibrato verwendet, um seine prominente Stellung noch mehr hervorzuheben. Die meisten Gūše-hā haben nur einen ›Zeugen‹, aber es gibt auch Gūše-hā mit zwei ›Zeugen‹.[44]

›Präfinalis‹: Die ›Präfinalis‹ (hier dk) ist wie ein Gleitton, der die Erwartung einer Weiterführung (Auflösung) in einen um einen Mojanab[45] tiefer liegenden Zielton (hier Finalis c) weckt. Mit anderen Worten tendiert die ›Präfinalis‹ aufgrund des vorübergehenden ›Vorhalts‹, des schwebenden Status oder der Strebetendenz immer dazu, in den folgenden Ton (Finalis), mit dem die jeweilige Phrase vervollständigt werden kann, fortzuschreiten.

›Finalis‹: Die ›Finalis‹ ist der Schlusston einer Melodie und mit ihr enden die einzelnen Phrasen.

Satzform des Vokalteils

Nachfolgend wird die Satzform jeder Aufführung der Reihe nach beschrieben:

  • Vokal-Performance 1 (Karimi): A + B + C + D

  • Vokal-Performance 2 (Kasāi): B + C + B + C + D

  • Vokal-Performance 3 (Nasiriān): B + C + D

  • Vokal-Performance 4 (M. Schajariān): A + B + C + D

  • Vokal-Performance 5 (S. Schajariān): B + C + D

Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Satzteile, wie sie tatsächlich in den Aufführungen erklingen.

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Tabelle 2: Satzform des Vokalteils (A = Einleitung, B = Hauptteil, C = Erweiterung und Transformation, D = Abschluss)

Teil A: Einleitung

Eine Einleitung ist nur in zwei Aufführungen (VP. 1, VP. 4) im Gesangsteil enthalten. Dies bedeutet, dass dieser Teil optional ist und vollständig ausgelassen werden kann. Aufgabe der Einleitung ist es, die grundlegenden Rollen und wichtigen Verhältnisse der Töne aus den jeweiligen Modalzellen vorzustellen. In Karimis Performance (VP. 1, Bsp. 1 und Audiobsp. 1) werden in Zeile 1 die Kernzelle und die strukturellen Intervalle c-dk-es vollständig eingeführt. In Zeile 1, Abschnitt 1.1 prägt sich ein Schwerpunkt auf dem ›Zeugen‹ und ein Übergang zu der ›Finalis‹ aus. Abschnitt 1.2 ist eine Wiederholung von Abschnitt 1.1, und Abschnitt 1.3 ist schließlich eine kleine Erweiterung mit einer Reduzierung der Tondauer. In Zeile 2 ändert sich die Bewegungsrichtung des Motivs und die Melodie bewegt sich aufsteigend von c wellenförmig nach es und kehrt mit einer Kadenzfigur wieder zurück. Im Folgenden wird die melodische Erweiterung in Zeile 3 durch einen Übergang zu einer höheren Note (bis zu f) weitergeführt und kehrt mit fallenden Sequenzen (Kadenzfiguren; Bsp. 1: Zeile 3, Abschnitt 3.2) zur ›Finalis‹ zurück. Eine andere Art der Erweiterung und Variation der vorherigen Abschnitte wird in Zeile 4 vorgestellt.

Im Vergleich zu Karimi (VP. 1) hat die Performance von M. Schajariān (VP. 4, Bsp. 4 und Audiobsp. 3) eine kürzere, einzeilige Einleitung. M. Schajariān beginnt mit einer Passage, die sich am Schluss beschleunigt und bis zum es hinaufführt, und nach dreimaligem Wiederholen der Sechszehntelfiguren der Kernzelle es-dk-c dehnt er das es sehr stark. Zwar betonen hier beide Musiker den Ton es und vollziehen danach eine Abwärtsbewegung vom ›Zeugen‹ zur ›Finalis‹, aber jeweils auf unterschiedliche Weise. Karimi beginnt mit einem langsamen Anfang, während M. Schajariān sehr schnell und von einem Tonhöhenbereich außerhalb der Qaratsche eintritt. Auf diese Weise überrascht die Unvorhersehbarkeit der Improvisation den oder die Hörer*in von Anfang an. Die unkonventionelle Eröffnungsidee verzögert die Enthüllung der Kernzelle, was als ein Mittel zur Verschärfung der Unvorhersehbarkeit in der Improvisation dienen kann. Sie erhöht effektvoll die Erwartungen der Zuhörer*innen und weckt deren Neugier auf den weiteren Fortgang. Ein weiterer beachtenswerter Punkt bei allen Improvisationen ist die Anzahl und Kombination der rhythmischen Werte der Ornamentfiguren. Karimi (VP. 1) benutzt asymmetrische, ungerade zusammengesetzte Einheiten aus fünf rhythmischen Werten (eine Kombination aus drei Sechzehnteln und zwei Achteln oder umgekehrt; Bsp. 1: Zeile 1, Abschnitt 1.2), während M. Schajariān (VP. 4) geradzahlige Zusammensetzungen (eine Kombination aus vier Sechzehnteln und zwei Achteln; Bsp. 4: Zeile 1, Abschnitt 1.2) verwendet. Die Verwendung solcher rhythmischen Permutationen ermöglicht noch mehr Abwechslung in der Improvisation.

Teil B: Hauptteil

In diesem Teil werden immer Gedichte (Āvāz)[46] durch Einhaltung und Berücksichtigung der bereits genannten Modalstrukturregeln und der Rolle der Kernzelle der Modalbereiche gesungen.

The Persian âvâz is a sophisticated form of art. […] The primary role of the âvâz is to convey the Persian classical poetry. Hence the masters of this music always tended to reflect the rhythm of the poetry in a suggestive manner. Most often, the poems, chosen for the âvâz, were written by the greatest literary figures such as Hafez, Sa’di, and Rumi whose works represent a mystical philosophy of life.[47]

Ein rhythmischer Vergleich zwischen den Aufführungen und den Gedichten selbst kann hier neue Perspektiven auf die Improvisation in der iranischen Musik aufzeigen. Darüber hinaus können die Ideen der Aufführungen in Bezug auf die Artikulation noch stärker offenbar werden. Zu diesem Zweck habe ich den Rhythmus der Gedichte separat aufgeschrieben (Bsp. 8).

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Beispiel 8: Rhythmus der Gedichte

Interessant sind hierbei die rhythmischen Übereinstimmungen zwischen der zweiten Strophe des Gedichts von Karimis Performance (G. 1) und der ersten Strophe des Gedichts von S. Schajariāns Performance (G. 5), zwischen der zweiten Strophe des Gedichts von Nasiriāns Performance und der ersten Strophe des Gedichts von M. Schajariāns Performance sowie zwischen der zweiten Strophe des Gedichts von M. Schajariāns Performance und der ersten Strophe des Gedichts von Nasiriāns Performance.[48]

Während Karimi (VP. 1) und Kasāi (VP. 2) das Verhältnis von kurzen und langen Silben des Gedichts beibehalten, werden lange Silben manchmal länger und auch von mehr Ornamenten begleitet.[49] Nasiriān (VP. 3) hingegen ändert die kurzen und langen Silben des Gedichts. Zeile 3 bildet eine Variation von Zeile 2 und dies geschieht so geschickt, dass sich die Bedeutung nicht ändert. M. Shajariān (VP. 4) und S. Schajariān (VP. 5) verwenden diese Techniken ebenfalls. In der ersten Strophe folgen sie den Proportionen der Silben des Gedichts (Bsp. 4: Zeile 2; Bsp. 5: Zeilen 1–2), während sie in der zweiten Strophe an einigen Stellen davon abweichen (Bsp. 4: Zeile 3; Bsp. 5: Zeile 3).

Das Verzieren der langen Silben durch Ornamente, das Ändern der Dauernwerte der Silben des Gedichts – solange die Bedeutungen der Wörter des Gedichts erhalten bleiben – und das Präsentieren von Variationen davon sind also wichtige technische Mittel, die Improvisation fortzuführen.

Teil C: Erweiterung und Transformation

Dieser Teil konzentriert sich auf die Erweiterung und Entwicklung der Melodie und erscheint nach dem Poesieabschnitt. Obwohl in den vorherigen Teilen Erweiterungen und Transformationen in kleinen Einheiten eines Motivs stattfinden konnten, spielen sich diese hier meistens auf der Ebene einer vollständigen Phrase ab:

This part is the growth and development phase of the signifier. This development is mostly achieved through a stepwise increase […] or decrease […] of the signifier. This up and down transition of a phrase follows typical paths for accomplishment of the gushe.[50]

The techniques by which these motifs are developed include repetition, melodic sequence, extension, augmentation, and contraction. And there are also characteristic combinations of these techniques, such as repetition followed by upward transposition further followed by a second transposed version given in extended form.[51]

Eine einfache Form ist in Kasāis Performance zu hören (Bsp. 2: Zeile 4, Abschnitt 4.1. und Audiobsp. 2), eine umfangreichere Form in Nasiriāns Performance (Bsp. 3: Zeile 4, Abschnitt 4.1 und Videobsp. 1). Kasāis Performance ist durch die Abfolge von sieben rhythmischen Werten (Bsp. 2: Zeile 4, Abschnitt 4.1) mit den acht rhythmischen Werten von Nasiriāns Performance vergleichbar (Bsp. 3: Zeile 4, Abschnitt 4.1.3). Nasiriān führt eine vollständige Form aus und schafft einen Auftakt zum rhythmischen Muster, indem er als eine Art ›Ostinato‹ zweimal hintereinander die Figur 4.1.1 wiederholt und dann eine Erweiterung davon anbietet. Eine anspruchsvollere und professionellere Version ist in den Aufführungen von Karimi, M. Shajariān und S. Schajariān zu erkennen (Bsp. 1: Zeile 7, Abschnitt 7.1; Bsp. 4: Zeilen 4 und 5, Abschnitt 5.1; Bsp. 5: Zeilen 4 und 5, Abschnitt 5.1). Beide, M. Shajariān und S. Schajariān, bereiten die Eingliederung einer neuen Erweiterung, nämlich Zeile 4, vor, und durch Erweiterung und Transformation greifen sie noch einmal das ursprüngliche Motiv auf, um dem oder der Zuhörer*in die Möglichkeit der Rückschau zu geben. Die Phrase in Zeile 4 in S. Schajariāns Performance enthält zu Beginn und am Ende den lang ausgehaltenen höchsten Ton des Strukturintervalls c-f; dazwischen liegen erweiterte Motive, die eine fortschreitende rhythmisch-melodische Verdichtung schaffen. M. Shajariān und S. Schajariān führen beide durch Einbeziehung neuer Ornamentfiguren eine neue Erweiterung in Zeile 5 ein, indem sie von f ausgehend eine sich abwärts bewegende Melodieführung verwenden. Danach behalten sie das es solange bei, bis der oder die Zuhörer*in von der Notwendigkeit der Einführung des Tones es (›Zeuge‹) überzeugt ist.[52] Im Grunde genommen dienen diese absteigenden Intervalle als wohlüberlegter Vorwand, das es in der Melodie fest zu verankern. Die Verwendung von Tremolo, Triller und Vibrato oder agogischen Eigenschaften wie Rubato dient dazu, die musikalischen Ideen zu verzieren. Powers beschreibt die Hauptverwendungszwecke einer solchen »ornamentation in detail« wie folgt:

The second usage of the term ›ornamentation‹, which I will call ›ornamentation in detail‹, is more specific. Here the reference is to particular categories of ornamented note or small group, such as trills, mordents, Schleifer, turns, and so on, irrespective of context in any particular whole melody. Such ornaments in detail are ordinarily functional, serving to stress the position or tendency of a particular note, and are more or less obligatory.[53]

Als Beispiel ist hier die symmetrische Ornamentfigur in M. Shajariāns Performance mit einer allmählichen Beschleunigung des Tempos (accelerando) in aufsteigender Bewegung und Verlangsamung (ritardando) bei der Rückkehr zu nennen (Bsp. 4: Zeile 5, Abschnitt 5.1). S. Schajariān verwendet das Vibrato zusätzlich zur Dehnung von es (Bsp. 5: Zeile 5, Abschnitt 5.1).

Teil D: Abschluss

Der letzte Teil erzeugt ein Gefühl des Schließens und wird in der iranischen Musik als Forud bezeichnet: »Forud is a melodic cadence with a relatively fixed pattern which is subject to variation through improvisation. In a dastgāh the role of the forud (of which there may be more than one type) is extremely important.«[54] Das letzte Motiv ist entweder genau das gleiche wie in den vorherigen Abschnitten oder eine Variation davon. Die Rolle der ›Präfinalis‹ (dk) ist dabei sehr entscheidend. Bei allen Aufführungen wird deren Spannung verlängert, um später die Basis für die ›Finalis‹ c zu festigen. Dynamischer und rhythmischer Kontrast sowie ein ritardando verstärken das Gefühl des Schließens.

Satzform der Instrumentalteile

Die allgemeine Satzform aller hier untersuchten Aufführungen ist: A + C + D

Abbildung

Tabelle 3: Satzform der Instrumentalteile (A = Einleitung, B = Hauptteil, C = Erweiterung und Transformation, D = Abschluss)

Der Unterschied zwischen einer Vokal- und Instrumental-Performance liegt im Teil B, d. h. in der Präsenz von Poesie. Die Essenz und Bestandteile des Instrumental-Radif sind nämlich stark von dem Vokal-Radif beeinflusst, sodass die Gedichtsektion in einigen Aufführungen begleitet sein kann, wobei der Musiker selber während des Instrumentalspiels gleichzeitig singt, oder auch ohne Poesie spielt.[55] Auch hier gilt die gesamte Modalfunktion der Töne nach allem, was bisher gesagt wurde.

Teil A: Einleitung

Im Einleitungsabschnitt der Radif-hā von Mirzā Abdallāh und Sabā treten Variationen der vorherigen Zeilen auf. In der ersten Zeile von Mirzā Abdallāhs Radif wird der ›Zeuge‹ mit einem einfachen Motiv bestehend aus zwei Tönen (dk und es) vorgestellt. Die Melodie pendelt einzig um diese beiden Töne, wobei der obere Ton, das es, stärker in die Bewegung integriert ist als der untere Ton dk. In Zeile 2 wird dies mit einer Sequenz fortgesetzt. Dann wird in Zeile 3 die erste Figur mit einigen leichten Änderungen dargestellt und Zeile 4 beinhaltet wiederum eine Sequenz der vorherigen Figur. Schließlich erfolgt eine Erweiterung der bisherigen Motive. Der gesamte Prozess ermöglicht es, ein formales Schema wie in Abbildung 2 zu extrahieren.

Abbildung

Abbildung 2: Das formale Schema des Einleitungsabschnitts der Gūše Qaratsche

In der Improvisation von Payvar (IP. 2) wird in der Einleitung mehr als ein Motiv präsentiert und das letztere wird zusammen mit den Variationen sehr kunstvoll erweitert (Audiobsp. 6: die ersten 27 Sekunden). In Sabās Radif treten nur Teile des obigen Prozesses auf. Die gesamte Einleitung ist dort in drei Teile zusammengefasst: die Vorstellung des Motivs (Zeile 1), die Variation des Motivs (Zeile 2) und die Erweiterung der früheren Motive (Zeilen 3–5).[56] Die Einleitung der vierten Performance enthält eine Artikulationsänderung aus den melodischen Materialien von Sabās Radif, also ab Zeile 3 (Videobsp. 3: die ersten 50 Sekunden).

Teil C: Erweiterung und Transformation

In dem Radif von Mirzā Abdallah (IP. 1, Audiobsp. 5) besteht dieser Teil darin, ein Thema vorzustellen und es zu reduzieren. Die Themenpräsentation wird dann von einer höheren Note (f) aus wiederholt, was von einer abwärtslaufenden Sequenzierung begleitet ist und eine verkürzte Fassung der vorherigen Phrase enthält (Bsp. 6b: Zeilen 1–6, 7–13). Die Themenpräsentation wird in Sabās Radif mit einer Sequenz und Wiederholung erweitert und nochmals von einer höheren Note (f) ausgehend erscheint ein neues Thema. Die Phrase in Zeile 6 ist als eine Reminiszenz an die konstituierende Phrase in Zeile 1 zu betrachten, die auf demselben ›Melodiemodell‹ beruht (Bsp. 7a: Zeilen 6–7, Videobsp. 2). Die Improvisation der vierten Aufführung (IP. 4) ist hier eine melodisch-rhythmische Erweiterung des Themas, das aus dem melodischen Material von Sabās Radif (Zeile 6) stammt (Videobsp. 3: 00:50–01:53). Die neu eingeführten Themen können frühere Themen weiterentwickeln oder mit diesen kontrastieren. Die Wahl dieser melodischen Materialien aus dem Radif ist völlig optional.[57] Der oben betrachtete Prozess ermöglicht es, wiederum ein neues formales Schema wie folgt abzuleiten (Abb. 3).

Abbildung

Abbildung 3: Das formale Schema der Erweiterung der Gūše Qaratsche

Payvar (IP. 2) beginnt direkt mit dem dritten Schritt. Er führt ein Thema nur von f aus ein und erweitert es (Audiobsp. 6: 00:28–00:49). Zu beachten ist jedoch, dass die Verwendung aller Erweiterungsschritte in einer Aufführung nicht obligatorisch ist.

Teil D: Abschluss

In Mirzā Abdallāhs Radif (IP. 1) verläuft das Ende nicht im Tonraum von Qarcheh, vielmehr vollzieht sich der Übergang von einem Modalbereich zum anderen. Die letzten sechs Takte lehnen sich an einen typischen Abschluss-Satz des Dastgāh-e Schur an. Die Stabilisierung des neuen Tonraums in Zeile 25 wird von Alterationen begleitet. In Sabās Radif (IP. 3) stellt in Zeile 8 jedoch eine Kadenzfigur den endgültigen Schlusscharakter dar. Durch das Überschreiten der Grenzen der Qaratsche eröffnet Payvar (IP. 2) den nächsten Tonraum, um im neuen Modalraum fortzufahren (Audiobsp. 6: 00:50 bis zum Ende). Die Improvisation der vierten Aufführung (IP. 4) verweilt auf der ›Präfinalis‹ dk als Vorbereitungston und Grundbestandteil der kadenzierenden Phrase, bevor die Aufführung auf der ›Finalis‹ c beendet wird (Videobsp. 3: 01:53 bis zum Ende).

Besondere Melodietypen

Das ›Melodiemodell‹[58] oder der ›Melodietyp‹ ist ein abstraktes Konzept, das mit den jeweiligen Intentionen des Musikers zusammenhängt und sich jederzeit auf viele verschiedene Arten manifestieren kann. Das ›Melodiemodell‹ steht im Hintergrund der individuellen Melodiebildung und es wird durch wiederholte Hörerfahrungen verschiedener Interpretationen desselben Stücks über einen langen Zeitraum hinweg verinnerlicht. »In contrast to at least some non-metric music in Arabic traditions, the radif as a whole is perhaps best characterized by its dependence on a set of short melodic particles, which may (but not always quite accurately) also be called gestures or motifs.«[59]

Fazit

Die Gūše-hā wurden hier als Ausgangspunkt für die Improvisation in der iranischen Musik betrachtet. Das bedeutet nicht, dass jede Gūše immer nur in Form einer fertigen Melodie ausgeführt wird, sondern die Musiker*innen stellen sie mit mehr oder weniger großen Änderungen in ihren Performances dar.[60] Das Präsentieren verschiedener Versionen einer Gūše im Radif erweitert den Horizont der Musiker*innen, wie sie die Variationen und Permutationen anwenden können:

There are also gushes that are presented in one and the same radif in several ›versions‹ (now’ [Sic; ’]). In contrast to the gushe with several sections, all of which, one is sometimes told, should make an appearance in each full-blown performance, the terminological implication for the gushe with ›versions‹ is that it provides the improvisor with several options.[61]

Durch den traditionellen mündlichen Musikunterricht in der iranischen Musik, in dem die Musiker*innen Musik als klingendes Gebilde von ihren Lehrern übernehmen, lernen sie nicht nur die Grundkonfiguration der Melodiebeziehungen, sondern auch spezifische Artikulationen und Pausen sowie agogische und andere Eigenschaften der Aufführung. In der iranischen Musik hat die mündliche Weitergabe von Improvisationswissen eine lange Geschichte. Außerdem wenden einige Lehrer auch heute nur die mündliche Methode an. Einerseits sehen einige Musiklehrer die Notation als begrenzendes Hindernis für die Entwicklung der kreativen Improvisation an, andererseits ermöglicht die Notation eine vergleichende Herleitung der theoretischen Regeln, die auf andere Improvisationen übertragbar sind und Verallgemeinerungen zulassen. Eine vergleichende Analyse der Gūše-hā bietet nicht nur theoretische Strategien zur Generierung neuer Ideen für freie modale Improvisation auf Mikro- und Makroebene, sondern in einem gewissen Sinn auch die theoretische Erkenntnis, wie eine Improvisation überhaupt in metrisch festgelegter Form möglich ist.

Diese Methodik der kunstvoll verkleideten Übergänge gilt ausnahmslos für alle Dastgāhā. Der Musikausüber muß also stets über einen ausgeprägten Sinn für Improvisationsmöglichkeiten verfügen, wobei er nie das ungeschriebene Gesetz, keine Modulationsakkorde anzuwenden, übertreten darf. Bei der Analyse der gegenwärtigen Aufführungspraxis wird diese Forderung als Voraussetzung für andere grundlegende Gesetze der Dastgahkunst ihre Gültigkeit erweisen.[62]

»Das Interesse an einer Fortsetzung der Tradition«[63] ist allerdings der Schwerpunkt des Improvisationsdiskurses in der iranischen Musik. Außerdem sind Jahre der Forschung, Nachahmung, Übung und Kontemplation erforderlich, um eine eigene musikalische Identität zu finden. Anders ausgedrückt, erfordert die spontane Verwendung der musikalischen Komponenten und Modelle in der Improvisation ihr Verinnerlichen in der Vergangenheit: »[…] that the popular conception of improvisation as ›performance without previous preparation‹ is fundamentally misleading. There is, in fact, a lifetime of preparation and knowledge behind every idea that an improviser performs.«[64] Nettl beschreibt seine Lernerfahrung wie folgt:

Nour-Ali Khan, for example, wished to teach only a very small amount of it to me every week, saying that it was important for me to play it frequently, to look at it from all sides, listen to it, examine it, contemplate it. Perhaps contemplation acts as a stimulus for students to learn to understand the way the structure of the radif teaches the techniques and concepts of improvisation.[65]

Der Improvisationsprozess in der iranischen Musik durchläuft zuerst die Imitations- und danach die Absorptionsphase, um schließlich zum Implementieren einer innovativen Idee innerhalb der musikalischen Tradition zu führen. Walter Bishop Jr. beschreibt dies so:

It all goes from imitation to assimilation to innovation. You move from the imitation stage to the assimilation stage when you take little bits of things from different people and weld them into an identifiable style - creating your own style. Once you’ve created your own sound and you have a good sense of the history of music, then you think of where the music hasn’t gone and where it can go - and that’s innovation.[66]

Was in diesem Artikel vorgestellt wurde, befasst sich nur mit dem Aspekt der Solo-Improvisation. Selbstverständlich gibt es Raum für weitere Forschungen, z. B. eine Untersuchung der kollektiven iranischen Improvisation in Form von Duetten und Gruppenspiel.

Anmerkungen

1

»The repertoire of Persian art music, together with its traditional order of classification, is called the radīf. […] The radīf is […] collected by different people at different times.« (Talāi 2002, 865) »The radīf of Persian music, the foundation for improvisation, consists of source material which students of traditional classical Persian music learn and memorize. Masters of Persian music (ostāds) have lived in different parts of Iran and traditionally taught their own versions of the radīf, which were collections of melodies and melodic ideas taken originally from folk and religious traditions.« (Caton 1992, 84)

2

»Persian classical music […] is an improvised tradition in which the creative role of the performer is crucial, and at the heart of which lies the canonic repertoire of the radif […].« (Nooshin 1996, 23)

3

Nettl 1987, 105 f.

4

Freie Improvisation bezieht sich auf die Definition von Powers (1958, 451 f.): »[…] which I will call ›free improvisation‹, consists in the permutation of short plastic motifs, combining them in various orders one with another.« Sie folgt hier außerdem den Modalregeln der iranischen Musik.

5

Die Gūše-hā sind Musikstücke, die im Repertoire der iranischen Musik enthalten sind und in zwei allgemeine Kategorien unterteilt werden können: eine Gūše mit bestimmtem Modus und eine andere Gūše mit unbestimmtem Modus. Die Gūše-hā befinden sich in verschiedenen Positionen und sind in einer bestimmten Reihenfolge miteinander verbunden. Eine der Konsequenzen dieser speziellen Reihenfolge ist, dass der Übergang von einer Position zu einer anderen innerhalb eines Dastgāh auf angenehme Weise erfolgt.

6

Farhat 1990, 21.

7

Nettl 2005, 393.

8

Zonis 2013, 42.

9

Nooshin/Widdess 2006, 108.

10

Khatschi 1962, 33.

11

Persönliche Wahrnehmungen und Erfahrungen d. Verf., basierend auf Gesprächen mit älteren und jüngeren Lehrern und Improvisierenden iranischer Musik.

12

Caton 1992, 85.

13

Vgl. Nettl/Foltin 1972, 19.

14

Ebd., 20.

15

Khatschi 1962, 33 f. Darāmad stammt aus dem Infinitiv des Wortes ›Eintreten‹. Es bedeutet Anfang oder Beginn. In der iranischen Musik ist damit ein Stück gemeint, mit dem ein Dastgāh betreten oder eröffnet wird.

16

Nettl 1987, 21 f.

17

Nooshin/Widdess 2006, 104 f.

18

Powers 1980, 1.

19

Ebd.

20

Caton 1992, 85.

21

Khatschi 1962, 34.

22

http://www.unesco.org/archives/multimedia/document-304 (5.6.2021).

23

Ebd., Übersetzung d. Verf.

24

Ebd., Übersetzung d. Verf.

25

Talāi 2002, 867.

26

Vgl. Koelsch 2013, 244 f.

27

»[…] many musical cultures recognize conventionally coded induced associations of specific musical entities with persons, events, or things, in real life as well as in ritual or drama.« (Powers 1980, 1)

28

Siehe z. B. Filmaufnahmen der Zeremonie des Tanburspielens unter: https://www.youtube.com/watch?v=Hlr1KK0yOoo&t=3s (5.6.2021). Diese Zeremonie ist eine der wichtigsten und größten religiösen Zeremonien der Anhänger von Yārsān oder Ahl-e Haq, bei der Tausende Menschen durch das Singen und Spielen des Tanburs in der Region Dalahu in Kermanshah diesen Tag feiern.

29

Nettl/Foltin 1972, 19.

30

Diese Performance ist Teil einer Theatershow namens Schwarz, die 1977 aufgeführt wurde.

31

Der Begriff Dastgāh wird im nächsten Abschnitt erklärt.

32

Diese Improvisation basiert auf einem Radif von Sabā und dient dazu, eine freie Solo-Improvisation unter zeitgenössischen modalen und rhythmischen Rahmenbedingungen zu zeigen.

33

Talāi 2011, 43–45 sowie 16–18.

34

Pāyvar 1999, 36 f.

35

Elsner 1975, 233.

36

Hood 1982, 324.

37

Ebd., 324 f.

38

Vgl. Powers et al. 2001.

39

Die vierte Eigenschaft, »außermusikalische Beziehungen«, wurde im vorherigen Abschnitt beschrieben.

40

Das Koron (k) bezeichnet in der iranischen Musik die Erniedrigung eines Stammtons um einen sogenannten Viertelton (tatsächlich: ca. 60 Cent).

41

Die Noten b und g spielen bei strukturellen Intervallen keine Rolle.

42

Die Frequenzen wurden vom Verf. berechnet.

43

Der Grund für das Überschreiten des Tonbereichs der Qaratsche wird in der Beschreibung des Abschlussabschnitts (Teil D) erläutert.

44

Siehe Farhat (1990, 24): »In most of the Persian modes one tone assumes a conspicuously prominent role. It may or may not be the finalis. It is called the sahed (abbreviated as ›S‹). The term dominant should not be used, as that word has harmonic implications; furthermore, the sahed is not necessarily the 5th degree of the scale.«

45

Mojanab = Halbton + Mikrointervall.

46

In der iranischen Musik wird das Wort Āvāz in drei Bedeutungen verwendet: Wörtlich bedeutet es ›Singen‹, was normalerweise von Poesie begleitet wird. Es hat jedoch noch zwei andere Bedeutungen: Erstens meint es Musik mit freier metrischer Gewichtung und zweitens von den Dastgāh-hā abgeleitete Unter-Dastgāh-hā.

47

Talāi 2014, 20.

48

Diese Teile sind in der Transkription mit Sternchen gekennzeichnet.

49

In der Transkription sind diese mit einem Kreis um die Wörter markiert.

50

Talāi 2014, 27.

51

Nettl 1987, 40.

52

Diese Teile sind in der Transkription mit einem Pfeil gekennzeichnet.

53

Powers 1958, 452.

54

Farhat 1990, 25.

55

Vgl. Massoudieh (1980, 81): »Die daraus resultierende Vereinheitlichung des traditionellen persischen Vokal-Radif läßt sich sogar auf das ganze Repertoire der persischen Kunstmusik übertragen.«

56

Die in Zeile 5 verwendete ek soll die Bedeutung des ›Zeugen‹ hervorheben. Auf Instrumenten wie dem Santur, auf denen kein Vibrato möglich ist, wird Tremolo oder Triller verwendet. Ähnlich dazu wird im Vokalteil die natürliche Stimme meist am Schluss der Gesänge zu einer Art von Schluchzen bewusst verändert; siehe (Bsp. 5: Zeile 5, Abschnitt 5.1).

57

Siehe Nettl (1987, 23 f): »While some performances clearly contain material from more than one darâmad in the radif, the idea in performance seems not to be to go through all darâmad material in each performance, but to select.«

58

Diese Teile sind in der Transkription mit einem Sternchen gekennzeichnet.

59

Nettl 1987, 39.

60

»There is no one authentic version of any melody. This might well be expected, considering that each gusheh functions only as a model for improvisation, not as a finished composition.« (Zonis 2013, 62)

61

Nettl 1987, 23.

62

Khatschi 1962, 70 f.

63

Kuckertz 1995, 774.

64

Berliner 1994, 17.

65

Nettl 2005, 395.

66

Berliner 1994, 120.

Literatur

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