Quint, Johannes (2016), »Eklektizismus und Experiment. ›Just Intonation‹ in Ben Johnstons späten Streichquartetten«, Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 13/1, 89–115. https://doi.org/10.31751/869
eingereicht / submitted: 26/03/2016
angenommen / accepted: 24/08/2016
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 20/02/2017
zuletzt geändert / last updated: 10/05/2018

Eklektizismus und Experiment

›Just Intonation‹ in Ben Johnstons späten Streichquartetten

Johannes Quint

Ben Johnstons späte Streichquartette überraschen durch ihre originelle Dialektik von traditioneller Oberfläche und mikrotonaler Binnengestaltung. Die Analyse von vier ausgewählten Beispielen fördert verschiedene Funktionsweisen von Johnstons Arbeit mit ›Just Intonation‹ zu Tage: So ersetzt im zweiten Satz des String Quartet No. 10 die Polarität O-Tonality/U-Tonality die von Dur und Moll. Im dritten Satz des String Quartet No. 9 werden Zirkelgänge durch mikrotonale Modulationen ersetzt. Variable mikrotonale Vorräte durchdringen eine Variationsform im vierten Satz des String Quartet No. 10 und im ersten Satz des String Quartet No. 8 erlangen Diminutionen eines Harmoniegangs durch den mikrotonalen Intervallreichtum eine neue Qualität. Aufbauend auf den analytischen Beobachtungen wird dann die Ästhetik Johnstons thematisiert. In Abgrenzung zu anderen Umgangsweisen mit ›Just Intonation‹ einerseits und zu anderen Formen des Traditionsbezugs andererseits tritt das Besondere der Johnston’schen Musik hervor, die zwischen historischem Rückgriff und kompositionstechnischem Experiment schillert.

Ben Johnstonʼs late string quartets offer a surprising dialectic between traditional facade and microtonal interior. The analysis of four selected examples exposes different functionalities found in Johnstonʼs use of ›Just Intonation‹: In the 2nd movement of String Quartet No. 10, the polarity major/minor is replaced by that of O-Tonality/U-Tonality. In the 3rd movement of String Quartet No. 9, cycles are altered through microtonal modulation. Microtonal mutations permeate the variations of the 4th movement of String Quartet No. 10 and in the 1st movement of String Quartet No. 8 the diminution of a harmonic progression acquires a new quality due to its abundance of microtonal intervals. The analytical insights lead to a discussion of Johnstonʼs aesthetic. The clear differentiation to other uses of ›Just Intonation‹ as well as to forms of traditional reference is what distinguishes Johnstonʼs works, shimmering between historical recourse and experimental compositional technique.

Schlagworte/Keywords: Ben Johnston; James Tenney; John Cage; just intonation; La Monte Young; microtonality; Mikrotonalität; reine Stimmung; String Quartet No. 7; String Quartet No. 8; String Quartet No. 9; Wolfgang Rihm

»Insofar as I have used eclectic style content, it’s been in order to prove
how different each of those things sounds when it’s treated this way –
which is a rather different motivation from what one usually has.«[1] (Ben Johnston)

Ben Johnston (geb. 1926) gilt als einer der bedeutendsten Komponisten mikrotonaler Musik im 20. Jahrhundert. Seine komplexe und differenzierte Arbeit mit ›Extended Just Intonation‹ stellt einen der anspruchsvollsten Versuche dar, eine Alternative zum traditionellen zwölfstufigen Tonsystem zu etablieren. Das Besondere an Johnstons Musik ist eine ganz spezielle Verschränkung von Moderne und Tradition, die in verschiedenen Phasen unterschiedlich ausfällt. Interessant ist, dass der experimentelle Anteil gerade dort besonders stark aufscheint, wo die Musik ganz explizit auf traditionelle Stile verweist.

Johnstons Entwicklung lässt sich besonders anschaulich an seinem Streichquartettschaffen ablesen.[2] Das Streichquartett ist die Besetzung, die Johnstons kompositorisch-aktive Zeit von Anfang an begleitet hat. (Aus Altersgründen hat Johnston nach 2000 keine Komposition mehr veröffentlicht.) Die ersten drei Quartette entstanden 1959, 1964 und 1966. Trotz ihrer Arbeit mit Mikrotonalität sind sie, wie die anderen Hauptwerke dieser Jahre (Sonata for Microtonal Piano/Grindlemusic, 1962[3], und Quintet for Groups für Orchester, 1966[4]), noch von serieller Musik beeinflusst. Ab den 1970er Jahren aber lässt sich ein vom Komponisten bewusst angestrebter Paradigmenwechsel beobachten:

In the early seventies I grew dissatisfied with the musical style I had been using since beginning in 1960 to compose in extended just intonation. It was a style rooted in serial music, which was what had interested me most just before that. But I was tired composing music which interested few listeners beyond other composers and participating in special concerts which attracted mainly that audience.[5]

Ein Schlüsselwerk ist String Quartet No. 4 Amazing Grace (1973), in dem das berühmte Spiritual als Thema eines Variationssatzes fungiert.[6] Johnston hat die Neuorientierung ästhetisch inszeniert, indem er das Dritte und das Vierte Quartett zu einem Triptychon mit dem Titel Crossings zusammengefasst hat – mit einem Mittelsatz, der aus einer ca. eineinhalbminütigen Pause besteht und wie ein Graben den alten vom neuen Stil trennt. Überblickt man das Streichquartettschaffen nach dem String Quartet No. 4, so beobachtet man einen immer expliziteren Traditionsbezug, der dann in den letzten drei Quartetten (Nr. 8, 9 und 10) besonders stark ausgeprägt ist. Wenn Kritiker im Zusammenhang mit dem Achten Quartett (1984) von Neoklassizismus gesprochen haben[7], beantwortet eine solche Klassifizierung allerdings vorschnell die Frage, wie das Verhältnis von Stilanleihe und Experiment in Johnstons Spätwerk zu verstehen ist.

Johnston selbst gibt einen Hinweis auf den Stellenwert kompositionstechnischer Innovationen innerhalb seiner späten Werke:

The concern with just intonation saved me from some of the errors I might otherwise have committed. The differences in structure due to composing with an open, infinite field of pitches rather than a closed, finite system, such as twelve-tone equal temperament, guaranteed new shapes and even a new ambience of sound.[8]

Mit »the errors I might otherwise have committed« ist ein Rückfall in einen eindimensional-nostalgischen Stil gemeint. Auf welche Weise Johnston dem entgegenarbeitet, soll im vorliegenden Text in einem ersten Abschnitt durch Analysen gezeigt werden: Wie genau sieht das Verhältnis von übernommenen Kompositionstechniken und mikrotonalen Differenzierungen aus? Dabei wurden mit Sätzen aus den drei letzten Streichquartetten (String Quartet No. 8, 1984, String Quartet No. 9, 1986, und String Quartet No. 10, 1995) bewusst Beispiele gewählt, in denen die scheinbaren stilistischen Anachronismen besonders deutlich und provokant zu Tage treten.

In einem zweiten Abschnitt soll dann auf die Ästhetik Johnstons eingegangen werden. Einerseits wird seine Musik Kompositionen entgegengestellt, die einen ganz anderen Weg im Umgang mit Tradition beschritten haben. Andererseits wird sie gegen andere Ansätze aus dem Umfeld der ›Just Intonation‹ abgegrenzt.

1. ANALYSEN

String Quartet No. 10, zweiter Satz: Aus Dur/Moll wird O-Tonality/U-Tonality

[...] to ask the question in the second movement of String Quartet No. 10: How would a Bach-Chaconne sound if the composer had used Partchʼs O-Tonality and U-Tonality in place of major and minor scales?[9]

In den 1950er Jahren hatte Johnston Harry Partch kennengelernt und mit ihm zusammengearbeitet. Partchs tonsystematisches Denken[10] machte auf Johnston einen großen Eindruck, und in der Folgezeit entwickelte er eine Notation, die zwei Ideen Partchs weiterentwickelt:

1. Das ›Limit‹-System konstruiert ein Tonsystem durch Beschränkung auf rein zu intonierende Intervalle. Beruht beispielsweise eine Musik auf ›7-Limit‹, so bedeutet das, dass alle Intervalle aus 2/1-Oktaven, 3/2-Quinten, 5/4-Terzen oder 7/4-Septimen bzw. aus der Kombination dieser Intervalle abgeleitet werden können.

2. Das Begriffspaar ›O-Tonality/U-Tonality‹ steht für die Arbeit mit reinen Intervallen in beide Richtungen: aufwärts und abwärts, also für die Dualität von Ober- und Untertonreihe.[11]

Der entscheidende Unterschied zwischen Partchs und Johnstons Tonsystem besteht darin, dass Partch mit a priori festgelegten Skalen arbeitete, während Johnstons Notation einen potentiell unendlichen Raum an mikrotonalen Abstufungen abzubilden vermag.[12]

Ausgangspunkt der Notation Johnstons[13] ist eine Kombination von reinen Quinten und großen Terzen:

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Beispiel 1: Quint-Terz-System als Ausgangsmaterial des Tonsystems Ben Johnstons

In eine Oktave projiziert ergibt sich eine diatonische Skala in reiner Stimmung:

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Beispiel 2: Diatonische Skala in reiner Stimmung

Diese Ausgangsskala alteriert Johnston mit folgenden Vorzeichen (Bsp. 3–7):

+ bzw. - : Alteration um ein syntonisches Komma aufwärts oder abwärts (81/80 bzw. 80/81 = ±21,5 Cent);

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Beispiel 3: Ableitung der Vorzeichen +/-

# bzw. b: Alteration von kleiner 6/5-Terz (316 Cent) in große 5/4-Terz (386 Cent) bzw. umgekehrt (25/24 bzw. 24/25 = ±70 Cent);

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Beispiel 4: Ableitung der Vorzeichen #/b

L [eine um 180° gedrehte 7] bzw. 7: Alteration der 9/5-Septime (1018 Cent) in die 7/4-Septime (969 Cent) bzw. umgekehrt (36/35 bzw. 35/36 = ±49 Cent);

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Beispiel 5: Ableitung der Vorzeichen L/7

↑ bzw. ↓: Alteration von 4/3-Quarte (498 Cent) in 11/8-Quarte (551 Cent) bzw. umgekehrt (33/32 bzw. 32/33 = ±53 Cent);

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Beispiel 6: Ableitung des Vorzeichen ↑/↓

Ꞁ3 bzw. εL [eine um 180° gedrehte 13]: Alteration von 8/5-Sexte (814 Cent) in 13/8-Sexte (841 Cent) bzw. umgekehrt (65/64 bzw. 64/65 = ±27 Cent).

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Beispiel 7: Ableitung der Vorzeichen Ꞁ3/εL

Natürlich können diese Vorzeichen auch kombiniert und verdoppelt werden:[14]

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Beispiel 8: Vorzeichenkombinationen

Gibt es in einer Komposition nur die Vorzeichen + , - , # und b, so bewegt sie sich im ›5-Limit‹, d.h. innerhalb der ersten fünf Töne der Teiltonreihe bzw. im Kontext von Intervallen, die aus deren Proportionen abgeleitet sind. Gibt es die Vorzeichen + , - , #, b, L, 7, ↑ und ↓, so bewegt sie sich im ›11-Limit‹, d.h. innerhalb der ersten elf Töne der Teiltonreihe bzw. im Kontext von Intervallen, die aus deren Proportionen abgeleitet sind.

Die Obertonreihe (›O-Tonality‹) auf c ab dem vierten Teilton sieht in Johnstons Notation so aus:

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Beispiel 9: Obertonreihe von c ab dem vierten Teilton in Johnstons Notation

Die Untertonreihe (›U-Tonality‹) unter g ab dem vierten Teilton stellt sich so dar:

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Beispiel 10: Untertonreihe von g ab dem vierten Teilton in Johnstons Notation

Transponiert man beide Tonfolgen so, dass die O-Tonality auf d1 und die U-Tonality auf a2 beginnt und legt die Töne in eine Oktave, ergeben sich folgende Skalen:

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Beispiel 11: O-Tonality- und U-Tonality-Skalen

Diese Skalen bilden das Material des 2. Satzes von Johnstons String Quartet No. 10 (1995). Der Satz beruht auf einem Thema, das sowohl – etwa am Beginn des 2. Satzes (Audiobsp. 1) – als Umkehrung als auch in der Originalgestalt erscheint und den Satz ostinat durchzieht, wobei die Originalgestalt die O-Tonality-Skala, die Umkehrung die U-Tonality-Skala verwendet.

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Beispiel 12: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, Thema in Originalgestalt und in Umkehrung, © 1999 by Smith Publications

Audiobeispiel 1: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, T. 1–5, Thema in der Umkehrung
(Ben Johnston, String Quartets Nos. 1, 5, & 10, Kepler Quartet, New World Records 80693, Aufnahme 17.1.2011, Track 3, 0:00–0:20)

Johnston beschreibt den Satz als »Bachʼsche Chaconne«[15] und dachte dabei möglicherweise an das Vorbild aus der Partita d-Moll BWV 1004 für Violine solo. Die Anspielung ergibt sich durch Tonart und Rhythmik:

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Beispiel 13: J.S. Bach, Partita d-Moll BWV 1004, T. 17–21

Die Kombination von ostinatem Thema und Umkehrung erscheint zwar in Bachs Chaconne nicht, ist aber in anderen Kompositionen der Barockzeit durchaus zu finden.[16] Die Polarität von ›O-Tonality‹ und ›U-Tonality‹ dagegen ersetzt den Wechsel zwischen Dur und Moll, der in der Chaconne von Bach große Formabschnitte abgrenzt.

Bemerkenswert an Johnstons Satz ist zunächst einmal die Differenzierung, die durch die verwendete Skala entsteht. Dies veranschaulicht ein Vergleich mit einer gleichstufig-temperierten Fassung:

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Beispiel 14: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, Thema im Original und in gleichstufig-temperierter Stimmung

Die gleichstufig-temperierte Fassung verwendet fünf verschiedene Intervalle (100, 200, 300, 400, 500 Cent), die Originalfassung dagegen zwölf verschiedene (112, 119, 128, 139, 151, 165, 182, 204, 267, 386, 455, 498 Cent).

Intoniert man das Thema in einer Stimmung der Bach-Zeit (Werckmeister III), so ergibt sich:

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Beispiel 15: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, Thema in der Stimmung Werckmeister III

Hier finden sich zwar immerhin auch zehn verschiedene Werte (92, 101, 107, 193, 199, 204, 311, 397, 406, 498 Cent), da aber die Abweichungen zum gleichstufig-temperierten Halbton minimal sind (max. 11 Cent), wirken die Varianten unvergleichlich weniger markant als die Intervalle bei Johnston.

Audiobeispiel 2: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, T. 1–5, Thema
gleichstufig-temperiert, in Werckmeister III- und Originalstimmung (elektronische Simulation) (vgl. Bsp. 14/15)

Die Gestalt des Themas ist perfekt dazu geeignet, die Differenzierung der Tonstufen besonders plastisch hervortreten zu lassen, was sowohl systematische als auch historische Gründe hat. Zum einen systematische: Johnston komponiert eine Verzierung der O-Tonality-Skala, die bis auf das Ꞁ3B- allen Stufen einen Gerüstton zukommen lässt (Bsp. 16). Der Oktavrahmen gibt einen Maßstab vor, an dem der Hörer die unterschiedlichen Intervalle messen kann.

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Beispiel 16: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, Thema mit Hintergrundgerüst

Auf der anderen Seite stehen die historischen Gründe: Die Gestalt des Themas befördert Assoziation mit der Welt der Barockmusik und in dieser Welt hebt sich die Intonation als besonders fremd- und neuartig hervor.

Bemerkenswert ist neben dem Tonsystem auch die formale Gestaltung des Satzes, die, in Abhängigkeit vom Thema, durch folgendes Schema dargestellt werden kann (Tab. 1):

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Tabelle 1: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, Formschema (U = Umkehrung; O = Originalgestalt)

Es ergibt sich eine Form, deren Proportionen sich wie folgt darstellen lassen (Tab. 2):

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Tabelle 2: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 2. Satz, Proportionen der Formteile

Die Form des Themas in Kombination mit den Einsatzstellen im Satz bedingt einerseits eine Gliederung in Viertakter, zum anderen eine ständige Verklammerung derselben dadurch, dass das Thema den fünften Takt als Abschluss verlangt (in Tabelle 1 durch das Zeichen ¬ angegeben). Dabei entsteht eine Spannung, die von Viertakter zu Viertakter weitergegeben wird und die Johnston durch die allmähliche Ausweitung der oberen Ambitusgrenze (von der kleinen bis hin zur viergestrichenen Oktave) und die Dynamik (von pp zu fff) inszeniert. Diese Dramaturgie, die linear auf die Lösung in Takt 49 gerichtet ist, überlagert die formale Gliederung und bildet gleichzeitig einen Kontrast zur historisch-stilistischen Welt der Barockmusik, der lineare Steigerungen in dieser Form fremd sind.

Das Bild, das der Satz hinterlässt, ist einerseits das einer extrem disziplinierten, fast modellhaft angelegten Musik, die andererseits ein Höchstmaß an Energie entfaltet. Die Mikrotonalität mit ihren ›perfekten‹, ›glasklaren‹ und zugleich differenziert abgestuften Intervallen stützt dieses Bild, wie umgekehrt die formale Dramaturgie die Polarität von O-Tonality und U-Tonality inszeniert.

String Quartet No. 9, 3. Satz: Aus einem Zirkel wird eine mikrotonal modulierende Sequenz

Die stilistische Welt, auf die der 3. Satz von Johnstons Neuntem Streichquartett (1986) anspielt, ist die eines langsamen Satzes des klassischen Stils.[17] Der Satz ist als verkürzte Reprisenform komponiert (Tab. 3).

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Tabelle 3: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, Formschema

Der A-Teil ist noch einmal symmetrisch in 14 (4+4+6) + 14 (4+4+6) Takte in periodischer Anlage mit Halbschluss in Takt 14 und Ganzschluss in Takt 28 geteilt. Die interne Struktur, die Satztechnik und die Tonartendisposition halten sich an klassische Modelle: Blendet man die Mikrotonalität aus, bleibt der gesamte Tonvorrat des A-Teils fast vollständig diatonisch: Er wird bestimmt durch F-Dur und wird nur hin und wieder durch den Ton cis erweitert. Auch die harmonischen Fortschreitungen entsprechen mit kadenziellen und sequenziellen Akkordbewegungen jenen der traditionellen Tonalität. Die Satztechnik beruht auf durchgehender Ausharmonisierung der Melodie der 1. Violine – unter weitestgehender Beachtung traditioneller Satzregeln (Wechsel zwischen enger und weiter Akkordlage, Vorbereitung und regelkonforme Auflösung von Dissonanzen).

Die ersten vier Takte beschreiben einen einfachen sich öffnenden kadenziellen Verlauf, der auch bezüglich des Tonmaterials ›konventionell‹ bleibt: Es erscheinen ausschließlich ›Minus-Vorzeichen‹ als spezielle Alterationen, die zu reinen d-Moll- bzw. B-Dur-Dreiklängen führen. Die großen Sekunden f1-g1 (9/8) und g1-a1 (10/9) in Takt 1 in der 1. Violine differieren, und in Takt 4 gibt es eine Andeutung von Mikrotonalität durch das d1 in der 2. Violine, das um 21,5 Cent höher zu intonieren ist als das d1 in der Viola im dritten Takt.[18]

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Beispiel 17: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 1–4, © 1989 by Smith Publications

Erst ab dem fünften Takt entfaltet sich die tonsystematische Differenzierung: An die ersten vier Takte schließt sich ein weiterer Viertakter an, der auf einer Quintfallsequenz beruht. Ohne mikrotonale Vorzeichen sieht der Sequenzgang so aus:

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Beispiel 18: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, Sequenzgang

Während der kadenzielle Verlauf der ersten vier Takte durch die reine Stimmung eher gefärbt als verfremdet wird, hat Johnstons Auskomposition dieser Sequenz (Bsp. 19) gravierende Folgen sowohl für die Melodik als auch für Harmonik.

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Beispiel 19: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, © 1989 by Smith Publications

Audiobeispiel 3: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8
(Ben Johnston, String Quartets Nos. 2, 3, 4, & 9, Kepler Quartet, New World Records 80637, Aufnahme 1.1.2006, Track 3, 0:14-0:29)

Bedingt durch die Sequenz besteht die mikrotonale Melodie in der 1. Violine im Grundgerüst aus einer Abwärtstreppe:

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Beispiel 20: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, Melodiegerüst ohne mikrotonale Vorzeichen

Durch die Harmonisierung bekommen die Melodietöne unterschiedliche Funktionen im Akkord (kleine Septime eines Moll-Septakkordes, kleine oder große Septime eines Dur-Septakkordes etc.), die bei Johnston durch die Intonation hörbar werden:

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Beispiel 21: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, Melodiegerüst mit Bezugsakkorden

In Proportionen und Cent-Werte übersetzt ergibt sich folgender Gang:

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Beispiel 22: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, Melodiegerüst mit Proportionen und Centwerten

Im Unterschied zu einer temperierten Version gibt es in diesem Melodiegang also nicht vier, sondern sechs Stufen. Darüber hinaus enthält er nicht zwei, sondern drei Fortschreitungsintervalle: An der Stelle von großer und kleiner Sekunde stehen die Intervalle 8/9, 35/36 (ca. ein Viertelton) und 20/21. Und schließlich bleiben die Fortschreitungsintervalle zwar relativ einfach, der Weg führt aber in Regionen, die weit vom Ausgangspunkt F-Dur entfernt sind: Die Proportion F/7G-- beträgt 7000/6561(!) und 7B-, A- und G-- sind jeweils um ca. einen Viertelton gegenüber den gleichstufig temperierten Skalenstufen verschoben.

Quintfallsequenzen sind Fortschreitungen, die in traditioneller tonaler Musik potentiell einen Zirkel durchschreiten. In der diatonischen Variante des Bassgangs in Takt 5–8 muss dabei bekanntlich eine Quinte als vermindert erscheinen:

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Beispiel 23: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, Bassgang, diatonische Variante

In Johnstons Quartett sieht die Intonation anders aus:

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Beispiel 24: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 5–8, Bassgang mit Originalvorzeichen

Diese Sequenz ist also kein Zirkel, sondern eine Art mikrotonaler Modulation: das D in Takt 8 ist um fast einen Viertelton (ca. 44 Cent = zwei syntonische Kommata) tiefer als das D in Takt 5. Die abfallende Sequenz führt zu einem Absinken der Bezugsebene und ergibt einen spektakulären mikrotonalen Effekt.

Die absteigende Modulation um zwei Kommata wird in den Takten 9–12 umgekehrt, sodass das ursprüngliche Niveau wieder erreicht wird:

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Beispiel 25: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 9–12, © 1989 by Smith Publications

Audiobeispiel 4: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 9–12
(Ben Johnston, String Quartets Nos. 2, 3, 4, & 9, Kepler Quartet, New World Records 80637, Aufnahme 1.1.2006, Track 3, 0:29-0:47)

Dabei durchläuft die Harmonik folgende Stationen:

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Beispiel 26: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 9–12, Grundtongang mit Proportionen und Centwerten

Die harmonische Systematik des mikrotonalen Aufwärtsgangs ist die folgende: In Takt 9 und 10 schreitet die Harmonik mit den Stufen F-- | c-- | G-- | B-- | F- fort. Durch die Terz G--/B-- = 6/5 verschiebt sich dabei das F-- um ein syntonisches Komma nach oben. Der gleiche Weg wird in Takt 11–12 wiederholt und nach dieser Prozedur ist das ursprüngliche F wieder erreicht (Bsp. 27).

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Beispiel 27: Ben Johnston, String Quartet No. 9, 3. Satz, T. 9–12, Rückmodulation von F-- nach F

Johnstons Komposition der Takte 5–12 hat sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Komponente: Vertikal werden Tonstufen durch Wechsel der Grundtöne in ihrer Intonation differenziert (z.B. B als Terz von G und 7B als Septime von C) und horizontal läuft der Stufengang der Sequenz durch drei jeweils um ein syntonisches Komma differierende Ebenen (F, F-, F--).

Ähnlich wie bei der Chaconne aus dem String Quartet No. 10 beleuchten sich auch hier historische Anspielung und Mikrotonalität gegenseitig. Der vertraute Kontext (Form, Satztechnik, harmonische Grundierung) lässt die Differenzierungen der Intervalle und Fortschreitungen umso deutlicher hervortreten, oder umgekehrt: Das Tonsystem wirft ein neues, fremdartiges Licht auf die bekannte Tonsprache.

String Quartet No. 10, 4. Satz: Dramaturgie durch Erweiterung des mikrotonalen Tonvorrats

Während in den beiden ersten Beispielen der stilistische Bezugspunkt deutlich zu identifizieren war, ist ein durchgängiges Stil-Vorbild im letzten Satz des String Quartet No. 10 nicht dingfest zu machen. Der Satz besteht aus einer Variationsfolge, der das irische Volkslied Danny Boy (A Londonderry Air) zu Grunde liegt (Bsp. 28).

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Beispiel 28: Danny Boy (A Londonderry Air)

Der Satz aus dem String Quartet No. 10 gliedert sich in acht Abschnitte, in denen die Liedmelodie auf unterschiedliche Weise modifiziert wird. Abgeschlossen wird er durch einen Coda-Schlusstakt mit Flageolett-Glissandi.

Die Dramaturgie des Satzes zielt dabei auf die ›Entdeckung‹ von Danny Boy, die durch sich überlagernde Prozesse gestaltet wird. Wie schon im 2. Satz des gleichen Quartetts arbeitet Johnston auch hier mit Umkehrung und Originalgestalt (ohne hier allerdings die beiden Fassungen an U- und O-Tonalities zu koppeln), wodurch die Abschnitte I–VI (Umkehrung, Bsp. 29, oben) und VII–VIII (Originalgestalt, Bsp. 29, unten) zu übergeordneten Formteilen zusammengefasst werden.

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Beispiel 29: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 109–112 (oberes Notensystem) und T. 125–128 (unteres Notensystem), 1. Violine, © 1999 by Smith Publications

Der erste Formteil entfaltet dabei eine rhythmische Beschleunigung, die – nicht streng linear, aber als Tendenz unüberhörbar – von Viertel-Achtel-Paaren (Bsp. 30) über durchlaufende Achtel hin zu einer durchgehenden Sechzehntelbewegung führt. Der VI. Abschnitt stoppt diesen Prozess und fällt zurück in eine Achtelbewegung (Bsp. 29). Dabei kommt ihm die Aufgabe zu, den Eintritt der Originalmelodie vorzubereiten – ein dramaturgischer Effekt, der durch das Tonsystem gestützt wird (siehe unten). So entsteht eine Überlagerung der Großform durch eine zweite Gliederung in die Abschnitte I bis V einerseits und VI bis VIII andererseits. Unterstützt wird diese sekundäre Teilung durch den Wechsel von Metrum und Rhythmik. In den Abschnitten I bis V erscheint die Melodie rhythmisch zum 6/8-Takt verzerrt (Bsp. 30), ab dem VI. Abschnitt tritt sie dagegen in der rhythmischen Originalgestalt auf.

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Beispiel 30: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 1–5, 1. Violine, © 1999 by Smith Publications

Eine Übersicht über die Form zeigt wieder eine strenge Proportionierung:

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Tabelle 4: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, Formschema

Die Satzstruktur ist einfach: Die Melodie, die sich mit Ausnahme von Abschnitt III (Cello) immer in der 1. Violine befindet, wird mehr oder weniger figuriert in den Begleitstimmen ausharmonisiert. Das Besondere ist das Tonmaterial der jeweiligen Abschnitte, das in Beispiel 31 dargestellt ist. Dabei sortiert die jeweils untere Zeile das Material als Skala, während in der jeweils oberen Zeile die Intervallproportionen durch die Form der Notenköpfe dargestellt sind. Bezugspunkte sind die Noten mit weißen runden Köpfen, die zueinander im Verhältnis 3/2 bzw. 2/3 stehen. Davon abgeleitet sind:

– schwarze runde Notenköpfe = 5/4 bzw. 4/5;
– weiße quadratische Notenköpfe = 7/4 bzw. 4/7;
– dreieckige Notenköpfe = 11/8 bzw. 8/11;
– rautenförmige Notenköpfe = 13/8 bzw. 8/13.

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Beispiel 31: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, Tonmaterial

Es ergibt sich so ein Prozess, der die oben beschriebene Dramaturgie des Satzes widerspiegelt: In den ersten vier Abschnitten wird das verwendete Tonmaterial nach und nach erweitert.[19] Die Abschnitte V und VI fungieren als ›retardierendes‹ Moment. Im Abschnitt VII, der als Zielpunkt der Dramaturgie die bis dahin versteckte Liedmelodie aufdeckt, ist dann das Tonmaterial am reichhaltigsten.

So wie sich das verwendete Tonmaterial von Abschnitt zu Abschnitt verändert, verändern sich auch Stimmführung und Zusammenklänge. Hierbei ergibt sich auch ein historisch-stilistisch interpretierbarer Prozess:

Abschnitt I kennt nur Quint/Quart-Oktavklänge (die Viola mit ihren perkussiven, diastematisch undefinierten Col-legno-Schlägen kann hier vernachlässigt werden) und diatonische Schritte in den einzelnen Instrumenten. Mikrotonalität erscheint nur als erste Andeutung versteckt durch die Verwendung zweier unterschiedlich großer Sekunden (9/8 und 10/9, Bsp. 32). Es entsteht eine Klangwelt, die auf Musik des Mittelalters anspielt. Unterstützt wird diese Anspielung durch das Metrum und die Lang-kurz- bzw. Kurz-lang-Rhythmen.

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Beispiel 32: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 1–2, 1. Violine, © 1999 by Smith Publications

Abschnitt II verwendet bis auf wenige Ausnahmen Quint-Oktav-Klänge und Dreiklänge, meist in der ersten Umkehrung. Die historische Assoziation ist jetzt ›frühe Renaissance‹: Der Wechsel von Quint-Oktav-Klängen und Sextakkorden lässt an Fauxbourdon-Sätze Dufays denken (da die Viola hier weiterhin als Perkussionsinstrument fungiert, kann der Satz immer noch als strukturell dreistimmig behandelt werden).

Abschnitt III erweitert das Repertoire an Klängen durch Einbeziehung von U- und O-Tonality-Septakkorden. In den Einzelstimmen gibt es nun auch chromatische Alterationen und septimale Ganztöne 8/7 (Bsp. 33).

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Beispiel 33: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 46–50, 1. Violine, © 1999 by Smith Publications

Audiobeispiel 5: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 46–50
(Ben Johnston, String Quartets Nos. 1, 5, & 10, Kepler Quartet, New World Records 80693, Aufnahme 1.1.2011, Track 5, 1:47-2:00)

Ab dem III. Abschnitt sind keine eindeutigen historischen Vorbilder mehr zu erkennen. Mit der Einbeziehung von Septakkorden (als O- und U-Tonality-Klängen) lässt der Satz die Welt von Mittelalter und Renaissance hinter sich und bezieht sich auf standardisierte Wendungen der Dur-Moll-Tonalität (Bsp. 34).

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Beispiel 34: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 46 und T. 66–67, © 1999 by Smith Publications

Im IV. Abschnitt entstehen zusätzliche dissonante Klänge durch Sechzehntelbewegungen, die sich in erster Linie in 2. Violine und Viola finden. Signifikanter ist aber die Erweiterung des melodischen Repertoires, das jetzt auch explizite mikrotonale Schritte verwendet (Bsp. 35).

Abbildung

Beispiel 35: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 70–72, 2. Violine, © 1999 by Smith Publications

Audiobeispiel 6: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, T. 70–72, 2. Violine (elektronische Simulation)

In den Abschnitten V und VI geht die Beschränkung des Tonmaterials mit einer Vereinfachung von Klängen und Melodieschritten einher. Als retardierendes Moment bereiten diese Abschnitte den Schluss vor: In den beiden letzten Abschnitten VII und VIII wird das differenzierteste Tonmaterial mit dem größten Reichtum entfaltet. Dabei gibt es noch einmal einen Perspektivenwechsel: Während in Abschnitt VII die meisten Tonstufen innerhalb des gesamten Satzes verwendet werden, beinhaltet der VIII. Abschnitt als einziger alle Proportionen der Teiltöne 3, 5, 7, 11 und 13, also ein vollständiges ›13-Limit‹-System.

Audiobeispiel 7: Ben Johnston, String Quartet No. 10, 4. Satz, Abschnitt VII, Anfang
(Ben Johnston, String Quartets Nos. 1, 5, & 10, Kepler Quartet, New World Records 80693, Aufnahme 1.1.2011, Track 5, 5:27–5:46)

Die Dramaturgie des Satzes zielt auf die plötzliche ›Aufdeckung‹ der zitierten Danny-Boy-Melodie. Dabei werden formale und rhythmisch-metrische Strategien mit der schrittweisen Entfaltung eines immer reicheren mikrotonalen Tonvorrats enggeführt. Der Satz kulminiert schließlich in den beiden Schlussabschnitten, in denen Danny Boy in Originalgestalt erscheint. In Abschnitt VII ist der Tonvorrat maximal und in Abschnitt VIII wird die maximale Anzahl von Teiltonproportionen verwendet. Einher mit der Erhöhung der Komplexität des Materials geht eine Veränderung der Klangsprache, die den Beginn des Satzes aus musikhistorischer Perspektive wie einen Gang durch die Epochen erscheinen lässt.

String Quartet No. 8, 1. Satz: Figurationen mit exakten Proportionen ersetzen harmoniefremde Töne

Der 1. Satz des Achten Streichquartetts orientiert sich ebenfalls am Vorbild des klassischen Stils, auch wenn die Klänge und Klangverbindungen hier keine eindeutige stilistische Referenz beinhalten. Der Satz gliedert sich in zwei zu wiederholende Abschnitte à 18 Takte, die wiederum in jeweils 10+8 Takte (Hauptsatz/Seitensatz) unterteilt sind. Während der Grundtongang im ersten Abschnitt unverkennbar auf einer I-V-Polarität aufgebaut ist, ist der der Hauptsatz am Beginn des zweiten Abschnitts im Stile einer Durchführung instabil, der Seitensatz kehrt dann zur I. Stufe zurück (Tab. 5). Diese Kombination von Zwei- und Dreiteiligkeit entspricht der dreigeteilt binären Menuettform des galanten Stils mit Wiederkehr der Grundtonart in der Mitte des zweiten Teils.

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Tabelle 5: Ben Johnston, String Quartet No. 8, 1. Satz, Formschema

»C-OT« und »G-OT« stehen in Tabelle 5 für O-Tonality auf C bzw. G–. Ähnlich wie im 2. Satz des Zehnten Quartetts gestaltet Johnston auch hier die traditionelle Tonalität um: global sind die großen Formteile durch unterschiedliche O-Tonalities strukturiert. Interne Harmoniewechsel arbeiten auch mit U-Tonalities.

Der Formgestaltung des Satzes wird hier nicht weiter nachgegangen. Stattdessen soll ein Aspekt der Satztechnik genauer betrachtet werden. Wieder – wie bei den Beispielen oben – geht es dabei um die mikrotonale Neuinterpretation einer traditionellen Struktur.

Der Seitensatz beginnt folgendermaßen:

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Beispiel 36: Ben Johnston, String Quartet No. 8, 1. Satz, T. 11, © 1990 by Smith Publications

Audiobeispiel 8: Ben Johnston, String Quartet No. 8, 1. Satz, T. 11–13
(Ben Johnston, String Quartets Nos. 6, 7, & 8, Kepler Quartet, New World Records 80730, Aufnahme 15.4.2016, Track 4, 0:44–0:56)

Der Tonvorrat des Taktes besteht aus den Teiltönen 8 bis 16 auf G- mit zusätzlichem cis. Die Satzstruktur besteht aus der Melodie in der 1. Violine, einer Bassstütze im Cello und Figurationen in 2. Violine und Viola. Von besonderem Interesse ist dabei das harmonische Verhältnis der mittleren Instrumente zum Außenstimmensatz. Bei traditionellen tonalen Diminutionen können bekanntlich harmonie- und konturabhängige Diminutionen unterschieden werden, d.h. Akkordbrechungen auf der einen und Durchgangs- bzw. Wechselnoten oder verwandte melodische Muster auf der anderen Seite. Der Reiz konturabhängiger Diminutionen besteht darin, dass die Linearität der Stimme die Empfindung der entstehenden Dissonanzen zu Gunsten einer Fortsetzungserwartung zurückdrängt. Dies veranschaulicht der Vergleich zweier Schlusswendungen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier (Bsp. 37). In beiden Beispielen kommt scheinbar der gleiche dissonante Klang vor, der aber durch die Linienführung und die verschiedene Beziehung zum Gerüstsatz bzw. harmonischen Verlauf (Quartvorhalt vs. Antizipation) jeweils anders wirkt.

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Beispiel 37: J.S. Bach, Das Wohltemperierte Klavier, Bd. 2, Fuga XIV fis-Moll, BWV 883, T. 69–70; Fuga XIX A-Dur, BWV 888, T. 28.3–29

Johnstons Musik definiert ›Diminutionen‹ neu.[20] Die Klänge, die durch Diminutionen entstehen, gehen aus klar definierten Intervallproportionen hervor, die sich aufgrund ihrer harmonischen Unabhängigkeit nicht mehr signifikant von ›Hauptklängen‹ unterscheiden. Potenziell nimmt also jedes Sechzehntel eine eigenständige harmonische Bedeutung an. So entstehen im ersten Takt des Seitensatzes (T. 11) auf den beiden ersten Viertelzeiten folgende Proportionen zum Grundton G-:

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Beispiel 38: Ben Johnston, String Quartet No. 8, 1. Satz, T. 11, Intervallproportionen zum Grundton G-, © 1990 by Smith Publications

Mit dieser ›Aufwertung‹ der Zusammenklänge verliert die melodische Komponente der Diminutionen in 2. Violine und Viola aber nicht ihre Bedeutung. Stattdessen zeichnen sie sich durch mikrotonalen Stufenreichtum aus. Auf eine genaue Analyse dieser Stufen kann hier verzichtet werden, da die zugrundeliegende Skala fast identisch mit der aus dem 2. Satz des Zehnten Quartetts ist (siehe oben).

2. ÄSTHETIK

Die analysierten Kompositionen haben gezeigt, wie Verfahren traditionellen Komponierens in Johnstons Quartetten durch den Einsatz von ›Extended Just Intonation‹ neu gedacht werden. Bekanntes und Experimentelles tritt dabei in ein dialektisches Spannungsverhältnis. Hintergrund-Stile bleiben konstant (String Quartet No. 10, 2. Satz: Barock; String Quartet No. 9, 3. Satz, und String Quartet No. 8, 1. Satz: Klassik) oder verändern sich im Sinne einer ›stilistischen Evolution‹ (String Quartet No. 10, 4. Satz).

Welche ästhetischen Implikationen sind nun mit dieser Dialektik zwischen Eklektizismus und Experiment verbunden? Dazu sollen erstens Beispiele vorgestellt werden, die zeigen, wie andere Komponisten mit ›Just Intonation‹ gearbeitet haben. Zweitens werden zwei Werke, die sich auf spezifische musikalische Traditionen beziehen, untersucht, um dann davon – drittens – Johnstons Ästhetik abzuheben.

Just Intonation

Die Idee, die reine Erfahrung des Klangs losgelöst von kontextabhängigen Funktionen (seien es solche der Syntax, seien es solche der Semantik) ins Zentrum kompositorischer Verfahren zu stellen, hat in der US-amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts eine lange Tradition. Ausgehend von Edgard Varèse verfolg(t)en Komponisten wie John Cage, Terry Riley, Terry Jennings, Steve Reich, Morton Feldman, Alvin Lucier, Phill Niblock und viele andere zumindest in Teilen ihres Schaffens diesen Weg. Die Arbeit mit mikrotonalen Stimmungssystemen ist damit nicht notwendig verbunden, bildet aber einen wichtigen Strang in dieser Tradition.

Eine zentrale Figur in diesem Kontext ist La Monte Young, der – nach Anfängen als Fluxus-Künstler – ab den 1960er Jahren ein immer größeres Interesse an ›Just Intonation‹ entwickelte. The Well-tuned Piano (ab 1964) beispielsweise beruht auf einer speziellen Stimmung des Solo-Klaviers, die auf zwei 7/4-Septimen Es-des / des-ces aufgebaut ist, auf die jeweils mehrere 3/2-Quinten geschichtet werden:[21]

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Beispiel 39: La Monte Young, The Well-tuned Piano, Ableitung der Stimmung

Die dabei gewonnenen zwölf Tonstufen bilden – in eine Oktave gelegt – die Materialskala der Komposition:

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Beispiel 40: La Monte Young, The Well-tuned Piano, Stimmung

Eine Aufführung von The Well-tuned Piano (die Dauer kann bis zu sechs Stunden betragen) verwendet als Hintergrundfolie einen Gang durch verschiedene aus der Materialskala gewonnene Akkorde, die auf unterschiedliche Weise improvisatorisch figuriert werden. In Youngs ca. fünfstündiger Performance vom 25.10.1981[22] bestanden die ersten zehn Minuten (!) aus der Verzierung des ›Opening Chord‹[23]:

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Beispiel 41: La Monte Young, The Well-tuned Piano, ›Opening Chord‹

Hintergrund der sich dabei ergebenden Statik ist die Idee, die sinnliche Wahrnehmung auf bestimmte, ›wohlproportionierte‹ Klänge zu fokussieren. Die schwebungsfreien Harmonien der ›Just Intonation‹ sind als Werkzeuge zur Provokation bewusstseinsverändernder Prozesse konzipiert.

Ein ähnlich reduktionistischer Ansatz findet sich in vielen Arbeiten von James Tenney. Critical Band für 16 oder mehr Haltetoninstrumente (1988) besteht aus 13 Abschnitten à 60, 90 bzw. 120 Sekunden, in denen jeweils nur ein Klang ausgehalten wird. Nach und nach beinhalten die Klänge einerseits immer mehr Töne, andererseits vereinfachen sich die Proportionen.

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Beispiel 42: James Tenney, Critical Band, T. 1–6 und T. 13, © Frog Peak Music

Der Titel der Komposition zielt auf ein Phänomen der Hörwahrnehmung: ›Critical Band‹ ist der Bereich, innerhalb dessen verschiedene Frequenzen noch nicht als verschiedene Tonhöhen wahrgenommen werden. Die Komposition entfaltet den Übergang eines solchen Bereichs hin zur Wahrnehmung von eindeutig identifizierbaren Intervallen. Ähnlich wie Young fokussiert auch Tenney die besondere Empfindung einzelner Schwingungsproportionen, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Während Young ausgewählte Klänge rituell-mystisch in Szene setzt, bewegen sich Tenneys Arbeiten auf der Grenze zwischen musikalischem Werk und wissenschaftlichem Experiment.

Trotz dieser unterschiedlichen poetischen Ausrichtung stellt sowohl Youngs als auch Tenneys Musik eine Ausformung der oben beschriebenen ›US-amerikanischen‹ erfahrungszentrierten Ästhetik dar – einer Ästhetik, bei der das verwendete Material nur auf sich selbst und auf nichts anderes verweisen soll.

Tradition

Ab den späten 1960er bzw. frühen 1970er Jahren findet sich bei einer ganzen Reihe von Komponisten eine stilistische Neuorientierung die als Symptom einer Krise der Moderne gesehen werden kann.[24] Anführen könnte man Werke von Stockhausen (Mantra), Ligeti (Le Grand Macabre oder Horntrio) oder Feldman (Madame Press Died Last Week at Ninety), die diese Krise dokumentieren. Parallel dazu entstand in den USA die Minimal Music und in Deutschland traten Komponisten in Erscheinung, die eine neue Subjektivität und einen neuen Bezug auf die Tradition einforderten. Gemeinsam ist all diesen Strömungen eine kritische Haltung gegenüber hyperkomplexen Strukturen sowie gegenüber esoterischen, konstruktivistischen Kompositionsverfahren. Vor diesem Hintergrund wurde ein neuer Blick auf die Musikgeschichte gerichtet. Daraus ergaben sich ganz unterschiedliche Ansätze, die Tradition in die eigene Arbeit aufzunehmen.

Wolfgang Rihms neoexpressionistisches Komponieren beispielsweise verfolgt die Strategie, traditionelle Satzstrukturen herbeizuzitieren, die dann eine Folie bilden, auf der Brüche, Sprünge, Verzerrungen und andere Destruktionen besonders spektakuläre Effekte ergeben sollen. Im Wölfli-Liederbuch für Bassbariton, Klavier und zwei große Trommeln (1980–81) tritt dieses Verfahren besonders drastisch zu Tage:

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Beispiel 43: Wolfgang Rihm, Wölfli-Liederbuch, T. 1–6, © Universal Edition UE 17435

Die einfache Pendelbegleitung steht quer zum auftaktig gehörten Einsatz der Singstimme und wird beim Übergang von Takt 3 zu Takt 4 charakteristisch gebrochen. Die Tonhöhen im unteren System des Klaviers stellen einen ausgestellt einfachen Bassgang dar, der die Assoziation ›Volksmusik‹ provozieren soll, und nach einer Harmonisierung mit F-Dur, C-Dur und C-Dur-Sextakkord verlangt. Durch die satztechnisch ›fehlerhaften‹ dissonanten Akkorde, die sich durch die Singstimme und das obere System des Klaviers ergeben, inszeniert Rihm plakativ den Ausdruck des Textes bzw. den Wahnsinn Wölflis.[25]

Die Funktionsweise des Traditionsbezugs im Wölfli-Liederbuch besteht darin, dass die herbeizitierte Musiksprache – ›Volksmusik‹ – als Gefüge von Konventionen zu eindeutigen Hörerwartungen führt. Expression kann dann dadurch entstehen, dass dieses Gefüge zerstört, die Erwartung durchbrochen und so eine (›wahnsinnige‹) Handlung eines Subjekts erlebt wird. Die Tradition und das kompositorische Verfahren der Destruktion müssen einander dabei notwendigerweise fremd bleiben.

John Cages Cheap Imitation für Klavier (1969) verwendet als Material Erik Saties Ballett Socrate (1918), das mittels Zufallsoperationen zu einer einstimmigen Komposition transformiert wird.[26] Cage beschreibt die Bearbeitung der Vorlage im Vorwort:

The I Ching (64 related to 7, 12 etc.) was used to answer the following questions for each phrase (with respect to the melodic line and sometimes to the line of the accompaniment of Erik Satie’s ›Socrate‹): 1. Which of the seven ›white note‹ modes is to be used? 2. Beginning on which of the 12 chromatic notes? Then, in I (for each note, excepting repeated notes): 3. Which note of given transposition is to be used? In II and III original interval-relations were kept for 1/2 measure, sometimes (opening measures and subsequent appearances) for 1 measure[.][27]

Ein Vergleich des Anfangs des dritten Teils von Saties Original mit Cages Cheap Imitation zeigt das Ergebnis dieses Verfahrens:

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Beispiel 44: Erik Satie, Socrate, Teil 3, T. 1–6, Klavierauszug, © Copyright 1973 by Éditions Max Eschig

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Beispiel 45: John Cage, Cheap Imitation, Teil 3, T. 1–6, © Edition Peters

Im Unterschied zu Rihm gibt es bei Cage kein expressives Interesse – die Bearbeitung durch Zufallsoperationen bewahrt im Gegenteil den Komponisten davor, subjektiven Ausdruck in die Musik fließen zu lassen.

Allerdings gibt es auch ein Moment, das Cage mit Rihm verbindet: Sowohl Rihm als auch Cage bearbeiten ihre Vorlage ›von außen‹, d.h. ihre kompositorischen Verfahren leiten sich nicht aus der Syntax der Vorlage ab.[28]

Ben Johnston

All traditions belong to me if I claim them.[29]

Wie verhält sich Johnstons Musik zu den besprochenen Werken von Young und Tenney einerseits und denen von Rihm und Cage andererseits? Johnston arbeitet mit ›Just Intonation‹, aber er komponiert keine ›geschichtslose‹ Musik, bei der Material und Sinn zusammenfallen. Die ästhetischen Perspektiven von Young (mystische Erfahrung des Klangs an sich) und Tenney (Komposition als Phänomenologie) sind in seinen Werken durchaus mit im Spiel. Doch durch die explizite Durchdringung mit Tradition entsteht eine spielerische Ebene, die sich bei Young und Tenney nicht findet: Das Experimentelle der Mikrotonalität[30] spiegelt sich in ganz unterschiedlichen bekannten Musikwelten und umgekehrt. Gerade diese Breite der traditionellen Bezugspunkte unterscheidet Johnstons Verfahren grundsätzlich von den Traditionsanleihen der Neoexpressionisten, die sich vorwiegend auf die Musik um 1900 (Mahler, Berg etc.) bezogen, und stellt zugleich eine Verbindung zu Charles Ives her (insbesondere zu Werken wie der Vierten Sinfonie).

Dabei ist Johnstons Traditionsbezug, der ihn auf den ersten Blick mit den Ansätzen von Rihm und Cage zu verbinden scheint, ein völlig singulärer. Seine Musik ist keine der Dekonstruktion, sondern eine der Rekonstruktion. Ganz entscheidend ist, dass die Traditionen, die durch die ›Just Intonation‹ neuformuliert werden, in Johnstons Werken ein umstrukturiertes funktionales Ganzes bilden: O-Tonality und U-Tonality als Ersatz für Dur und Moll stehen nicht quer zur Komposition einer »Bachʼschen Chaconne«, sondern verbinden sich mit dieser in einer neuen, in sich schlüssigen Welt. (Analoges gilt für die anderen analysierten Verfahren.) Diese Neuformulierung der Tradition ist also gleichzeitig verfremdend und autonom.

Sind nun die traditionellen Vorbilder Mittel zum Zweck? Dienen sie als Vehikel, um die Mikrotonalität besonders plastisch wahrnehmbar zu machen? Oder – umgekehrt: Ist die Mikrotonalität sekundär und eine ›Wiederauferstehung‹ der Tradition die primäre Motivation?

Es wäre falsch, diese Frage eindeutig beantworten zu wollen. Das Spezielle der Johnstonʼschen Musik liegt gerade darin, dass der Hörer zwischen Überraschung (neuartige Klänge und Intonationen) und Wiedererkennen (Tradition) hin und her springt. Die Rolle, die bekannte Elemente dabei spielen, ist durchaus notwendigerweise doppeldeutig: spielerisch und irritierend zugleich. Die zitierten Stile werden nicht ironisiert, sondern bilden das Material für Experimente; sie rücken damit immer wieder auch in Distanz zum Hörer und provozieren eine Reflexion: Alles ist bekannt und zugleich doch fremd.

Zu Beginn seines Textes »Maximum Clarity« verwendet Johnston folgende Metapher: »Imagine looking at home movies when the person running the projector suddenly improves the focus.«[31] Wie wirkt eine Musik, an die wir gewöhnt sind, wenn sie in einer neuen, ›überscharfen‹, mikrotonalen Tonwelt erklingt? Diese experimentelle Frage bildet das Herzstück von Johnstons Eklektizismus. Die Antwort ergibt eine überraschende Hörerfahrung, bei der man – auf durchaus vergnügliche Weise – eine verborgene Welt der eigenen Wahrnehmung kennenlernen kann.

Anmerkungen

1

Johnston/Duffie 1987.

2

Vgl. Sabat 2015.

3

Vgl. Stahnke 2015.

4

Vgl. Childs 1968.

5

Johnston 2006a, 153.

6

Vgl. Shinn 1977.

7

»The four movement Eighth quartet (1986) is one of Johnston’s neo-classical compositions« (Barbiero 2016).

8

Johnston 2006a, 154.

9

Johnston 2006b, 60:48.

10

Vgl. Partch 1974.

11

Vgl. ebd., 88–90.

12

Zum Begriff des harmonischen Raumes vgl. Tenney 1990. Siehe dazu auch die kritischen Anmerkungen in Haas 2014, 149.

13

Zur Einführung in Johnstons Notation vgl. auch Fonville 1991 und Johnston 2006a, 77.

14

b und 7 werden zu einem Symbol zusammengezogen.

15

Johnston 2006b, 1:00:48.

16

Ein Beispiel wäre The Grand Dance am Ende von King Arthur (1691) von Henry Purcell.

17

Vgl. Johnston 2006b, 60:16.

18

Vgl. zum syntonischen Komma auch Haas 2014, 146.

19

Eine analoge Strategie verfolgt Johnston in String Quartet No. 4 (vgl. Shinn 1977).

20

Vgl. auch die Diskussion der Bewertung von ›harmoniefremden Tönen‹ in Haas 2014, 150ff.

21

Vgl. Gann 1993, 143.

22

https://www.youtube.com/watch?v=c3eN4xwADTI (20.2.2017).

23

Vgl. Gann 1993, 143.

24

Vgl. Hiekel 2016, 519f.

25

Musikalischer Sinn ergibt sich durch die übernommenen bzw. destruierten Topoi. Konsequenterweise provoziert die Komposition eine konventionelle Text-Musik-Entschlüsselung; vgl. Gartmann 2012.

26

Zur Bedeutung von Cheap Imitation im Kontext von Cages Gesamtwerk vgl. Pritchett 1993, 162–166.

27

Cage 1970, Vorwort.

28

Für die Diagnose der Vergleichbarkeit beider Ansätze spielt es keine Rolle, dass Rihm einen Stil und Cage eine konkrete Komposition zitiert.

29

Johnston 2006a, 119.

30

Zum utopischen Aspekt mikrotonalen Komponierens vgl. Knipper 2014.

31

Johnston 2006a, 171.

LITERATUR

Barbiero, Daniel (2016), Review of Johnston Quartets 6, 7, 8. http://www.classicalmusiccommunications.com/agency.php?view=news&nid=7758 (20.2.2017)

Cage, John (1970), Cheap Imitation for piano solo, New York: Peters.

Childs, Barney (1968), »Ben Johnston: Quintet for Groups«, Perspectives of New Music 7/1, 110–121.

Fonville, John (1991), »Ben Johnstonʼs Extended Just Intonation: A Guide for Interpreters«, Perspectives of New Music 29/2, 106–137.

Gann, Kyle (1993), »La Monte Youngʼs The Well-Tuned Piano«, Perspectives of New Music 31/1, 134–162.

Gartmann, Thomas (2012), »Zusammentreffen zweier ›Triebtäter‹. Zu Wolfgang Rihms Wölfli-Liedern«, in: Gegen die diktierte Aktualität. Wolfgang Rihm und die Schweiz, hg. von Antonio Baldassarre, Wien: Hollitzer, 17–41.

Haas, Bernhard (2014), »Über Mikrotonalität und Vieltönigkeit, oder: Wie die Musik von Bach bis Wagner das Hören und Denken der vielen Töne beeinflusst hat«, in: Mikrotonalität – Praxis und Utopie, hg. von Cordula Pätzold und Caspar Johannes Walter, Mainz: Schott, 136–152.

Hiekel, Jörn Peter (2016), »Postmoderne«, in: Lexikon Neue Musik, hg. von Jörn Peter Hiekel und Christian Utz, Stuttgart: Metzler / Kassel: Bärenreiter, 514–522.

Johnston, Ben (2006a), Maximum Clarity and other Writings on Music, hg. von Bob Gilmore, Urbana (IL): University of Illinois Press.

––– (2006b), »Who am I? And why am I here?«, Lecture an der University of North Carolina, Greenboro. https://www.youtube.com/watch?v=slXIOTTYpHY (20.2.2017)

Johnston, Ben / Bruce Duffie (1987), Microtonal Composer Ben Johnston. A Conversation with Bruce Duffie. http://www.bruceduffie.com/johnston.html (20.2.2017)

Knipper, Till (2014), »Mikrotonale Intonation. Konzeption und Aufführung von Klaus Hubers ...Plainte... für Viola d’amore« in: Mikrotonaltität – Praxis und Utopie, hg. von Cordula Pätzold und Caspar Johannes Walter, Mainz: Schott, 219–246.

Partch, Harry (1974), Genesis of a Music, New York: Da Capo Press.

Pritchett, James (1993), The Music of John Cage, Cambridge: Cambridge University Press.

Sabat, Marc (2015), »Musik, die wir wirklich brauchen. Ben Johnstons Pantonalität am Beispiel seiner Streichquartette«, MusikTexte 144, 79–86.

Shinn, Randall (1977), »Ben Johnstonʼs Fourth String Quartet«, Perspectives of New Music 15/2, 145–173.

Stahnke, Manfred (2015), »Klavierstimmung als Fessel und Freiheit. Anmerkungen zu Ben Johnstons ›Sonata for Microtonal Piano/Grindlemusic‹«, MusikTexte 144, 87–92.

Tenney, James (1990), »John Cage und die Theorie der Harmonik«, MusikTexte 37, 44–53.

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