Der mediantische Reprisenübergang bei Joseph Haydn und einigen seiner Zeitgenossen zwischen Konvention und Normverstoß
Satztechnische Inszenierung, formale Implikationen und Erklärungsmodelle[1]
Markus Neuwirth
Obwohl unstrittig ist, dass der mediantische Reprisenübergang (V/vi - I) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine gegenüber der üblichen dominantischen Vorbereitung nachrangige Option darstellt, wird in der einschlägigen Literatur kontrovers diskutiert, ob dieses statistische Faktum als Konvention oder Normabweichung zu deuten ist. Im ersten Teil des Beitrags wird zunächst aufgezeigt, dass der mediantische Reprisenübergang durchaus als konventionelle Strategie begriffen werden kann, wenngleich sich die Auffassung, die Mediante III# fungiere als ›alternative Dominante‹ (Webster), auf der Basis traditioneller Begründungsmuster als problematisch erweist. Der zweite Teil befasst sich mit den spezifischen Funktionen, die dem mediantischen Reprisenübergang im Satzganzen zukommen. Es zeigt sich, dass der mediantische Reprisenübergang zum einen durch die prominente Rolle des dritten Skalentons im Hauptthema motiviert ist, zum anderen durch das Bestreben, das Gewicht der V. Stufe vom Ende der Durchführung in das Repriseninnere zu verlagern.
1. Der mediantische Reprisenübergang – Beschreibung und Diskussion eines umstrittenen Phänomens
1.1. Begriffsdefinitionen, historische Bemerkungen, Repertoirebestimmung
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist für die Durchführung von Sonatenformsätzen in Dur – neben den Moll-Tonarten der III. und II. Stufe – insbesondere die Molltonart der VI. Stufe von zentraler Bedeutung.[2] Unzählige Beispiele aus diesem Zeitraum weisen einen entsprechenden Halb- oder Ganzschluss auf, der das Ende der ›Durchführung im engeren Sinn‹ markiert, bevor eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Rückleitungspassage die Modulation in die Grundtonart einleitet.[3] Obwohl das Primat dieses Verfahrens außer Frage steht, darf dennoch die alternative Option, die Rückmodulation auszusparen und unmittelbar auf die Kadenz die I. Stufe der Grundtonart (und mit ihr die Reprise) eintreten zu lassen, keineswegs als Kuriosum abqualifiziert werden. Die aus der Anwendung dieses Verfahrens resultierenden Harmoniefortschreitungen V/vi - I (bzw. III# - I) und vi - I erscheinen in Anbetracht der fehlenden Interpolation einer grundtonartbezogenen Dominantfunktion als elliptische Progressionen.[4] Insofern zwei terzverwandte Tonarten unvermittelt aufeinandertreffen, ließe sich mit Norbert J. Schneider von einer Realisierung »primärer Mediantik« sprechen.[5] Der Fokus der vorliegenden Studie wird auf der halbschlüssigen Variante V/vi - I liegen[6], da zu dieser Form des Reprisenübergangs stark divergierende Ansichten in der Literatur vertreten werden, während dagegen die Variante vi - I unbestritten als eine zwischen ca. 1740 und 1760 weitverbreitete Option gilt. Aufgrund der Großterzverwandtschaft der beiden die Klangfortschreitung realisierenden Akkorde[7] soll die zwischen Durchführung und Reprise vermittelnde harmonische Progression im Folgenden als ›mediantischer Reprisenübergang‹ bezeichnet werden.[8]
Der Begriff ›Mediante‹ wurde in der Literatur nicht seit jeher ausschließlich zur Bezeichnung einer Akkordprogression bzw. -relation gebraucht. Ursprünglich meinte der Begriff den dritten Ton einer Skala. Dabei handelt es sich um eine Bedeutungsvariante, die sich bereits in Johann Gottfried Walthers Musicalischem Lexicon aus dem Jahr 1732 nachweisen lässt: »Mediante (ital.) also heisset diejenige Saite eines Toni oder Modi Musici, welche eine Terz höher als dessen final-Chorde ist.«[9] Ausgehend von dieser Definition verwendete man diesen Terminus in späterer Zeit zur Bezeichnung eines Akkords, der auf dem besagten Skalenelement als Grundton basiert, bevor schließlich der begriffliche Umfang auf eine acht Akkorde umfassende Kategorie ausgedehnt wurde, die von einem gegebenen Bezugsakkord aus gebildet werden konnte.[10] Diesem historischen Bedeutungswandel entsprechend wird der Akkord über der dritten Stufe mit chromatisch hochalterierter Terz ›chromatische Obermediante‹ genannt, die im Kontext der Grundtonart zu den nichtleitereigenen Akkorden zu rechnen ist.[11]
Während dominantische Akkordbeziehungen im Hinblick auf ihren Spannungsgehalt oftmals mit physikalischem Vokabular (Gravitation, Spannungsauflösung) beschrieben werden, wird zur Charakterisierung mediantischer Progressionen bevorzugt auf Metaphern aus dem visuellen Bereich (insbesondere dem des Lichts) zurückgegriffen. Man spricht von einem Farbwechsel, von ›Klangschattierung‹[12], dem Wechsel der Beleuchtung, von ›Eintrübung‹ oder ›Aufhellung‹[13], wobei diese quasi-synästhetischen Zuschreibungen die Möglichkeit einer funktionalen Deutung keineswegs ausschließen, wie zuweilen behauptet wird.[14]
Die nachfolgende Tabelle (Tabelle 1) enthält Kompositionen Joseph Haydns und einiger seiner Zeitgenossen im Zeitraum von 1755 und 1802, die einen ›mediantischen Reprisenübergang‹ aufweisen. Dabei kann nur für Haydns Gattungsbeiträge zu Symphonie und Streichquartett sowie Klaviersonate und Klaviertrio der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Die übrigen Beispiele repräsentieren das Œuvre des jeweiligen Komponisten sowie die Gattung, der sie zugehören, lediglich selektiv. Dass sie hier dennoch angeführt werden, ist durch die zweifache Absicht motiviert, einerseits dem Leser einen Eindruck vom vielfältigen Gebrauch des ›mediantischen Reprisenübergangs‹ zu vermitteln, andererseits zukünftigen Forschungsarbeiten eine Repertoirebasis zu bieten, von der ausgehend detaillierte gattungs-, zeitraum- und komponistenspezifische Untersuchungen erfolgen können.[15]
Gattung | Komponist | Komposition | Jahr | Tonart | Lokalisierung | Erscheinungs-form der Mediante |
Symphonie | J. Haydn | Nr. 48,ii | 1769? | F-Dur | T. 50–53 | 8/3 → 8 |
Nr. 50,iv | 1773 | C-Dur | T. 125–127 | 8/3 → 8 | ||
Nr. 54,ii | 1774 | C-Dur | T. 73–75 | 8/5/3 → 8 | ||
Nr. 80,iv | 1784 | D-Dur | T. 179–186 | 8 | ||
Nr. 85,i | 1785/86 | B-Dur | T. 191–212 | 8(/5)/3 | ||
Nr. 90,i | 1788 | C-Dur | T. 139–153 | 8/5/3 → 8 | ||
Nr. 99,ii | 1793 | G-Dur | T. 52–54 | 8/5/3 | ||
Concertante Symphonie | Hob. I:105,i | 1792 | B-Dur | T. 159–163 | 8/5/3 | |
Symphonie | M. Haydn | Perger 17 | 1783 | Es-Dur | T. 129–137 | 8/5/3 |
W.A. Mozart | KV 132,ii (altern. Satz) | 1772 | B-Dur | T. 32–33 | 8/5/3 | |
KV 199,iii | 1773 | G-Dur | T. 141–153 | 8/5/3 → 3 | ||
M. Clementi | op. 18,1,i | 1787 | B-Dur | T. 112–124 | 8/5/3 | |
Streichquartett | J. Haydn | op. 1,2,v | ca. 1755 | Es-Dur | T. 54–55 | 8 |
op. 9,3,iii | 1768–70 | C-Dur | T. 40–41 | 8/5/3 → 8 | ||
op. 17,2,iii | 1771 | B-Dur | T. 47–53 | 8/5/3 → 8 | ||
op. 54,3,i | 1788 | E-Dur | T. 103–107 | 8/3 | ||
op. 64,6,i | 1790 | Es-Dur | T. 95–98 | 8/5/3 | ||
op. 74,2,i | 1793 | F-Dur | T. 164–175 | 8/5/3 → 8 | ||
C. Ditters von Dittersdorf | Nr. 1,i | 1788 | D-Dur | T. 86–88 | 8/5/3 → 8 | |
Nr. 3,i | 1788 | G-Dur | T. 112–115 | 8/5/3 | ||
W.A. Mozart | KV 590,ii | 1789 | C-Dur | T. 58–63 | 8/5/3 → 8 | |
Klaviersonate | J. Haydn | Hob. XVI:29,ii | 1776 | B-Dur | T. 21–22 | 8/5/3 → 1 |
W.A. Mozart | KV 280,iii | 1775 | F-Dur | T. 105–108 | 8/5/3 | |
KV 283,ii | 1775 | C-Dur | T. 22–24 | 8/5/3 → 8/3 → 8 | ||
J. Myslivicek | Nr. 1,i | um 1777 | C-Dur | T. 39–43 | 8/3 | |
Nr. 4,i | um 1777 | F-Dur | T. 46–48 | 8/3 → 1 | ||
M. Clementi | op. 12,2,i | 1784 | Es-Dur | T. 119–121 | 5/3 | |
op. 13,5,iii | 1785 | F-Dur | T. 70–76 | 8 | ||
WoO 3,i | 1790 | F-Dur | T. 73–76 | 8/3 | ||
op. 25,2,i | 1790 | G-Dur | T. 87–91 | 8/5/3 → 8 | ||
op. 25,6,i | 1790 | D-Dur | T. 66–68 | 8/3 | ||
op. 34,1,i | 1795 | C-Dur | T. 131–139 | 8/3 | ||
Klaviertrio | J. Haydn | Hob. XV:27,iii | 1796 | C-Dur | T. 149–163 | 8/3 |
W.A. Mozart | KV 548,ii | 1788 | F-Dur | T. 50–56 | 8/3 | |
Violinsonate | L. van Beethoven | op. 24,i | 1801 | F-Dur | T. 116–124 | 8/5/3 → 8 |
Messe | J. Haydn | Harmoniemesse, Kyrie | 1802 | B-Dur | T. 83–84 | 8/5/3 |
Tabelle 1: Mediantische Reprisenübergänge bei Haydn und Zeitgenossen
In der rechten Spalte bezeichnet »3« die Akkordterz, »5« die Akkordquinte und »8« bzw. »1« den (oktavierten) Akkordgrundton der Mediante; »→« denotiert den Übergang von einer Erscheinungsform der Mediante in eine andere.
1.2. Der mediantische Reprisenübergang – Normabweichung oder Konvention?
Während der unvermittelte Übergang von einem Ganzschluss der parallelen Molltonart in die Reprise um die Mitte des 18. Jahrhunderts nachweislich häufig genutzt wurde[16], begegnet man der Option, die Reprise im Anschluss an eine Semikadenz in der Tonart der Submediante eintreten zu lassen, weitaus seltener. Konsultiert man die einschlägige Forschungsliteratur, um eine Antwort auf die Frage nach der Provenienz und Genese einerseits, sowie nach der Häufigkeit und Konventionalität des mediantischen Reprisenübergangs andererseits zu erhalten, so überrascht die Vielfalt der diesbezüglich vertretenen Ansichten. Ein und dasselbe Phänomen wird je nach Autor als Konvention, als seltenes Ereignis oder gar als Normabweichung bzw. Überraschungseffekt beschrieben. Ob diese differierenden Einschätzungen auf unzureichende Kenntnis der Fallbeispiele zurückzuführen sind oder auf Unterschiede hinsichtlich des zugrundeliegenden Normbegriffs, lässt sich dabei zumeist nur schwer entscheiden.
James Hepokoski und Warren Darcy etwa liefern in ihrer jüngst erschienenen Monografie Elements of Sonata Theory folgende allgemeine Einschätzung des mediantischen Reprisenübergangs: »[…] the juxtaposition, V/vi - I, had a long history of occasional use (second-level-default use, as an alternative to VA).«[17] Mit der Spezifizierung des Tendenzausdrucks ›gelegentlich‹ durch den Begriff »second-level-default«[18], der anzeigt, dass es sich um die zweithäufigste Option nach der üblichen dominantischen Vorbereitung handelt, geben die Autoren allerdings lediglich Auskunft über die Rangordnung formaler Optionen; eine statistische Präzisierung absoluter Häufigkeiten sowie eine genaue Definition des Repertoires, das ihrer Untersuchung zugrunde liegt, bleiben sie schuldig.
Die musiktheoretische Literatur diskutiert mediantische Reprisenübergänge vor allem im Schaffenskontext Joseph Haydns, auch wenn in der Regel die Tatsache anerkannt wird, dass diese keineswegs ein Spezifikum der Haydnschen Kompositionspraxis darstellen. Ein Dissens besteht jedoch hinsichtlich der Frage, in welcher Schaffensphase Haydns dieses Phänomen vorwiegend zu verorten sei. So behauptet beispielsweise Harold Andrews, Haydn habe bevorzugt um 1790 von der Option der mediantischen Reprisenartikulation Gebrauch gemacht.[19] Der Tendenz dieser Feststellung stimmt auch George Edwards zu:
[…] this is a hinge which is increasingly frequent in the 1780s and 1790s. A recapitulation which follows such a hinge will rarely be in hurry to raise new problems, not because a dominant-of-the-submediant hinge is strange or unconventional (it is a Baroque cliché), but because it makes the tonic feel so relaxed.[20]
In Übereinstimmung mit Andrews und Edwards beobachtet Schwarting bezüglich der Verwendung mediantischer Reprisenübergänge einen in schaffenschronologischer Hinsicht signifikanten Unterschied zwischen Haydn und W.A. Mozart: »Im Gegensatz zu Mozart, der solche Überraschungseffekte später meidet, finden wir, daß Haydn sie bis in die späten Werke verwendet.«[21] Anders als die genannten Autoren betrachtet Schwarting mediantische Reprisenübergänge als »Überraschungseffekte«, die im Hinblick auf die Harmonik spannungsarm wirken und daher bevorzugt im spätbarocken (bzw. frühklassischen) Kontext formaler Reihung zur Anwendung gelangten.[22]
Die Auffassung, die zwischen formalen Gelenkstellen vermittelnde mediantische Progression sei ein Derivat einer barocken Kompositionspraxis, hat in der einschlägigen Forschungsliteratur weitgehend Anerkennung gefunden.[23] Die mediantische Fortschreitung fungierte dabei ursprünglich insbesondere als Bindeglied zwischen zwei Sätzen eines mehrteiligen Instrumentalzyklus (vor allem zwischen einem langsamen zweiten Satz und einem schnellen Finale) wie etwa in J.S. Bachs Brandenburgischen Konzerten Nr. 1 (BWV 1046), Nr. 3 (BWV 1048), Nr. 4 (BWV 1049) und Nr. 6 (BWV 1051). Francesco Gasparinis 1708 erschienener Traktat L’Armonico Pratico al Cimbalo ist eine frühe historische Quelle, die die mediantische Progression an formalen Gelenkstellen thematisiert und dabei die Bedeutung dieser Klangfortschreitung im Kontext von Vokalkompositionen hervorhebt:
Alle volte la Composizione fa una specie di Cadenza fermandosi su la Nota con Terza maggiore, e poi ripiglia mutando il Tono alla Terza sotto, e fa un certo principio; allora quella Nota non vuol Sesta, ma Quinta. Ciò si pratica nelle Composizioni Vocali tanto Ecclesiastiche, quanto volgari, e profane da Camera, o da Teatro: e si usa nel terminar un periodo interrogativo, o ammirativo, e poi attaccar l’ altro; e per ordinario si pratica in stil Grave, o Recitativo.[24]
Bezeichnenderweise enthalten die Notenbeispiele, anhand derer Gasparini den mediantischen Übergang veranschaulicht, einen ›phrygischen Halbschluss‹, wodurch die Auffassung gestützt wird, das Verfahren, die Mediante kurz vor Beginn eines neuen Formteils durch eine phrygische Halbschlusswendung (›Mi-Klausel‹ im Bass) herbeizuführen, wie es in einem Großteil der oben angeführten Kompositionen (siehe Tabelle 1) geschieht, hätte seinen Ursprung im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert gehabt. Zwei wesentliche Unterschiede zur barocken Kompositionspraxis sind allerdings festzuhalten: 1.) Anstatt die Mediante – wie in barocken Kompositionen – über einen nicht-alterierten Sextakkord zu erreichen, geschieht dies in den Kompositionen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zumeist über einen übermäßigen (Quint)Sextakkord mit halbtönig auseinanderstrebenden Außenstimmen. 2.) Während der mediantische Übergang in der barocken Kompositionspraxis satzübergreifend zwischen den Teilen eines Zyklus vermittelt, ist er in der nachfolgenden Periode an formalen Gelenkstellen des Satzinneren anzutreffen.[25]
Die Frage, ob die barocke Provenienz der mediantischen Klangfortschreitung zugleich ihre Konventionalität im veränderten formalen und historischen Kontext des späten 18. Jahrhunderts garantiere, wird denkbar unterschiedlich beantwortet. Moosbauer etwa, der im Ergebnis mit der oben angeführten Ansicht Edwards’ übereinstimmt, scheint diese Frage zu bejahen: »In [Haydns Symphonie] Nr. 50 ist der Reprisenbeginn nach dem Halbschluß auf der V. Stufe in der Fernpunkttonart ›a‹ weniger überraschend. Denn zum einen tritt in den Takten 85/88 die gleiche harmonische Konstellation, nur in anderen Tonartenbereichen auf […], zum anderen ist diese Art des Anschlusses eines neuen Abschnitts aus der Musik des Barocks adaptiert, hier jedoch in eine neue Situation versetzt, nämlich in einen Satz.«[26] Eine diametral entgegengesetzte Schlussfolgerung aus der barocken Provenienz des mediantischen Reprisenübergangs zieht Schwarting, bei dem ausdrücklich von einem Überraschungseffekt die Rede ist.
Gegenüber den angeführten polaren Auffassungen scheint James Webster eine schillernde Zwischenposition einzunehmen. Webster behandelt die mediantische Artikulation der Reprise unter der Überschrift »Unusual and ›weak‹ preparations for the reprise«.[27] Das Adjektiv ›ungewöhnlich‹ kann hier zweierlei bedeuten: 1.) ›Ungewöhnlich‹ im Sinne von ›selten‹. Der zugrunde liegende Maßstab wäre hier eine häufigkeitsstatistische Norm innerhalb eines näher zu definierenden Zeitabschnittes.[28] 2.) ›Ungewöhnlich‹ vor dem Hintergrund einer abstrakten Norm, gegen die beliebig häufig verstoßen werden kann (wie beispielsweise im Falle eines Trugschlusses), ohne dass ihre Gültigkeit (nämlich die der ›Normalkadenz‹) in Frage gestellt werden würde. Die Wahrnehmung des mediantischen Reprisenübergangs wäre in diesem Fall nicht empfänglich für das faktische Wissen um die statistische Häufigkeit der besagten Klangfortschreitung.[29]
Auch weshalb Webster das Attribut ›schwach‹ (›weak‹) in Anführungszeichen setzt, bleibt unklar. Entweder möchte er damit anzeigen, es handle sich um einen metaphorisch gemeinten Ausdruck, oder er beabsichtigt, sich von der Auffassung zu distanzieren, der so bezeichnete harmonische Übergang würde den Repriseneintritt tatsächlich inadäquat artikulieren.
An späterer Stelle relativiert Webster die Kapitelüberschrift, indem er dezidiert auf die Konventionalität mediantischer Reprisenübergänge aufmerksam macht: »To a far greater extent than is generally recognized, in fact, it remained common throughout the Classical period; both Haydn and Mozart often employed it.«[30] Doch nicht nur die Einschätzung, die mediantische Reprisenartikulation sei eine legitime kompositorische Option gewesen, sondern auch ihre zeitliche Einordnung ist hier von Interesse, da sie von früheren Autoren signifikant abweicht: »Characteristically, the secondary literature focuses exclusively on Haydn’s late music in this connection. In fact, however, he began to exploit the V/vi - I retransition as a normal resource around 1770.«[31] Im Gegensatz zu Andrews und Edwards setzt Webster den Zeitpunkt, zu dem Haydn die mediantische Reprisenartikulation als »normale Ressource« zu nutzen begann, 20 Jahre früher an – eine Behauptung, die auch durch die Untersuchungen von Mark E. Bonds gestützt wird.[32]
Für die Konventionalität mediantischer Reprisenübergänge spricht ferner, dass Haydn um das Jahr 1770 in einer Reihe von Kompositionen auf Halbschlüsse in der parallelen Molltonart auch zu Beginn der Durchführung zur Vorbereitung sogenannter ›medial returns‹[33] (der simultanen Rückkehr von Grundtonart und Hauptthema)[34] sowie vor ›falschen Reprisen‹ oder subdominantischen Reprisenanfängen zurückgegriffen hat.[35] Würde es sich dabei um eine ›ungewöhnliche‹ und ›schwache‹ Reprisenvorbereitung handeln, so wäre es inkonsistent, gleichzeitig zu behaupten, Haydn hätte diese Option zur Vorbereitung (vermeintlich) ›falscher Reprisen‹ benutzt, wenn es ihm doch um die Täuschung seiner Hörerschaft zu tun war, die nur gelingen konnte, sofern er auf eine größtmögliche Ähnlichkeit zwischen ›falscher‹ und ›tatsächlicher Reprise‹ achtete.[36] Auffällig ist darüber hinaus auch eine charakteristische Standardisierung der satztechnischen Verfahren, die noch zu erläutern sein wird (siehe unter 1.4.). All diese Aspekte zusammengenommen legen die Schlussfolgerung nahe, dass mediantische Reprisenübergänge im 18. Jahrhundert als gängige Variante neben der dominantischen Vorbereitung betrachtet wurden.
1.3. Die chromatische Mediante (III#) als ›alternative Dominante‹?
James Webster begreift die um 1770 unmittelbar vor der Reprise auftretende Mediante als eine Art ›alternative Dominante‹, die eine Variante der damals üblichen dominantischen Reprisenvorbereitung darstellt.[37] Damit wendet er sich explizit gegen Charles Rosens Auffassung, der mediantische Reprisenübergang sei nur eine Spielart der um 1750 konventionellen, das Durchführungsende markierenden Vollkadenz in der parallelen Molltonart gewesen.[38] Bereits Jan LaRue äußerte die Vermutung, dass die mediantische Verbindung zweier Sätze in barocken Kompositionen nur deswegen gelingen konnte, weil die Mediante III# gewissermaßen als der eigentlichen Dominante gleichwertig, als »full-ranking dominant substitute«, empfunden wurde.[39] Dies sei LaRue zufolge darauf zurückzuführen, dass die besagte harmonische Progression aus einem geschichtlich zwischen dem modalen und tonalen System verorteten Entwicklungsstadium, das er als ›bifocal tonality‹ bezeichnet, hervorgegangen sei.[40] Doch welche Eigenschaften der Mediante und welche Weisen ihrer Kontextualisierung legitimieren die Auffassung, sie könnte (insbesondere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts) als ›alternative Dominante‹ fungiert haben?
Fokussiert man zunächst auf Übereinstimmungen des materialen Substrats bzw. auf die materiale Identität, so kann lediglich auf einen gemeinsamen Ton verwiesen werden, den Mediante und Dominante teilen: Beide Akkorde enthalten den siebten Ton der Dur-Skala, der in der V. Stufe als Akkordterz (mit leittöniger Strebetendenz), in der Mediante hingegen als Akkordquinte und damit als relativ stabiles Element in Erscheinung tritt. Die Tatsache, dass sowohl V/vi als auch V/iii den Leitton der Grundtonart aufweisen und damit ein notwendiges Kriterium dominantischer Funktionalität erfüllen, gewährleistet nach Auffassung moderner Theoretiker die Substituierbarkeit einer regulären Dominante durch jeden dieser beiden Akkorde.[41] Auf die funktionsbestimmende Bedeutung des Leitttons haben etwa Rudolf Louis und Ludwig Thuille in ihrer Harmonielehre bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufmerksam gemacht:
Ob und im Sinne welcher Dominante (Ober- und Unterdominante) ein solcher Terzschritt cadenzähnlich wirken könne, wird in erster Linie immer von dem Vorhandensein des charakteristischen Leittons abhängen: der in die Tonica aufwärts führende Leitton charakterisiert die specifische Dominantwirkung, der in die Dominante abwärtsführende Leitton in ähnlicher Weise die Wirkung der Unterdominante.[42]
Drei Argumente sprechen gegen eine substratbasierte Begründung von Websters These, die Mediante sei als ›alternative Dominante‹ zu verstehen. Das erste Argument ist ›empirischer‹ Natur und beruht auf der Beobachtung, dass der Mediante häufig, da sie den Schlussakkord einer phrygischen Halbkadenz bildet, gerade der vermeintliche Leitton (die Akkordquinte) fehlt.[43] Als satztechnisch viel entscheidender erweist sich der Mediantgrundton, über den in der Regel die tonzentrale Modulation erfolgt. (Darauf wird im folgenden Abschnitt, der sich der lokalen satztechnischen Gestaltung widmet, näher eingegangen.)
Der zweite Einwand ist grundsätzlicher Natur und von der faktischen Kompositionspraxis unabhängig: Die Tatsache, dass der siebte Skalenton innerhalb der Mediante die Quinte des Akkordes bildet, lässt seine Charakterisierung als ›Leitton‹, der in der Regel als Akkordterz der V. Stufe auftritt, prekär erscheinen.[44] Argumentierte man einzig mit der Anwesenheit des Leittons, dann bliebe immerhin noch zu klären, weshalb V/vi weitaus häufiger in der Funktion einer ›alternativen Dominante‹ eingesetzt wurde als V/iii.[45] Es scheint, als sei diese Argumentation nicht in der Lage, die spezifische Differenz zwischen diesen beiden Akkordprogressionen zu erfassen. Hepokoski und Darcy liefern eine auf der ›Neo-Riemannian theory‹ basierende Alternativerklärung, die das diachrone Verhältnis zwischen der Mediante V/vi bzw. V/iii und der darauffolgenden I. Stufe in die Überlegung miteinbezieht: »In transformational-theory terms, however, V/iii to I involves a more radical shift, since there are no common tones between the two chords.«[46] Entscheidend ist also nicht nur das ›paradigmatische‹ Verhältnis von Dominante und Mediante, sondern darüber hinaus die ›syntagmatische‹ Beziehung von Mediante und anschließender Tonika, welches sich in der Anzahl gemeinsamer Töne manifestiert.[47] Freilich ist das Kriterium der bloßen Anzahl gemeinsamer Töne nicht hinreichend: So könnte etwa auf einen um den Grundton verkürzten Dominantseptnonakkord problemlos die Tonika folgen, auch wenn die beiden Akkorde überhaupt keinen gemeinsamen Ton aufweisen, und zwar wegen der Ähnlichkeit des Ausgangsakkords mit einer gewöhnlichen Dominante. Folglich müsste V/iii mit einer regulären Dominante verglichen werden, mit der sie – ebenso wie V/vi – einen Ton (und zwar ausgerechnet den vermeintlichen Leitton) teilt.
Ein dritter Einwand beruht auf der Annahme, der Quintabstand der Grundtöne zweier Akkorde sei eine notwendige Voraussetzung dafür, dass der quinthöhere Akkord die Funktion einer Dominante übernehmen und den nachfolgenden Akkord zur Tonika erklären kann. So äußert sich Heinrich Schenker in seiner Harmonielehre ausgesprochen skeptisch gegenüber der Substituierbarkeit der Dominante durch eine Dur-Mediante, selbst wenn deren Auflösungstendenz durch Hinzufügung einer kleinen Septime gesteigert wird (was im Übrigen für keinen der hier untersuchten Fälle zutrifft):
So kann denn im Falle der Anwendung eines eindeutigen V7-Akkordes die Wirkung desselben bei fallendem Terzschritt nicht so rein tonikalisierend ausfallen, wie sie ebendemselben V7-Akkord bei fallender Quinte durchaus eigen ist. Bei Terzschritten entfällt eben für die Chromatik, soweit es nur auf diese allein ankommt, die Möglichkeit, eine ähnlich prägnante tonikale Wirkung auszulösen, wie es beim fallenden Quintschritt der Fall ist, und zwar, weil es unmöglich ist, auf der tonikalisierenden Stufe einen eindeutigen Akkord bereits mit derselben tonikalen Wirkung erzielen, wie sie demselben eindeutigen Akkord bei Quintfall beschieden ist.[48]
Anstelle einer tonikalisierenden Wirkung bringt die mediantische Progression Schenker zufolge einen dem Trugschluss vergleichbaren Effekt hervor.[49]
Macht man die Gemeinsamkeiten von Mediante und Dominante nicht an ihren intrinsischen Eigenschaften (materiales Substrat), sondern an ihrem praktischen Gebrauch (Funktion) fest, so ist lediglich zu konstatieren, dass die Mediante – ebenso wie die Dominante – an formalen Gelenkstellen dem Eintritt der Tonika vorausgehen kann. Die bloße, statistisch häufige Assoziation zweier Akkorde (wobei die funktionale Bedeutung des zweiten Akkords als Tonika außer Frage steht) liegt als Kriterium zur Bestimmung harmonischer Funktionalität folgender Äußerung LaRues zugrunde:
To judge from numerous examples in the seventeenth and eighteenth centuries, what to modern ears seems an unusual resolution of the dominant of B minor to a D-major tonic apparently did not sound strange in earlier centuries.[50]
Implizit wird damit ausgesagt, der häufige Gebrauch einer Akkordprogression im Kontext einer konkreten historischen Situation determiniere im Wesentlichen deren musikinterne Bedeutung: Eine V. Stufe erhielte ihre funktionalen (dominantischen) Qualitäten nicht einzig aufgrund der Tatsache, dass ihr Grundton eine Quinte höher liegt als der Tonikagrundton, sondern vor allem aufgrund hoher statistischer Übergangswahrscheinlichkeiten. Auch dieses Argument ließe sich leicht mit dem Hinweis ad absurdum führen, dass dann jeder Akkord, der der I. Stufe statistisch häufig vorausgeht, dominantisch sein müsste.
Auf der Basis der hier diskutierten Begründungsmuster erscheint die These, die Mediante hätte im Kontext des Reprisenübergangs als ›alternative Dominante‹ fungiert, wenig überzeugend.
1.4. Zum lokalen Kontext: Möglichkeiten der satztechnischen Gestaltung des mediantischen Reprisenübergangs
Die folgenden Ausführungen, die sich den Besonderheiten der satztechnischen Inszenierung mediantischer Reprisenübergänge widmen, stellen die Substitutionsthese (bzw. deren traditionelle Begründungsmuster) zusätzlich in Frage, indem sie aufzeigen, dass der Leitton als akkordischer Bestandteil der Mediante für die besagte Klangfortschreitung oftmals eine denkbar geringe Rolle spielt. Darüber hinaus wird der verbreiteten Ansicht widersprochen, Haydn habe im Gegensatz etwa zu Beethoven »die feinen Abstufungen von Mediantik« nicht gekannt und zumeist auf einen »drastischen mediantischen Effekt« abgezielt.[51]
Am Ende der Durchführung tritt die Mediante ausnahmslos in Grundstellung in Erscheinung. Daneben lässt sich eine Präferenz für die Oktavlage beobachten; Terz- oder Quintlage sind demgegenüber seltener. Dieser Befund kann darauf zurückgeführt werden, dass die Mediante häufig aus einem übermäßigen (Quint-)Sextakkord mit halbtönig auseinanderstrebenden Außenstimmen hervorgeht. Da der Grundton der Mediante die dritte Tonstufe der neuen Tonart bildet, bietet sich die Option, den gemeinsamen Ton in der Oberstimme zu exponieren, um auf diese Weise über den relativ schwachen harmonischen Konnex hinweg eine Verknüpfung in der Stimmführung zu schaffen.
Betrachten wir das spezifische Verhalten der anderen beiden Stimmen: Der im Bass liegende Mediantgrundton springt in der Regel terzweise in den Grundton der Tonika. Dieser kann alternativ auch durch eine Skalenbewegung anvisiert werden (z.B. in Haydns op. 20, Nr. 3,iii, T. 65–66, vor einem subdominantischen Reprisenbeginn).
Dass die Terz der Mediante, die als dominantischer Leitton im Kontext der parallelen Molltonart die Tendenz hat, sich in den oberen Halbton aufzulösen, in der Progression V/vi - I gegen ihre ursprüngliche Tendenz halbtönig nach unten geführt wird (z.B. in Haydns Symphonie Nr. 95,iv in C-Dur, Sonatenrondo, T. 105–106), haben Theoretiker wie Louis und Thuille dadurch zu erklären versucht, dass – etwa im Kontext von C-Dur – das gis der Mediante enharmonisch als as verstanden werden könne.[52] Diese Deutung erweist sich allerdings als problematisch, da sie einen chromatischen Halbton zu einem diatonischen erklärt.
Um die klangliche Härte, den Rückungseffekt der Fortschreitung V/vi - I, der durch die Verwendung vollständiger Akkorde entstehen würde, abzuschwächen, kann die Mediante optional nach Erreichen des Halbschlusses auf einen Einzelton (in der Regel auf den Grundton, den er mit dem Folgeakkord teilt) reduziert werden, um so die Modulation über den gemeinsamen Ton erfolgen zu lassen, der mit Reprisenbeginn im Kontext der Grundtonart als dritter Skalenton reinterpretiert wird.[53] Bis zum Eintritt der Reprise repräsentiert dieser Ton den in Gedanken fortgetragenen Akkord der Mediante.[54] Das Verfahren, die Mediante auf ihren Grundton zu reduzieren, stellt ein probates Mittel dar, das Problem eines abrupten harmonischen Übergangs zur Tonika zu mildern, da auf diese Weise der Querstand zwischen Mediantterz und Tonikaquinte vermieden wird.[55] Die Tatsache, dass darauf in zahlreichen Kompositionen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückgegriffen wird (z.B. Haydn in den Symphonien Nr. 80,iv; Nr. 85,i; 90,i; im Streichquartett op. 74 Nr. 2,i; im Klaviertrio Hob. XV:27,iii; im Klavierkonzert Hob. XVIII:11,iii; Beethoven in der Violinsonate op. 24,i; Dittersdorf im D-Dur-Streichquartett Nr. 1,i), kann man als Indiz dafür werten, dass es sich eben nicht um die bruchlose Fortführung einer barocken Praxis handelt, da jene den Querstand in der Regel nicht zu umgehen suchte.[56]
Ein wesentlicher Effekt der Reduktion auf einen Einzelton und dessen zeitlicher Dehnung besteht darin, dass der Hörer die Orientierung im zuvor etablierten Bezugsrahmen der parallelen Molltonart verliert und deswegen eher dazu neigt, den neu einsetzenden Akkord als Tonika zu akzeptieren. Eine vergleichbare Wirkung kann auch durch die Interpolation von Pausen (häufig verlängert durch Fermaten) zwischen Mediante und Tonika erzielt werden. Ebenso lässt sich durch eine Fermate auf dem Akkord der Mediante ein Moment des Stillstandes erzeugen und dadurch der Wahrnehmung der mediantischen Akkordfolge als zusammenhängende harmonische Progression entgegenwirken.
Ob der Grundton der Mediante als gemeinsamer Ton in der Oberstimme liegen bleibt, hängt mitunter von der Beschaffenheit des Hauptthemas ab, insbesondere davon, ob der dritte Skalenton gleich zu Beginn des Hauptthemas eine prominente Rolle spielt (dies wird unter 2.2., 2.5., und 2.6. eingehend erläutert). Ist dies nicht der Fall und das Hauptthema hebt etwa mit dem Grundton in der Oberstimme an, kann – wie etwa in Haydns Symphonie Nr. 85 (1. Satz, T. 211–212) oder Dittersdorfs Streichquartett Nr. 1 in D-Dur (1. Satz, T. 87–88) – zwischen dem dritten und ersten Ton in der Regel durch ein lineares Segment (Halbton, Halbton, Ganzton) vermittelt werden. Wird die Reprise dagegen mit dem fünften Ton initiiert, so bietet sich ein aufsteigendes, die kleine Terz halbtönig durchschreitendes Segment an, wie etwa im 1. Satz von Haydns Sinfonia Concertante Hob. I:105 (T. 162–163), wo sich der dritte Ton aus dem Akkordkomplex der Mediante herauslöst. Dieses chromatisch aufsteigende Terz-Segment wird auch verwendet, wenn der fünfte Skalenton durch einen Dominantsextakkord harmonisiert ist (wie etwa im 1. Satz von Haydns Symphonie Nr. 90, T. 153–156).
Von der Option, die Akkordquinte der Mediante (und damit den vermeintlichen Leitton der neuen Tonart, die mit Reprisenbeginn erreicht wird), in der Oberstimme erscheinen zu lassen (wie etwa im Kyrie von Haydns Harmoniemesse, T. 83–84, oder in Muzio Clementis Klaviersonate op. 12 Nr. 2,i, T. 119–121), machten die Komponisten eher selten Gebrauch. Noch seltener tritt die Mediante in Terzlage auf (z.B. in Clementis F-Dur-Klaviersonate WoO 3,i, T. 73–76; in Mozarts F-Dur-Klaviersonate KV 280,iii, T. 105–108 oder in seiner G-Dur-Symphonie KV 199,iii, T. 141–153).
Eine weitere Möglichkeit, den Rückungseffekt abzumildern, ist harmonischer Natur und besteht in der Interpolation einer grundtonartbezogenen Dominantfunktion (z.B. in Beethovens Symphonie Nr. 1, op. 21,i, T. 171–178; die Interpolation erfolgt hier, nachdem die Mediante bereits auf ihren Grundton reduziert wurde). Bevorzugt steht die Dominante zunächst als Terzquartakkord über der durchgehenden zweiten Bassstufe, um anschließend in einen Quintsextakkord oder in einen Grundstellungsakkord überführt zu werden (V/vi - V4/3 - V - I: Mozarts Es-Dur-Klaviertrio KV 498,i, komponiert 1786, T. 64–74). Ferner liegt eine häufig verwendete Option darin, die halbschlüssige Dominante (chromatische Dur-Mediante) in einen gleichnamigen Mollakkord zu transformieren, um daran die Dominante der Grundtonart (stets als Septimakkord in verschiedenen Stellungen) anschließen zu können (V/vi - iii - V7 - I: Haydns C-Dur-Symphonie Nr. 56,i, T. 159–165; sowie Mozarts B-Dur-Klaviertrio KV 502,i, komponiert 1786, T. 112–118; V/vi - iii - V6/5 - I: Haydns C-Dur-Streichquartett op. 76 Nr. 3,i (T. 65–79); V/vi - iii - V4/3 - V7 - I: Mozarts F-Dur-Klaviersonate KV 332,i, T. 126–133; V/vi - iii - V4/3 - V6/5 - I: Haydns G-Dur-Streichquartett op. 64 Nr. 4,i, T. 58–61; V/vi - iii - V4/3 - I: Mozart: Klaviertrio KV 496, 2. Satz in C-Dur, komponiert 1786, T. 61–64). Aufgrund dieser harmonischen Zwischenschritte rückt der vermittelte mediantische Übergang in die Nähe der Option eines Ganzschlusses in der Tonart der iii. Stufe, bei der – nach Interpolation eines Dominantterzquartakkords – ebenso eine stufenweise Bassbewegung (3-2-1) entsteht (wie z.B. in Haydns E-Dur-Klaviersonate Hob. XVI:22,i, T. 40–42, oder in seinem C-Dur-Streichquartett op. 33 Nr. 3,i, T. 108–111; in Leopold Kozeluchs G-Dur-Streichquartett, op. 32 Nr. 2,i, T. 116–118 oder in Clementis Es-Dur-Klaviersonate op. 12 Nr. 4,i, T. 67–68).[57] Ein genetisches Verhältnis zwischen den dargelegten Optionen festzustellen, dürfte schwerfallen.
Der als Sonatenrondo angelegte dritte Satz aus Haydns Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur Hob. VIIe:1 (T. 168–181) zeigt ein besonders interessantes Verfahren, bei dem der Mediante (als Septakkord) eine kleine None hinzufügt wird (T. 173), um daraufhin das obere Terzintervall f1-as1 zu isolieren und durch die Unterlegung mit dem Ton B, der durch einen Halbtonschritt aus dem H (Leitton des um den Grundton verkürzten Dominantseptnonakkords der relativen Molltonart) hervorgeht, als Quinte und Septe des grundtonartbezogenen Dominantseptakkords zu rekontextualisieren.[58]
Die erläuterten satztechnischen Verfahren machen deutlich, dass Norbert J. Schneiders eingangs erwähnte Einschätzung, Haydn würde die feinen Abstufungen der Mediantik nicht kennen und zumeist auf einen drastischen mediantischen Effekt abzielen, vollkommen unzutreffend ist. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass der mediantische Reprisenübergang keine bloße Fortsetzung der barocken Kompositionspraxis darstellte, sondern diese vielmehr maßgeblich transformierte. Schließlich dürfte drittens deutlich geworden sein, dass sich die lokale satztechnische Gestaltung mediantischer Reprisenübergänge nicht grundsätzlich von mediantischen Übergängen zu anderen Formteilen (›medial returns‹, ›falsche Reprisen‹, subdominantische Reprisenanfänge oder Ritornelle in Sonatenrondos oder Sätzen in Konzertform) unterscheiden.
2. Der mediantische Reprisenübergang im Kontext der Sonatenform: Einige Erklärungsstrategien
Neben der oben beschriebenen Kontroverse im Hinblick auf die Genese, Häufigkeit und Konventionalität des mediantischen Reprisenübergangs begegnet man in der musiktheoretischen bzw. -analytischen Literatur auch unterschiedlichen (partiell einander widersprechenden) Erklärungsstrategien, die das Phänomen im Kontext der Sonatenform zu situieren versuchen. Bevor die verschiedenen Ansätze anhand konkreter Beispielkompositionen diskutiert werden, sei zunächst das gegenwärtig dominierende Paradigma der Sonatensatzform, vor dessen Hintergrund diese Ansätze erst an Kontur gewinnen, in seinen Grundzügen skizziert.
2.1. Die ›Standardtheorie der Sonatenform‹ – Einführung in ein theoretisches Paradigma
Das vorherrschende theoretische Paradigma der Sonatenform, wie es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von zahlreichen prominenten Musiktheoretikern überwiegend des angelsächsischen Sprachraums vertreten wurde[59], basiert im Kern auf dem Konzept der ›large-scale dissonance‹ (Charles Rosen).[60] Dieses Konzept besagt, dass durch die Abweichung von der Grundtonart (bzw. durch die Etablierung der Dominanttonart in Dur-Sätzen) im Verlauf der ersten Hälfte eines Sonatensatzes, die mit einem anachronistischen Terminus als ›Exposition‹ bezeichnet werden kann, eine Dissonanzspannung erzeugt wird, die in der Folge – analog zur Behandlung einer Dissonanz im strengen kontrapunktischen Satz – der Auflösung bedarf. Die daraus resultierende tonale Polarität kann optional durch einen Kontrast auf der thematischen Ebene verdeutlicht werden. Die Funktion des Mittelteils (der ›Durchführung‹) besteht in der Regel darin, möglichst unter Vermeidung der Grundtonart[61] durch die Prolongation der V. Stufe die Dissonanzspannung zu intensivieren und schließlich – in der Reprisenrückleitung – die Auflösung der tonalen Spannung und damit die ›psychologische‹ und ›strukturelle Klimax‹[62] des ganzen Satzes vorzubereiten: Der Höhepunkt koinzidiert mit dem Eintritt der ›Reprise‹, der gleichzeitigen Rückkehr zu Grundtonart und Eröffnungsthema (dem sogenannten ›double return‹).[63]
Vergleicht man das eben skizzierte Modell der Sonatenform mit dem Konzept des ›sonata principle‹[64], so scheint zwischen den beiden ein Widerspruch zu bestehen: Das ›sonata principle‹ fordert, dass bedeutsame thematische Gedanken[65], die in der Exposition außerhalb der Grundtonart erklungen sind, innerhalb der Reprise in der Grundtonart wiedergegeben werden müssen, um so eine Art großflächige tonale Auflösung erzielen zu können. Mit den Worten von Rosen: »[…] the essential resolution is that of the second group which has never been played in the tonic and must be so played before the piece can be considered over, the matter closed.«[66]
Um dem ›sonata principle‹ Rechnung zu tragen, ohne dem ›double return‹ seine eminenten psychologischen und strukturellen Qualitäten absprechen zu müssen, greifen die Autoren implizit auf eine Strategie zurück, die auf der Rhetorik beziehungsweise der Semiotik basiert: Sie fassen den Reprisenbeginn und damit den ›double return‹ als Synekdoche, als pars pro toto, für den gesamten Formteil der ›Reprise‹ auf, der im Sinne eines konventionell geprägten prospektiven Zeichens auf den bevorstehenden Moment der Entspannung, das kadenziell herbeigeführte Ende des Seitensatzes, vorausweist.[67]
Wird der Repriseneintritt nicht durch eine strukturell gewichtige Dominante, sondern durch die Mediante vorbereitet, provoziert dies in der Sonatenformtheorie Schenkerscher Prägung eine Immunisierungsstrategie, die auf die Verteidigung der Basisannahmen abzielt:
David Beach etwa hat 1983 in seiner vielzitierten Studie A Recurring Pattern in Mozart’s Music auf die Rolle der chromatischen Dur-Mediante als tonales Ziel der Durchführung bei Mozart aufmerksam gemacht und dabei insbesondere die satzinternen Funktionen der Mediante herausgestellt: Die als ›Stufe‹ im Schenkerschen Sinn fungierende Mediante bilde ein Bindeglied zwischen der Dominante am Ende der Exposition und der Tonika, die in der Reprise bekräftigt wird, und generiere dadurch eine großräumige, abwärtsgerichtete Dreiklangsbrechung im Bass (V-III#-I), welche eine Umkehrung der für Mollsätze üblichen Stufenfolge I-III-V darstellt.[68] Beachs Analysen konnten zeigen, dass sich häufig ein motivischer Konnex zwischen der großräumigen Bassdreiklangsbrechung und der thematischen Struktur des Satzbeginns nachweisen lässt.[69] Der Hinweis auf die Funktion der Mediante als ›Terzteiler‹ ist allerdings nicht geeignet, die Durterz zu erklären, denn ein Molldreiklang der III. Stufe hätte den gleichen Effekt erzielt. Beach zufolge trage die Mediante ferner zur Unterstützung des 3. Skalentons bei, der eine Durchgangsnote zwischen Dominantquinte 2 (Durchführungsbeginn) und -septe 4 (Durchführungsende) darstellt, sofern – wie in Mozarts F-Dur-Klaviersonate KV 332,i – vor Repriseneintritt eine transitorische Dominantharmonie interpoliert wird.[70]
Diese Erklärung greift freilich nicht im Falle unvermittelter mediantischer Übergänge. Statt die Mediante III# als Mittel zur Prolongation der Dominante zu verstehen, ist hier vielmehr von der These auszugehen, die Mediante stütze den Urlinienkopfton 3 und stelle somit eine Antizipation der nachfolgenden I. Stufe dar.[71] Darüber hinaus werden die im Folgenden präsentierten Analysen zeigen, dass die durch die Rückleitungsmediante erzeugte tonale Schwächung des Reprisenbeginns (insbesondere bei Joseph Haydn) in der Regel durch einen sogenannten ›kompensatorischen Dominantbereich‹[72] in der Reprise aufgewogen wird. Der ›kompensatorische Dominantbereich‹ wiederum bedingt in vielen Fällen das für Haydns Sonatenformschaffen charakteristische Phänomen der ›rekomponierten Reprise‹.[73]
2.2. Die tonale Organisation des Hauptthemas als Bedingung für einen mediantischen Reprisenübergang
Der Zusammenhang zwischen einer harmonisch schwachen (mediantischen) Reprisenvorbereitung und dem Einschub eines ›kompensatorischen Dominantbereichs‹ in der Reprise soll am Beispiel des 1. Satzes aus Haydns E-Dur-Streichquartett op. 54 Nr. 3 illustriert werden. Einen Schlüssel zum Verständnis des mediantischen Reprisenübergangs liefert hier der Satzbeginn, der einige Besonderheiten hinsichtlich seiner taktgruppenmetrischen und harmonischen bzw. tonalen Organisation aufweist: Die Tonika in Takt 1 (mit Auftakt) ist nur sehr schwach ausgeprägt, da sie erstens nicht als vollständiger Akkord wiedergegeben wird und zweitens die für sie konstitutiven Töne auf unbetonten Zählzeiten erklingen. Erst in Takt 2 tritt mit dem Dominantseptakkord eine vollwertige harmonische Funktion in Erscheinung; gleichzeitig verwandelt sich der zweistimmige Satz in eine vollstimmige Textur. Rückblickend erweist sich somit der gesamte erste Takt als Auftakt zum zweiten. Der dritte Takt bringt eine kurze Ausweichung nach cis-Moll (vi. Stufe), bevor mit dem auftaktigen (und dynamisch durch ein fz intensivierten) prädominantischen Sextakkord der ii. Stufe der Kadenzvorgang eingeleitet wird, der den Halbschluss des Periodenvordersatzes herbeiführt. Das cis fungiert hier als obere Nebennote zum h (fünfter Skalenton) und dient somit der Dominantprolongation, die bis zum Ende des Eröffnungsthemas andauert. Die Dominante als vorherrschende harmonische Funktion innerhalb des Hauptthemenbereichs (T. 1–8) wird erst mit Eintritt der kadenziell bekräftigten Tonika in Takt 8 abgelöst. Der achte Takt der Periode ist taktgruppenmetrisch zugleich erster Takt der neuen Taktgruppe, die formfunktional als ›Codetta‹ betrachtet werden kann und in tonaler Hinsicht die Tonika (8-b7-6-7-8) prolongiert.
Diese Analyse des Hauptthemas macht deutlich, dass aufgrund der Prävalenz der V. Stufe eine dominantische Vorbereitung des Reprisenbeginns ineffektiv wäre. Eine probate Strategie, auf die Haydn zur Lösung dieses kompositorischen Problems zurückgreift, stellt der mediantische Reprisenübergang dar (siehe Beispiel 1): Im Anschluss an ein neuntaktiges, auf die Tonart cis-Moll bezogenes Dominantpedal tritt die Reprise ein. Dabei wird der gemeinsame Ton gis1, die dritte Tonstufe in E-Dur, in exponierter Lage (Oberstimme) dargeboten und durch die Oberstimmenbewegung 3-2, die im Zuge des Vordersatzhalbschlusses (T. 110) erklingt, wieder aufgegriffen. (Zugleich zielt die Dominante der relativen Molltonart nicht auf den unmittelbar folgenden Reprisenbeginn, sondern auf den Akkord über der Nebennote cis in Takt 109.)
Beispiel 1: Joseph Haydn, Streichquartett op. 54,3, 1. Satz (Allegro), T. 103–110
Neben der hauptthemeninternen Dominante wird in Takt 132 eine weitere Dominante (T. 132–134) etabliert, zu der kein Äquivalent in der Exposition existiert. Dies kann mit Lubov Russakovsky als ›kompensatorischer Dominantbereich‹ gedeutet werden, durch den der harmonisch ›schwache‹ (mediantische) Reprisenübergang aufgewogen wird. Vorbereitet wird dieses tonal bedeutsame Ereignis in Takt 128, genau jenem Moment, wo sich die erste nennenswerte Abweichung von der Exposition verzeichnen lässt: Anstatt den Formverlauf wie in Takt 22, der analogen Stelle in der Exposition, interpunktisch durch einen Halbschluss der Grundtonart zu gliedern, wird durch eine Wechselnotenbewegung (gis-fis-eis-fis) die Doppeldominante anvisiert und schließlich durch eine synkopierte 7-6-Konsekutive auskomponiert. Die Auflösung der nachfolgenden Dominante kann allerdings kaum strukturelle Bedeutung beanspruchen, da in Takt 135 nicht die 1 sondern die 3 erreicht wird. Es tritt zunächst der zu den Expositionstakten 32ff. analoge, quinttransponierte Bereich ein. Die strukturelle Auflösung verspricht erst die mit Takt 141 initiierte Kadenz.[74]
2.3. Der mediantische Reprisenübergang aus Sicht der ›Standardtheorie der Sonatenform‹: Ein Spiel mit Konventionen bzw. Hörerwartungen?
Analysen von Joseph Haydns B-Dur-Symphonie Nr. 85 (La Reine) verweisen in der Regel auf die außergewöhnliche formale Beschaffenheit des ersten Satzes. Zu den devianten Eigenschaften zählt etwa das starke proportionale Ungleichgewicht zwischen Exposition (100 Takte) und Reprise (65 Takte), das durch eine erhebliche Verkürzung letzterer entstanden ist. Entgegen einer weitverbreiteten Auffassung beruht hier die Kondensierung der Reprise nicht auf einer Tilgung von vermeintlich redundantem ›monothematischem‹ Material.[75]
Eine weitere Besonderheit des ersten Satzes liegt in der Art der harmonischen Gestaltung des Reprisenübergangs, der mittels einer mediantischen Klangfortschreitung bewerkstelligt wird. Ethan Haimo sieht in der mediantischen Reprisenartikulation eine Anomalie, die der Kompensation in den Folgesätzen bedarf: »Simply put, the prominent stress on V/vi seems to be a purposeful and powerful anomaly – unresolved, unexplained, and not otherwise followed up within the first movement itself.«[76] Bernhard Harrison schließt sich Haimo in seinem Urteil über die harmonische Artikulation des Reprisenbeginns an. Er spricht von einer »unconventional retransition section of bars 191–211, which emphasises V/vi and articulates the recapitulation in a wholly unconventional manner.«[77]
Beide Autoren begreifen also den mediantischen Reprisenübergang als erklärungsbedürftige Anomalie. Um diese zu legitimieren, schlägt Harrison eine Strategie vor, die gemeinhin auch im Falle des Phänomens der ›falschen Reprise‹ angewendet wird:[78] »Haydn’s failure to resolve the emphatic stress on V/vi at this point in the movement can be understood only as a deliberate play with conventional expectation.«[79] Daneben führt Harrison zwei weitere Möglichkeiten an, die zu einer Erklärung der aus seiner Sicht problematischen Passage beitragen könnten: Erstens verweist er auf den Anfang des Satzes (die Takte 1 und 3), in dem das problematische Ereignis bereits präformiert vorläge.[80] Zweitens bestünde eine Lösungsstrategie in der Einbeziehung der übrigen Sätze: Gemäß dem ›Homöostase-Denken‹, das in den Aussagen Harrisons zum Vorschein kommt, werde das durch die mediantische Progression erzeugte tonale Ungleichgewicht in den Folgesätzen wieder in einen Zustand der Balance überführt und damit zugleich auch die zyklische Einheit der Symphonie gewährleistet.[81] Auf eine vergleichbare Strategie greift auch Haimo zurück:
Whereas a movement whose development section prolongs the dominant can be immediately understood in the context of the basic axioms of late eighteenth-century tonal theory and the norms of Haydn’s treatment, the prolongation of a non-dominant sonority demands a more contextual explanation of the harmonic function and meaning of the development section.[82]
Eine kontextuelle Erklärung, die auch die Folgesätze einbezieht, ist freilich ebenso wenig zwingend wie der Rekurs auf die Intention des Komponisten, mit Hörerwartungen zu spielen. Stattdessen soll gezeigt werden, dass der formale Sinn des mediantischen Reprisenübergangs in Haydns La Reine bereits innerhalb des ersten Satzes verständlich ist. Eine detaillierte Beschreibung der Reprisenrückleitung (des ›unmittelbaren Konnexes‹)[83] wird einen Einblick in die spezifische Inszenierungsweise des mediantischen Übergangs gewähren (siehe Beispiel 2):
Die gesamte Rückleitungspassage (T. 191–211) umfasst 21 Takte und wird durch eine einzige harmonische Funktion, nämlich die auf die parallele Molltonart bezogene Dominante, bestimmt, die der Ausbreitung des phrygischen Halbschlusses (T. 190–91) dient.[84] Die Rückleitung lässt sich in zwei Phasen unterteilen: In der ersten Phase (T. 191–197) wird die Dominantfunktion mittels einer 6/4-5/3-Nebennotenbewegung auskomponiert, der im Bass liegende Akkordgrundton mit Hilfe eines Oktavpendels (›Murky-Bass‹) dargestellt. Die erste Phase lässt sich ihrerseits in drei identische Zweitakter (und einen Einzeltakt) gliedern, die – analog zu den Takten 22–28 – so angelegt sind, dass sich das metrische Gewicht auf den jeweils zweiten Takt verlagert, bevor die Bewegung auf die Akkordquinte a2 zurückschwingt. Der Schlusstakt (Zählzeit 2 und 3) der ersten Phase reduziert schließlich die musikalische Textur (den Dominantakkord) auf einen einzelnen (oktavierten) Ton, den Dominantgrundton d, der in der zweiten Rückleitungsphase zum zentripetalen Element avanciert, auf das die Vorgänge in allen Stimmen hin ausgerichtet sind. Die zweite Rückleitungsphase (T. 198–211), die gegenüber der ersten Phase (von zwei) auf vier Takte erweiterte Taktgruppen enthält, zeichnet sich durch eine Fortsetzung des Reduktionsprozesses aus: Abgesehen von der Fagottstimme (die ihrerseits in T. 205 wegfällt) verabschiedet sich das gesamte Bläserensemble. Die Satzfaktur beschränkt sich nun auf einen vierstimmigen Streichersatz, der auf die kompositorische Darstellung des Dominantgrundtons hin angelegt ist: Dieser bildet einerseits einen Orgelpunkt im Bass, andererseits ist er in der Oberstimme zu hören, wo er von unten leittönig (cis2-d2) beziehungsweise von oben mittels Dreiklangsbrechung (a2-fis2-d2) stabilisiert wird.
Beispiel 2: Joseph Haydn, Symphonie Nr. 85, 1. Satz (Vivace), T. 191–212
Die auftaktige Bewegung in Takt 205 ist ambig: Ein Hörer dürfte hier für einen kurzen Moment die zu den beiden vorangegangenen Viertaktern (T. 198–201 und T. 202–205) analoge Fortsetzung erwarten, die durch die Wiederholung der Figur a2-fis2-d2 angedeutet wird. Eine weitere Repetition unterbleibt jedoch; stattdessen wird die Oberstimme durch Abspaltung des Auftakts zu Takt 202 auf ein Dreiklangsskelett reduziert und die drei Unterstimmen (das Fagott setzt nun aus) beschränken sich auf die Wiedergabe des Dominantgrund- und terztons. Bei der zweiten Wiederholung dieser Bewegung (T. 208) fällt auch das stützende Bassfundament weg; gleichzeitig wird die Dynamik – im Sinne der Koordination der musikalischen Vorgänge – ins pianissimo zurückgenommen. Übrig bleibt eine einzige Stimme (1. Violine). Die Dreiklangsbewegung vollzieht sich ab Takt 208 noch dreimal. Einem (hypothetischen) Hörer dürfte es schwer fallen, das Verlassen der Zeitschleife vorherzusagen; er verfügt über einen sehr beschränkten ›prospektiven Fokus‹.[85] Durch die Mittel der Reduktion und der Wiederholung, die eine Verringerung des Informationsgehalts bewirken, gelingt es Haydn eine mentale ›Sättigung‹ (›saturation‹; L.B. Meyer)[86] zu erzeugen und damit die Intensität der Erwartung nach Veränderung zu steigern, ohne dass einem Hörer der konkrete Inhalt dieser Veränderung klar sein dürfte. Ein stilistisch kompetenter Hörer, der mit den Konventionen der Sonatenform vertraut ist, könnte die Hypothese ausbilden, dass in Kürze der Eintritt eines neuen großformalen Abschnitts, der Reprise, erfolgen wird. Allerdings dürfte es nahezu unmöglich sein – jedenfalls gibt Haydn dem Hörer dafür keine Anhaltspunkte –, den präzisen Zeitpunkt, zu dem die Abweichung vermutlich eintreten wird, zu antizipieren: Die Wiederholung der Dreiklangsbewegung kann prinzipiell jederzeit aufgegeben werden, da die Stabilität dieses Patterns zuvor bereits erreicht wurde. Folglich bleibt die Hörerwartung zeitlich und inhaltlich unbestimmt. Nach sechsmaliger Wiederholung der Dreiklangsbrechung führen schließlich die 1. Violinen den Ton d2 durch einen knappen, chromatisch durchsetzten Skalenausschnitt (d2-cis2-c2-b1; vorweggenommen in der Bratschenstimme der Takte 198 und 202) in den Grundton b1, mit dem die Reprise anhebt.
Die vorgelegte Beschreibung der strukturellen Vorgänge in der Reprisenrückleitung unter Berücksichtigung der damit interagierenden Erwartungsprozesse eines hypothetischen Hörers macht deutlich, dass die vorliegende Passage nahezu alle im Sinne der ›Lehrbuchtheorie‹ typischen Eigenschaften einer Rückleitung aufweist, auch wenn die harmonische Orientierung nicht den Vorstellungen der ›Standardtheorie der Sonatenform‹ zu entsprechen scheint. Zu diesen Eigenschaften zählen etwa ein dominantischer Orgelpunkt, eine charakteristische (zumeist sukzessive) Reduktion des dynamischen Niveaus sowie der musikalischen Textur, Momente der Stasis oder zirkulärer Bewegung und – in kognitiver Hinsicht – eine Manipulation der ›prospektiven Reichweite‹.[87]
Um eine mögliche Erklärung für den vermeintlich atypischen harmonischen Übergang liefern zu können, muss ein breiterer Kontext berücksichtigt werden, der den ›Beziehungen auf Distanz‹ (nämlich dem Expositionsbeginn und der Reprisenrekomposition) Rechnung trägt. Wenden wir uns zuerst dem Beginn der Exposition zu. Das Hauptthema ist syntaktisch als ›dreiteiliges Lied‹ gestaltet, dessen A-Teil die Struktur eines ›Satzes‹ aufweist. Der ›Satz‹ setzt sich aus 4+4+4 Takten zusammen[88], wobei die erste Zählzeit des letzten Taktes mit dem Beginn des B-Teils (T. 23–30) koinzidiert, der sich aufgrund der Forte-Dynamik, Tutti-Textur (mit synkopierten Begleitstimmen) sowie der auffahrenden Skalenbewegung zunächst als Überleitungspassage präsentiert und erst nachträglich, da er in die (variierte) Wiederholung des A-Teils zurückführt, in die globale Liedform integriert wird.[89] Die Tatsache, dass die mit Takt 42 initiierte Überleitung, die diesmal erfolgreich den Weg in die Dominanttonart beschreitet und mittels eines Halbschlusses bestätigt (Takt 52), dem B-Teil im Hinblick auf den (rhythmischen und dynamischen) Gestus und Textur ähnelt, weist auf ein kalkuliertes Spiel Haydns mit der formalen Funktion der ›Überleitung‹, die sich im ersten Fall retrospektiv als ›falsche Überleitung‹ entpuppt. Bringt man auf der Basis dieser Beschreibung einen dynamischen Formbegriff in Anschlag, der die Bedeutung unterschiedlicher Standpunkte im temporalen Kontinuum für die Zuschreibung formaler Funktionen berücksichtigt, so erscheint die dreiteilige Struktur durch eine zweiteilige überlagert, die jeweils vom A-Teil ihren Ausgang nimmt.
Das Hauptthema zu Beginn der Reprise ist gegenüber der Exposition nur geringfügig verändert (zusätzliche Hornstimme, imitationsartige Bewegung in den 2. Violinen, auftaktige Simultanterz in den Oboen). Diese Veränderungen bewirken eine stärkere Kontinuität zwischen den vormals aufgrund von Pausen getrennt präsentierten Segmenten des Hauptthemas. Es scheint hier Haydns Anliegen zu sein, den Zusammenhang wieder zu straffen, nachdem in der Rückleitung das Aktivitätsniveau bereits auf ein Minimum reduziert wurde.
Die beobachteten Abweichungen vom Modell der Exposition legen die These nahe, dass Haydn den Beginn der Reprise nicht mit dem ursprünglichen Anfangsthema bestreitet, sondern mit der Variation desselben, dem A’-Teil (T. 31–41). Die Reprise würde somit erst mit dem Expositionstakt 31 beginnen.[90] Damit entfällt auch die für die Exposition charakteristische formfunktionale Ambiguität der Hauptthemenstruktur.[91] Zusätzliche Plausibilität gewinnt diese Auffassung durch die anschließende Passage, die deutlich auf den Anfang der Überleitung (T. 42–45) rekurriert und schließlich zum Zweck der für die Sonatenform erforderlichen tonalen Adaption in einen Halbschluss der Grundtonart (T. 230) mündet. Die Ausbreitung des Halbschlusses, die – eine Quinte tiefer transponiert – den Expositionstakten 70–77 entspricht, zeigt eine ausgeprägte Ähnlichkeit mit der ersten Rückleitungsphase (T. 191–197). Ebenso wie die Rückleitung dient auch dieser Überleitungsabschnitt der Vorbereitung eines erneuten Hauptthemeneinsatzes (T. 238), der gegenüber der Exposition (T. 78ff.) in die Grundtonart retransponiert auftritt. Aus diesem Befund lässt sich die Hypothese ableiten, dass der Reprisenübergang mediantisch gestaltet wurde, um das tonale Gewicht durch die – analog komponierte – dominantische Vorbereitung auf den zweiten Eintritt des Hauptthemas zu verlagern.[92] Gemäß dieser Interpretation erweist sich der mediantische Reprisenübergang als integraler Bestandteil eines Netzwerkes formaler Optionen (Dominanz der III# während der Durchführung, Reprisenrekomposition, die Vereinfachung der komplexen, ambigen Struktur des Hauptthemas, Verlagerung des tonalen Gewichts auf das retransponierte Hauptthema, Monothematik, rondoartige Sonatensatzform), die einander wechselseitig stützen und Sinn verleihen.
2.4. Der Zusammenhang zwischen dem mediantischen Reprisenübergang und der formalen Struktur des Hauptthemas
Im Unterschied zum Streichquartett op. 54 Nr. 3 ist die Entscheidung zugunsten eines mediantischen Reprisenübergangs im folgenden Beispiel, dem 3. Satz aus Haydns C-Dur-Klaviertrio Hob. XV:27, nicht auf die harmonischen Vorgänge (genauer: die Vorherrschaft der Dominante bzw. die Schwächung der Tonikafunktion) im Hauptthemenbereich zurückzuführen, sondern auf dessen formale Struktur: Die dreiteilige Liedform (ABA’), die insbesondere in Klaviertrios oder Violinsonaten bevorzugt gewählt wurde, um in der Exposition den einzelnen Instrumenten die Möglichkeit einzuräumen, sich durch die Präsentation thematischen Materials erstmals in Szene zu setzen und zeitweilig eine führende Rolle zu übernehmen, erscheint an späterer Stelle, namentlich in der Reprise, redundant. Dementsprechend wird im vorliegenden Beispiel die Struktur der dreiteiligen Liedform, die das Hauptthema in der Exposition kennzeichnet (T. 1–42), in der Reprise preisgegeben[93]: Dort begnügt sich Haydn mit der Wiedergabe des syntaktisch als achttaktige Periode gestalteten A’-Teils (T. 36–42 = T. 163–169), deren finale Tonika im Sinne einer Taktverschränkung den Beginn der Überleitung (T. 43ff. = T. 170ff.) markiert. Auf das Material des B-Teils (T. 17–35), der im Grunde eine prolongierte V. Stufe darstellt, wurde bereits in der Durchführung ausgiebig zurückgegriffen: Der für den B-Teil charakteristische Rhythmus (16tel-16tel-8tel bzw. 8tel-16tel-16tel-8tel), der auch im A- und A’-Teil des Hauptthemas zu hören ist, dominiert einen Großteil der Durchführung (T. 98–128) sowie die gesamte Reprisenrückleitung (T. 149–162), die durch einen phrygischen Halbschluss in der parallelen Molltonart initiiert wird und sich ebenso wie der B-Teil durch ein ›Stehen auf der Dominante‹ auszeichnet. Auch die ausgedehnte einstimmige Hinführung (T. 159–162; siehe rechte Hand des Klaviers) zum Reprisenbeginn ist nach dem Muster des B-Teils (T. 34–35) gestaltet. Im Unterschied zum B-Teil wird der A-Teil, der ursprünglich zwei Versionen einer achttaktigen Periode (einmal Klaviersolo, einmal mit der 1. Violine als Trägerin des Hauptthemas) enthält, schlichtweg ausgespart. Gleichsam als Kompensation – und vor allem, um einer Gefährdung des proportionalen Gleichgewichts entgegenzuwirken –, erscheint der A’-Teil in leicht veränderter Gestalt erneut am Satzende (T. 238ff.), wo er die Position der Schlussgruppe einnimmt, die nun im Vergleich zur Exposition früher erklingt (T. 194–202). Anstatt von einer bloßen Reduktion der Hauptthemenstruktur (etwa aus Gründen der Vermeidung von Redundanz) zu sprechen, soll die hier verwendete Rekompositionsstrategie als ›Umverteilung von Taktgruppen‹ charakterisiert werden, die mit einer ›formfunktionalen Redefinition‹ einhergeht: Der B-Teil wird gleichsam in die Durchführung vorgezogen, um dort als Reprisenrückleitung zu fungieren (rhythmische Antizipation des Hauptthemas: 8tel-16tel-16tel etc.), während der A’-Teil den Reprisenbeginn markiert und später die Rolle des Epilogs übernimmt.[94]
Der an den Epilog anschließende Abschnitt (T. 202ff.), der die intrinsischen Eigenschaften einer Überleitung ausprägt, mündet in Takt 222 in einen extensiven, sechzehn Takte umfassenden ›kompensatorischen Dominantbereich‹ (T. 222–237).[95] Dieser zögert den erwarteten Eintritt eines neuen Formteils bis aufs Äußerste hinaus, bis schließlich das neue Epilog-Hauptthema dieser Erwartung nachkommt. Die Lösung des eingangs skizzierten Redundanzproblems scheint folglich darin zu bestehen, das Hauptthema (die Takte 1–8 und deren Wiederholung mit vollständiger Triobesetzung in den Takten 9–16) zu Beginn der Reprise zu vermeiden, um stattdessen eine gesteigerte Variante des Themas an die Position der Schlussgruppe, die ihrerseits die Durchführung dominiert hat, treten zu lassen. Dadurch verlagert sich das tonale Gewicht, das dem Reprisenbeginn durch den mediantischen Übergang versagt wurde, in die Reprisenmitte und akzentuiert somit den Eintritt des Epilog-Themas.[96] In diesem Zusammenhang erweist sich die durch die mediantische Klangfortschreitung erzeugte harmonische Abschwächung des Reprisenbeginns als eine Strategie, die der Inszenierung des Epiloghauptthemas dient, das seinerseits als der Höhepunkt des ganzen Satzes begriffen werden kann und demensprechend durch eine extensive Dominantfunktion vorbereitet wird.[97] Nicht anders als in La Reine zeugen alle hier beschriebenen Aspekte von einem prozesshaften Formdenken Haydns, das verschiedenste formale Optionen netzwerkartig aufeinander abstimmt, ohne dass entschieden werden könnte, welcher dieser Optionen Priorität zukommt und welche eine subordinierte Rolle einnehmen.
2.5. Der mediantische Reprisenübergang – Vermeidung einer Konvention (Extra-Opus-Varietas)?
Im Folgenden soll eine Erklärungsstrategie vorgestellt werden, die die mediantische Reprisenartikulation als Konsequenz der Bemühung um werkübergreifende Variation versteht. Bekanntlich kann das Varietas-Prinzip auf eine lange Geschichte zurückblicken. So hat etwa Clemens Kühn darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Prinzip bereits im Liber de arte contrapuncti (1477) von Johannes Tinctoris thematisiert wird.[98] Im 20. Jahrhundert hat insbesondere Arnold Schönberg die zentrale Bedeutung herausgestellt, die ›Variation‹ als fundamentalem kompositorischem Prinzip zukommt.[99] Im Anschluss an Schönberg firmiert ›Variation‹ bei Ethan Haimo als eines von fünf Prinzipien, die in wechselseitiger Interaktion die kompositorischen Entscheidungen Josef Haydns maßgeblich beeinflusst haben.[100] ›Variation‹ diene dabei der Vermeidung mechanischer Wiederholung und der daraus resultierenden Redundanz, ohne die ›Einheit‹ einer Komposition zu gefährden:
This principle suggests that the longer, more immediate, and more explicit a potential repetition, the more likely it is to be subjected to variation. […] The variation principle functions as one of the principal means of mediation between the unity and redundancy principles. The unity principle implies that a composition will be structured so that later events are understood to be related to or derived from earlier events. However, if all later events are identical to earlier events, then the redundancy principle needs to be invoked. The application of variation technique thus permits the composer to achieve unity without redundancy.[101]
Für den Fall, dass dieses Prinzip innerhalb eines Satzes bzw. einer Komposition in Kraft tritt, möchte ich den Begriff ›Intra-Opus-Varietas‹ vorschlagen. Der Terminus ›Extra-Opus-Varietas‹ dagegen soll Variation bezeichnen, die auf der Ebene einer bestimmten Menge konkreter Kompositionen (und der daraus abgeleiteten abstrakten Normen) stattfindet.[102]
Eine auf dem Prinzip der ›Extra-Opus-Varietas‹ basierende Erklärung für das Phänomen des mediantischen Reprisenübergangs liefert Charles Rosen in seiner Monografie Sonata Forms.[103] Rosen vertritt darin die Ansicht, die besagte kompositorische Option sei durch die Absicht motiviert gewesen, ein gegen Ende des 18. Jahrhunderts fest etabliertes Stereotyp – die obligatorische Vollkadenz in der parallelen Molltonart am Ende der Durchführung – zu vermeiden oder in veränderter Form wiederzubeleben.[104] Das würde bedeuten, die Komponisten hätten sich dieser Option primär bedient, um sich von einer formalen Norm zu distanzieren bzw. um Extra-Opus-Varietas zu erzeugen. In diesem Kontext verweist Rosen auf Michael Haydns 1783 in Salzburg komponierte Symphonie Nr. 26 (Perger 17) in Es-Dur. Akzeptiert man Rosens Annahme, bei Haydns Wahl des mediantischen Reprisenübergangs handle es sich einzig und allein um eine ›negative‹ kompositorische Entscheidung, die auf die Vermeidung eines Clichés ziele, so bedürfte es keiner analytischen Anstrengungen mehr, die auf den Nachweis werkimmanenter Zusammenhänge gerichtet wären. Folgerichtig verzichtet Rosen auf eine weitere Kommentierung der Haydn-Symphonie und belässt es bei einer bloßen Wiedergabe des Notenbeispiels.
Doch Rosens Erklärung bleibt aus mindestens zwei Gründen unbefriedigend: Sie führt erstens zu dem Paradox, dass der mediantische Reprisenübergang, sollte er tatsächlich der Vermeidung eines formalen Stereotyps geschuldet sein, zugleich eine harmonische Fortschreitung erzeugt, von der stets behauptet wird, sie sei eine Konvention des Spätbarock.[105] Zweitens wählt ein Komponist selten ein bestimmtes Verfahren lediglich in der Absicht, eine etablierte Konvention zu vermeiden, sofern sie sich nicht in den neuen musikalischen Zusammenhang ›logisch‹ einfügt.[106] Die Alternative, nach Intra-Opus-Faktoren zu suchen, die Haydns Entscheidung zugunsten dieser Option beeinflusst haben könnten, wird im Folgenden kurz aufgezeigt.
Im vorliegenden Beispiel könnte die Art der Themenbildung ein ausschlaggebender Faktor für die Wahl der mediantischen Reprisenartikulation gewesen sein (siehe Beispiel 3). Charakteristisch für das syntaktisch als ›Satz‹ gebaute Anfangsthema (T. 1–22) ist die Dominanz der dritten Tonstufe (in Es-Dur): Das g initiiert die Melodiestimme der ›Präsentationsphrase‹ (T. 1–8) und bildet zugleich den Basston am Ende der ›basic idea‹[107] (T. 2). Schließlich endet auch der erste Achttakter relativ offen auf der I. Stufe in Terzlage (unvollständige authentische Kadenz). Im Verlauf der Exposition werden immer wieder formale Abschnitte durch die Figur g-b-es, der motivische Bedeutung zuwächst, eingeleitet: In Takt 9 die Entwicklungsphrase des ›Satzes‹, in Takt 23 die Überleitung. Diese Beobachtungen legen nahe, dass der mediantische Reprisenübergang deswegen gewählt wurde, um eine Stimmführungsverknüpfung zwischen der chromatischen Dur-Mediante und einem zentralen Element des Eröffnungsthemas (das auch in den nachfolgenden formalen Abschnitten präsent bleibt) zu schaffen. Die daraus resultierende Vermeidung des Ganzschlusses in der parallelen Molltonart wäre dann – wenn überhaupt – nur als Nebeneffekt zu deuten, keineswegs als ausschlaggebendes Moment.[108]
Beispiel 3: Michael Haydn, Symphonie Nr. 26 (Perger 17), 1. Satz (Allegro spiritoso), T. 1–11; 23f.
2.6. Der ›unmittelbare Stimmführungskonnex‹: Die Durchführungsmediante und die Antizipation des Urlinienkopftones
Die oben als Alternative zu Rosens Extra-Opus-Varietas-Ansatz skizzierte Erklärung, durch den mediantischen Reprisenübergang würde ein unmittelbarer Stimmführungskonnex mit dem Hauptthema generiert, soll im Folgenden anhand des 2. Satzes in G-Dur aus Joseph Haydns Symphonie Nr. 99 ausführlicher erläutert werden.
Das syntaktisch als Periode gestaltete Hauptthema präsentiert zunächst einen viertaktigen Vordersatz (in Streicherorchestrierung), der durch ein zweitaktiges Suffix (Bläsersatz), welches die Takte 3–4 eine Oktave höher (geringfügig verändert) wiederholt, eine externe Erweiterung (›Extension‹) erfährt (siehe Beispiel 4). Die proportionale Balance zwischen Vorder- und Nachsatz bleibt dadurch gewahrt, dass Haydn den Nachsatz durch die Prolongation des kadenziellen (prädominantischen) Sextakkords der ii. Stufe (T. 8–11) intern auf sechs Takte dehnt (›Expansion‹). Der erwartete, definitive Abschluss des Hauptthemas in Form einer vollständigen authentischen Kadenz wird allerdings im letzten Moment vermieden: Statt die Finalis g1 in der Oberstimme (1. Violinen) als Zielton festzuhalten, initiiert diese eine Verzierungsfigur, die in den Terzton h1 weiterführt (T. 12), um daraufhin in den Flöten echoartig imitiert zu werden. Die Kadenzvermeidung hat zur Folge, dass der als Urlinienkopfton fungierende 3. Ton das gesamte Eröffnungsthema hindurch prolongiert wird. Zugleich bildet der 3. Ton in der ›obligaten Lage‹ als h1 den Ausgangspunkt für eine stufenweise aufsteigende Bewegung (h1-c2-d2) über einem Tonikapedal (T. 12–14). Takt 12 ist somit im Sinne einer Taktverschränkung sowohl dem Hauptthema als auch der Überleitung (T. 12–16) zuzurechnen. Erst die über einen doppeldominantischen Akkord (der Kopfton erscheint hier in Takt 15 noch einmal als Nonvorhalt h2) modulierende Überleitung führt eine befriedigende Kadenz herbei, die das Erreichen der Dominanttonart bekräftigt (T. 16). Dieser Vorgang ist als Bewegung einer strukturellen Mittelstimme zu werten, der die Prolongation des 3. Tons nicht in Frage stellt.
Beispiel 4: Joseph Haydn, Symphonie Nr. 99, 2. Satz (Adagio), T. 1–16 (GS = Ganzschluss; HS = Halbschluss)
Die Durchführung beginnt mit einem harmonisch labilen Sextakkord (T. 35), der nach einer knappen vagierenden Progression in Takt 41 wieder aufgegriffen wird, um als ii. Stufe in C-Dur (global betrachtet die Subdominanttonart) einen Halbschluss einzuleiten. C-Dur erweist sich als die einzige stabile Tonart der kurzen Durchführung, die kadenzielle Bestätigung erfährt. Die in sich ruhende Pendelharmonik zwischen I. und V. Stufe, die bereits die Schlussgruppe kennzeichnete (T. 27ff.), wird jedoch in Takt 47 abrupt unterbrochen, das piano schlägt in eine forte um, und der Zielton g1 tritt nicht wie erwartet als Quintton eines C-Dur-Akkords in Erscheinung, sondern wird als Terzton eines verminderten Septakkords rekontextualisiert, der in den Sextakkord der ii. Stufe (vgl. T. 35 und 41) zurückführt. Allerdings kommt dem Sextakkord an dieser Stelle nur transitorische Bedeutung zu, denn der gleiche Vorgang (Takte 47–48) wiederholt sich eine Tonstufe höher auf Fis (woraus im Bass die chromatisch aufsteigende Linie E-F-Fis-G resultiert). Die vagierende Harmonik wird schließlich in Takt 51 durch den Einsatz des C-Dur-Akkords mit hinzugefügter übermäßiger Sexte (Transformation eines ehemals stabilen Klangs, des C-Dur-Akkords, in einen übermäßigen Quintsextakkord), der einen phrygischen Halbschluss in der parallelen Molltonart zu G-Dur herbeiführt, in eine definitive Richtung gelenkt. Das c, das zuvor bereits tonikalisiert wurde, fungiert als Durchgangsnote zwischen der seit Takt 27 prolongierten Dominante und der chromatischen Dur-Mediante (III#), mit der die Durchführung endet. Die Tatsache, dass die Mediante den dritten Ton (h1) in der Oberstimme (T. 52–53) stützt, weist auf die spezifische strukturelle Funktion hin, die sie in diesem Kontext erfüllt: Sie antizipiert 1.) den Urlinienkopfton 3 und bereitet 2.) den formfunktional entscheidenden Schritt zum zweiten Ton (a1) vor, mit dem auf lokaler Ebene der fallende Terzzug 3-2 im Periodenvordersatz ›unterbrochen‹ wird.[109] Der Halbschluss (Takt 57 bzw. 59) markiert denn auch genau den Moment vor dem Einsatz des rekomponierten Abschnitts.[110]
Der dritte Skalenton tritt in der Reprise noch an zwei weiteren formalen Attraktionsstellen prominent in Erscheinung: Beim ersten Mal initiiert er das Epilog-Thema (ab T. 71), das quarttransponiert den Expositionstakten 27–33 entspricht. Beim zweiten Mal wird in der Coda (ab T. 77) im Anschluss an einen sieben Takte lang ausgebreiteten Dominantseptakkord (bezogen auf g-Moll), durch den die harmonisch schwache Vorbereitung des Repriseneintritts kompensiert wird (T. 82–88), der Wiedereintritt der Tonika inszeniert: Der durch das Moll erzeugte ›Eintrübungs‹-Effekt schlägt in Takt 89 durch den Einsatz des G-Dur-Akkords mit dem in der Oberstimme exponierten Terzton h1 in einen Zustand der ›Aufhellung‹ um; gleichzeitig wird die endgültige Auflösung der strukturellen Spannung eingeleitet, welche erst zwei Takte vor Schluss mit der finalen Kadenz (T. 95–97) erfolgt.[111]
2.7. Der mediantische Reprisenübergang und satzinterne ›Beziehungen auf Distanz‹
Abschließend sollen ›Beziehungen auf Distanz‹ zwischen dem mediantischen Reprisenübergang und weiteren satzinternen ›Attraktionsstellen‹ anhand von zwei Beispielen aufgezeigt werden:
Im ersten Beispiel, dem 1. Satz aus Haydns F-Dur-Streichquartett op. 74 Nr. 2, dürfte die Entscheidung zugunsten des mediantischen Reprisenübergangs – im Unterschied zu bereits diskutierten Fällen – nicht durch die Art der Themenbildung motiviert gewesen sein, da dem 3. Ton hier keine prominente Rolle innerhalb des Hauptthemas zukommt. Stattdessen ergeben sich aus der harmonischen Reprisenartikulation handfeste Beziehungen zu einer weiteren großformalen Gelenkstelle: dem Übergang zwischen Exposition und Durchführung.
Der Repriseneintritt (T. 175) wird durch eine acht Takte einnehmende, auf die relative Molltonart (d-Moll) bezogene Dominantfunktion (T. 164–171) vorbereitet[112], deren zweite Hälfte (T. 168–171) sich durch Kleinterztransposition nach unten auf die Takte 5–8 der In-Tempo-Introduktion (T. 1–8) zurückführen lässt (siehe Beispiel 5). Die beiden Rückleitungstakte 173–174, die nach einer Pause von 1½ Takten die unisono-Textur fortsetzen, scheinen die d-Moll-Implikation der vorangegangenen Dominante zunächst erwartungsgemäß zu realisieren (d-e = 1-2 in d-Moll).[113] Umso abrupter wirkt die Reharmonisierung der dritten Tonstufe als Grundton von F-Dur, der den Repriseneintritt markiert.[114] Dabei stellt der lineare Übergang in die Reprise (d-e-f = 6-7-1 in F-Dur) keineswegs ein exzeptionelles Ereignis innerhalb dieses Satzes dar, sondern zeichnet sich vielmehr durch auffällige Ähnlichkeiten (in halben Noten gehaltener Rhythmus, unisono-Textur) zu zwei früheren großformalen Gelenkstellen aus, nämlich zu den Takten 99–100 (prima volta), die die Wiederholung der Exposition (T. 9–100) vorbereiten, sowie zu den Takten 99–100 (seconda volta), welche den Übergang zur Durchführung (T. 99–174) vollziehen. Dabei handelt sich um akustisch identische, jedoch notationstechnisch differenzierte Übergänge (des-e bzw. cis-e): Das des wird beim Übergang in die Durchführung als cis enharmonisch reinterpretiert, welches den in A-Dur mediantisch eintretenden Hauptsatz ermöglicht.[115]
Beispiel 5: Joseph Haydn, Streichquartett op. 74,2, 1. Satz (Allegro spirituoso), T. 169–176
Im vierten Satz (D-Dur) von Haydns d-Moll-Symphonie Nr. 80 finden sich mediantische Übergänge innerhalb der Durchführung an insgesamt drei formalen Schlüsselstellen, wobei die lokalen Medianten allesamt als halbschlüssige Dominanten zu verstehen sind:[116]
Kurz nach Beginn der Durchführung schließt sich an die auf d-Moll bezogene Dominante (in Quintlage) der Eintritt des Hauptthemas in F-Dur (tiefalterierte III. Stufe im globalen Kontext von D-Dur) an. Dass sich der (vermeintliche) Leitton e1 in der Oberstimme in den Grundton f1 der neuen Tonart auflösen kann (T. 110–111), ist dadurch gewährleistet, dass Haydn das ohnehin tonal transponierte Hauptthema noch einmal eine Terz tiefer setzt.
In Takt 161 erklingt das Hauptthema in der Tonart der IV. Stufe (G-Dur), das sowohl aufgrund seiner Positionierung im zeitlichen Verlauf, als auch aufgrund der texturspezifischen Übereinstimmung mit dem Satzanfang (vierstimmiger Streichersatz) als Initiation einer ›tatsächlichen Reprise‹ in Frage kommen könnte – eine Hypothese, die erst durch die Folgeereignisse ›widerlegt‹ wird.[117] Im lokalen Kontext von G-Dur wird die ›falsche Reprise‹ durch die Dominante der parallelen Molltonart mediantisch ›vorbereitet‹. Der Akkordgrundton der H-Dur-Mediante in der Oberstimme wird durch den Einsatz des Hauptthemas wieder aufgenommen und als dritter Skalenton innerhalb von G-Dur reinterpretiert.
Die harmonisch schwache Vorbereitung beschränkt sich nicht nur auf die (nach herkömmlichem Verständnis) ›falsche Reprise‹, sondern artikuliert auch den Eintritt der ›tatsächlichen Reprise‹ (siehe Beispiel 6). Bemerkenswert ist die Inszenierung dieses Übergangs: Die Mediante Fis-Dur (T. 179–183) wird auf einen einzelnen, synkopisch gesetzten unisono-Ton (den Grundton Fis) reduziert, der auch den Beginn des Hauptthemas einleitet – ein bereits aus anderen Stücken bekanntes Verfahren. Schließlich erklingt das fis1 nur noch in den 1. Violinen (ab T. 186). Dabei handelt es sich allerdings bereits um den Reprisenbeginn, der sich für den Hörer jedoch erst aus der Retrospektive als solcher zu erkennen gibt. Wie bereits bei der ›falschen Reprise‹ erfolgt auch hier eine Reinterpretation des mediantischen Grundtons als dritter Skalenton der neuen Tonart. Die von Haydn angewandte Technik bewirkt – im Unterschied zu bereits analysierten Stücken –, dass der exakte Moment des Repriseneintritts für einen kurzen Moment verschleiert wird.[118] In der Reprise kompensiert schließlich ein ausgedehnter, zwölf Takte umfassender Dominantbereich (T. 204–215), zu dem sich kein Äquivalent in der Exposition findet, die fehlende Dominante am Ende der Durchführung und bedingt letztlich die Rekomposition der Reprise.
Beispiel 6: Joseph Haydn, Symphonie Nr. 80, 4. Satz (Finale, Presto), T. 182–192
Die angeführten Beispiele machen deutlich, dass der mediantische Reprisenübergang oftmals keineswegs ein exzeptionelles Ereignis innerhalb eines Satzes darstellt, sondern durch analoge Übergänge zwischen (groß)formalen Abschnitten vorweggenommen wird. Dies lässt darauf schließen, dass die Komponisten hier nicht um Intra-Opus-Varietas bemüht waren, sondern vielmehr die Verteilung mediantischer Fortschreitungen über den Satz als kohärenzstiftende Maßnahme benutzten. Der beschriebene Zusammenhang ist freilich nicht zwingend, da auch im Falle eines mediantischen Übergangs zwischen Exposition und Durchführung durchaus eine gewöhnliche dominantische Vorbereitung der Reprise erfolgen kann.[119] Dennoch scheint die Annahme plausibel, dass satzinterne ›Beziehungen auf Distanz‹, die die Kohärenz einer Komposition fördern, neben den bereits beschriebenen Aspekten (wie z.B. Vorwegnahme des 3. Tons, Verlagerung des Gewichts der V. Stufe vom Ende der Durchführung in das Repriseninnere) einen die kompositorischen Entscheidungen maßgeblich bestimmenden Faktor dargestellt haben.
Anmerkungen
Der vorliegende Beitrag stellt eine stark erweiterte und überarbeitete Fassung eines Teilkapitels meiner im August 2006 an der Universität Würzburg eingereichten Magisterarbeit »Studien zu ›Reprisenrückleitung‹ und ›Reprisenbeginn‹ in den Sonatenformsätzen Joseph Haydns zwischen 1770 und 1790« dar. | |
Vgl. Andrews 1981. Andrews sieht im extensiven Rückgriff auf verwandte Molltonarten im Rahmen der Durchführung eine Kompensation für die Dominanz von Dur-Tonarten in den übrigen Teilen eines herkömmlichen Sonatensatzes (1981, 465). Vergleichbare Beobachtungen finden sich auch in Haimo 2005. | |
In nicht wenigen Fällen ist die Grundtonart bereits mit Beginn der Rückleitung (vorzugsweise in Gestalt eines Dominantpedals) erreicht. Rückleitungen können somit (ebenso wie Expositionsüberleitungen) prinzipiell nicht-modulierend sein. | |
Vgl. Webster 1991, 142. | |
Vgl. Schneider 1978, 220. | |
Die obere Dur-Mediante bildet in vielen Durchführungen das tonale Mittelgrundziel (im Sinne Heinrich Schenkers) (vgl. Webster 1991, 142). Diese Verwendungsweise veranlasst Channan Willner zu der Kritik an Andrews und Schwarting, beide Autoren würden die Autonomie der Mediante zugunsten ihrer Funktion als Halbschluss-Dominante vernachlässigen (1988, 82, Anm. 7): »Both Schwarting and (even more so) Andrews view the mediant – owing no doubt to the chromatic alteration of its third – as the dominant of the submediant rather than as an autonomous chord, even when the submediant plays only a minor role in the design of the development.« Allerdings räumt auch Willner an anderer Stelle ein: »The absence of tonicization, underscored by the mediant’s chromatic alteration to a major chord, by its frequent introduction through an augmented sixth chord, and by its continuation to a semi-cadential caesura, often causes the mediant to sound deceptively like the dominant of the submediant.« (Ebd., 82) Die im Zuge des vorliegenden Beitrags angeführten Beispiele mediantischer Klänge können ausnahmslos als halbschlüssige Dominanten begriffen werden. | |
Es handelt sich hier um eine Terzverwandtschaft ersten Grades, da die Dominante der parallelen Molltonart mit dem Akkord der I. Stufe einen Ton gemeinsam hat. Das Kriterium der Anzahl gemeinsamer Töne dient zahlreichen theoretischen Ansätzen als Basis zur Klassifizierung mediantischer Akkordrelationen. | |
Mediantische Fortschreitungen sind weder auf den Reprisenübergang, noch auf den Sonatenformkontext beschränkt. Sie finden sich z.B. 1.) zwischen Überleitung und Seitensatz: Beethovens Klaviersonate op. 10 Nr. 2,i, T. 17–19; Schuberts Klaviertrio D 898,i, T. 49–59; 2.) zwischen langsamer Einleitung und Satzbeginn: Haydns Symphonie Nr. 103,i, T. 35–40; 3.) in Sonatenrondos: Haydns Symphonien Nr. 64,iv, T. 109–113; Nr. 95,iv, T. 105–106; Nr. 103,iv, T. 259–264; Streichquartett op. 71 Nr. 3,iv, T. 82–88; 4.) vor einem Konzertritornell: Haydns Klavierkonzerte Hob. XVIII:11,iii, T. 252–254; Hob. XVIII:4,iii, T. 113–125; 5.) in langsamen Variations-Sätzen: Haydns Symphonie Nr. 98,ii, T. 46–49; in den Doppelvariationen von Haydns Klaviersonate Hob. XVI:39,i, T. 74–76; 6.) zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Sätzen eines Zyklus: der Übergang des langsamen Mittelsatzes in den Finalsatz in Haydns Klaviersonate Hob. XVI:38; 7.) zwischen Trio und wiederholtem Menuett: Haydns Symphonie Nr. 50,iii; Streichquartett op. 17 Nr. 2,ii. | |
Walther 1732, 354. Dieses Sprachgebrauchs bedient sich Ende des 17. Jahrhunderts bereits Charles Masson in seinem 1697 in Paris erschienen Nouveau traité des règles de la composition de la musique […], sowie zehn Jahre vor dem Erscheinen von Walthers Musicalischem Lexicon Jean Philippe Rameau in seinem 1722 publizierten Traité de l’harmonie réduite à ses principes naturels. Einen knappen Überblick zur Begriffsgeschichte des Terminus ›Mediante‹ bietet Schneider 1978, 210, Anm. 1. Weitere begriffliche Differenzierungen finden sich bei La Motte 1997, 160. | |
Nimmt man etwa C-Dur als Bezugsakkord, so ergibt sich durch Veränderung von Intervallrichtung (oberes oder unteres Terzintervall), -größe (große oder kleine Terz) und Tongeschlecht (Dur oder Moll) eine acht Medianten umfassende Klasse (E-Dur, e-Moll, Es-Dur, es-Moll, A-Dur, a-Moll, As-Dur, as-Moll). | |
Louis/Thuille 1914, 347 sprechen von »chromatischer Terzverwandtschaft« zwischen III# und I. | |
Vgl. Kurth 1923, 159–182. | |
Z.B. Hepokoski/Darcy 2006, 198: »Expressively, this is like being plucked from relative darkness (the implication of impending minor) to the renewed brightness of the major mode with the onset of the recapitulation.« | |
Vgl. z.B. Riezler 1966 (1936), 335: »[…] Alle diese Dreiklänge liegen außerhalb der Tonart C-dur, ihre Wirkung ist daher, wenn sie unvermittelt auftreten, nicht funktionell, sondern sozusagen ›farbig‹.« Siehe dazu auch Schneider 1978, 212. | |
Weitere Beispiele sind Jean Joseph Mondonvilles Sonate für Cembalo und Violine op. III Nr. 3,i (1734), T. 58–59; Haydns Barytontrio Hob. XI:117,i (T. 40f.); Dittersdorfs Symphonie in C-Dur (Nr. 1,ii; nach Ovids Metamorphosen, publiziert 1785). | |
Diese Option wird bereits bei Heinrich Christoph Koch beschrieben (1787, 224). | |
Hepokoski/Darcy 2006, 198. »VA« definieren die Autoren als einen ›aktiven‹ Akkord, der die Auflösung in die Tonika impliziert, seinerseits jedoch nicht als Tonart bestätigt wird (vgl. XXV). | |
Ebd., 10. | |
Vgl. Andrews 1981, 468. | |
Edwards 1998, 296f. | |
Schwarting 1960, 170. Dass Mozart mediantische Reprisenübergänge auch in späterer Zeit keineswegs völlig gemieden hat, beweisen etwa die zweiten Sätze aus KV 548 und 590. | |
Vgl. ebd., 169. Dieser Auffassung schließt sich auch Bernd Sponheuer an, der den mediantischen Reprisenübergang in seiner Formanalyse des Sonatenrondo-Finales aus Haydns Es-Dur-Symphonie Nr. 103 gleichermaßen als Überraschungseffekt betrachtet (1977, 208). | |
Z.B. Webster 1991, 142: »This method of preparing a return to the tonic was common throughout the middle and late Baroque.« Siehe bereits Schwarting 1960, 169. | |
Gasparini 1708, 23, im Kapitel 5 »Osservazioni per descender di grado, e di salto« (»Beobachtungen zur stufenweisen und saltierenden Abwärtsbewegung«): »Zuweilen bildet die Komposition eine Art Kadenz, die auf einer Note mit großer Terz zur Ruhe kommt, und greift dann auf den unteren Terzton zurück, und macht einen bestimmten Anfang; nun verlangt diese Note nicht nach der Sexte, sondern nach der Quinte. Dies praktiziert man sowohl in geistlichen als auch weltlichen Vokalkompositionen, für die Kammer ebenso wie für das Theater: und man nutzt es, um eine interrogative oder exklamatorische Phrase zu beenden, und dann nimmt man die nächste in Angriff; und man gebraucht es für gewöhnlich im ernsten Stil, oder im Rezitativ.« (Deutsche Übersetzung des Autors) Interessanterweise hat Gasparini hauptsächlich Beispiele aus dem Bereich der Vokalmusik im Blick, während die im vorliegenden Beitrag referierten (späteren) Kompositionen fast ausschließlich dem Bereich der Instrumentalmusik entstammen. Der Hinweis auf Gasparini findet sich meines Wissens erstmals bei Leonard Ratner (1980, 226). Michael Spitzer benennt nach Gasparini sogar einen eigenen Kadenztyp, die ›Gasparini cadence‹ (1996, 43). Beinahe 50 Jahre nach Gasparini erwähnt Joseph Riepel in seinen 1755 erschienenen Grundregeln zur Tonordnung insgemein (das zweite Kapitel seiner Anfangsgründe zur musicalischen Setzkunst) den mediantischen Übergang im instrumentalkompositorischen Kontext (vgl. Riepel 1996, 92). Aus der Bemerkung, die Riepel dem Discantista in den Mund legt, lässt sich schließen, dass der mediantische Übergang um die Mitte des 18. Jahrhunderts durchaus noch auf Befremden stieß: »Ich wundere mich nur über den so fremden Absatz in der Terz E, weil das Thema im Hauptton gleich wieder darauf anfängt. Das habe ich noch in keiner Simpfonie gehört. Wiewohl es, weil dieser Absatz nur in der Sext A ausgedähnt ist, keine andere Miniatur leidet, als: C - G - A - C.« (1996, 93; den Hinweis auf Riepel verdanke ich Felix Diergarten.) | |
Vgl. Schwarting 1960, 169. Weitere Beispiele finden sich z.B. bei Händel, Corelli und Vivaldi: G.F. Händel: Concerti Grossi (op. 3 Nr. 2 in B-Dur, Largo, ii → Allegro, iii; op. 6 Nr. 5 in D-Dur, Largo [zwei Adagio-Schlusstakte], iv → Allegro, v; op. 6, Nr. 11 in A-Dur, Largo e staccato, iii → Andante, iv), Suiten (Nr. 1 in F-Dur, HWV 348, Adagio e staccato, ii → Allegro, iii; Andante, iv [zwei Adagio-Schlusstakte] → Presto, v), Orgelkonzert (op. 7 Nr. 1 in B-Dur, »Org: ad libit. adag: ex g moll«, v → Bourrée: Allegro). A. Corelli: Concerti Grossi, publiziert 1714 (Nr. 1 in D-Dur, Largo → Allegro; Nr. 4 in D-Dur, Adagio → Vivace; Largo → Allegro; Nr. 6 in F-Dur, Largo → Vivace; Nr. 7 in D-Dur, Andante largo → Allegro; Nr. 9, Gavotta. Allegro – Adagio → Minuetto. Vivace; Nr. 10 in C-Dur, Allemande. Allegro – Adagio → Corrente. Vivace; Nr. 11 in B-Dur, Andante Largo → Sarabande. Largo; Nr. 12 in F-Dur, Adagio → Sarabande. Vivace). Vivaldi: Concerto Grosso (op. 8 Nr. 3 in F-Dur, Adagio molto, ii → Allegro, iii). Weitere Beispiele nennt LaRue 1957. | |
Vgl. Moosbauer 1998, 284. Kurz zuvor gelangte Moosbauer noch zu einer genau entgegengesetzten Einschätzung: »Die zwei übrigen [Finali], Nr. 50 und 52, verzichten auf jegliche harmonische Verbindung, so daß der Bereich der Haupttonart und als direkte Konsequenz daraus die Reprise unvermutet eintritt.« (1998, 283) | |
Webster 1991, 138. | |
Ein solcher statistischer Normbegriff liegt der Studie Schwartings zugrunde, die sich allerdings nicht nur auf die Untersuchung mediantischer Reprisenübergänge im oben definierten Sinn beschränkt (1960, 180): »Diese [harmonisch außergewöhnlich verlaufenden Bildungen] bleiben gegenüber der ›Norm‹, soweit es eine gibt, erheblich in der Minderzahl. Es zeigt sich aber, daß diese Erscheinungen, falls sie nicht in Einzelfällen Relikte aus früheren Stilepochen sind, nur in qualitativ bedeutsamen Werken vorkommen. Das soll nicht heißen, daß aus ihnen ein Qualitätsmaßstab gewonnen werden kann, wohl aber, daß es nicht um belanglose Abweichungen zufälliger Art geht. Eine Motivierung der Sonderlösungen aus kompositorischen Erwägungen konnte fast immer geboten werden.« Auch wenn Schwarting vorgibt, aus Normabweichungen kein positives ästhetisches Werturteil abzuleiten, so verbindet er mit ihnen dennoch den Charakter qualitativ hochwertiger Kunstprodukte. | |
Statt zwischen Norm und Normverstoß bzw. -abweichung zu differenzieren, schlägt Leonard B. Meyer die Unterscheidung zwischen Regeln (»rules«) und Strategien (»strategies«), wobei Letztere als kompositorische Entscheidungen im Rahmen der durch Regeln etablierten Zwänge (»constraints«) definiert werden. Dabei seien Strategien allerdings nicht in der Lage, die Gültigkeit der Regeln und die daraus abgeleiteten Hörerwartungen in Frage zu stellen: »[…] it should be noticed that the frequency with which a particular strategy is employed does not change the rules that governs its use and significance. For instance, though the frequent use of deceptive cadences in late nineteenth-century music changes the listener’s sense of the probability of occurrences […], his or her understanding of the syntactic function of such progressions does not change.« (1989, 19) In der kognitiven Psychologie ist dieses Phänomen unter dem Begriff »Wittgensteins Paradox« bekannt. | |
Ebd., 142. Vor dem Hintergrund dieser Äußerung bleibt allerdings unverständlich, weshalb Webster den mediantischen Reprisenübergang im Finalsatz von Haydns Symphonie Nr. 50 als »shocking« empfindet (1991, 143; 210). Eine positive Bewertung bietet Cahn, der die quasi-synästhetischen Qualitäten der mediantischen Progression hervorhebt: »Hier steht der Orgelpunkt auf der Dominante der Paralleltonart und verleiht dem folgenden C-Dur der Reprise durch den Farbwechsel besonderen Reiz.« (1967, 187) | |
Ebd., 142f. | |
Vgl. Bonds 1988, 254. | |
Der Begriff wurde von Peter A. Hoyt geprägt (1999, 43). | |
Dieser Übergang kommt u.a. in folgenden Kompositionen Haydns vor: In den Symphonien Nr. 42,i (T. 87–89), Nr. 43,i (T. 105–113) und Nr. 46,i (66–70) sowie in den Streichquartetten op. 20 Nr. 1,i (T. 40–43) und op. 54 Nr. 3,iv (T. 83–95). Die Tatsache, dass die angeführten Kompositionen (mit Ausnahme von op. 54 Nr. 3) gehäuft um das Jahr 1770 auftreten, lässt sich als mit dem obigen Befund konvergierende Evidenz interpretieren. Ein frühes Beispiel für einen mediantischen Übergang zu einem bloß tonalen ›medial return‹ enthält Haydns Symphonie Nr. 31 (»Hornsignal«; 1765),i, Takt 69–71. Im ersten Satz der Symphonie Nr. 71 (ca. 1779/80) komponiert Haydn ein ausgedehntes Dominantpedal V/vi (T. 106–120) zur Vorbereitung eines ›medial return‹ (T. 121ff.), der durchaus Anspruch auf den Status einer tatsächlichen Reprise erheben kann, wenngleich er erstens in thematischer Hinsicht nicht mit dem Expositionsbeginn identisch ist und zweitens in Takt 169 (im Sinne einer ›doppelten Reprise‹) ein weiteres Reprisenereignis erfolgt. | |
›Falsche Reprisen‹ in der Tonart der IV. Stufe, die durch einen mediantischen Übergang erreicht werden, finden sich z.B. in Haydns Streichquartett op. 20 Nr. 4,i (T. 203–206), sowie in seinen Symphonien Nr. 51,i (T. 107–109) und Nr. 80,iv (T. 159–168). Einem mediantischen Übergang zu einer ›tatsächlichen Reprise‹ in der Subdominanttonart begegnet man etwa in den Streichquartetten op. 2 Nr. 4,i (T. 46–50) und op. 20 Nr. 3,iii (T. 65–66). | |
Dieses Problem ließe sich durch die Preisgabe der These, ›falsche Reprisen‹ würden auf ein Spiel mit Hörerwartungen abzielen, lösen. Dafür plädiert Neuwirth (i.Vorb.). | |
Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Rosen, der Seitensätze in mediantischen Tonarten bei Beethoven als Alternative zu Nebenthemen in Dominanttonarten (als »substitute dominant«) begreift (1971, 382f.). Umso verwunderlicher ist, dass Rosen auf eine analoge Behandlung des mediantischen Akkords III# als Dominantsubstitut verzichtet. | |
Webster 1991, 142: »Around 1770, however, the sense of this progression seems to have changed into a sophisticated variation of the (by then) all-too-conventional dominant retransition, a kind of alternative dominant (and not merely a variant of the earlier full cadence in the relative minor).« Rosens These wird unter 2.5. eingehender erläutert. | |
Vgl. LaRue 1957, 182. | |
Vgl. LaRue 1957 und 1992. | |
Vgl. Hepokoski/Darcy 2006, 201. Siehe auch Caplin 1998, 141: »A second exception arises when the composer ends the development with a harmony that can function as a substitute for the normal home-key dominant, such as V/VI, but also V/III. Both these harmonies contain the leading-tone of the home key, a necessary condition for dominant functionality.« | |
Louis/Thuille 1914, 344. | |
In manchen Fällen wird die Akkordquinte allerdings nachgereicht. | |
Vgl. Polth 2000, 88f: »Daß die Terz der V. Stufe jedoch Leitton sein kann, rührt von der diatonischen Ordnung her, in der die Terz 7. Ton ist. Leitton ist der 7. Ton jedoch nicht allein aufgrund der Diatonik, sondern in gleicher Weise aufgrund der Tatsache, daß er Bestandteil einer V. Stufe (und nicht etwa einer III. Stufe) ist.« | |
Ebenso wenig kann damit erklärt werden, warum Komponisten wie Haydn in vielen Fällen die chromatische anstelle der nicht-chromatischen Mediante gewählt haben, sofern man sich nicht mit der Erklärung begnügen will, die nicht-chromatische Mediante sei als Mollakkord denkbar ungeeignet für eine Dominantfunktion. | |
Hepokoski/Darcy 2006, 201. | |
Die aus der Linguistik entlehnten Begriffe ›paradigmatisch‹ und ›syntagmatisch‹ bezeichnen vertikale bzw. horizontale Grundrelationen eines Sprachsystems. | |
Schenker 1906, 353. | |
Ebd., 352f. | |
LaRue 1992, 61. | |
Vgl. Schneider 1978, 222. | |
Vgl. Louis/Thuille 1914, 344: »Nun ist aber weiterhin zu bemerken, daß bei allen derartigen chromatischen Terzschritten noch ein weiteres Moment hinzukommt, ohne das ihr eigentümlicher Effect nicht zu verstehen wäre. Wir meinen die mehr oder minder latenten enharmonischen Beziehungen, die mit hereinspielen. So ist es […] keineswegs gleichgültig, daß das gis enharmonisch identisch ist mit as, der oberen Halbton-Wechselnote von g […].« | |
Im Anschluss an Alois Hába wird hier auch von einer ›tonzentralen Modulation‹ gesprochen. Van der Linde (1986) prägte den alternativen Begriff der ›link-note modulation‹. | |
Vgl. Schneider 1978, 223. Zum Konzept der »abbreviated chords«, siehe Van der Linde 1986, 7. | |
Vgl. Schneider 1978, 222f., sowie Caplin 1998, 141. | |
Vgl. LaRue 1992, 72. Zugleich macht dieses Verfahren und die daraus resultierende ›tonzentrale Modulation‹ auf den historisch ambigen Charakter des mediantischen Übergangs aufmerksam, der nicht nur spätbarocken Ursprungs ist, sondern darüber hinaus auf die avancierten Modulationstechniken des 19. Jahrhunderts vorausweist. | |
Zum Halbschluss in der Tonart der iii. Stufe mit darauffolgender grundtonartbezogener Dominante, die den Eintritt der Reprise vorbereitet – eine Strategie, die von Haydn und Beethoven in einigen Fällen genutzt wurde – siehe Burstein 1998. | |
Eine vergleichbare Technik ist auch in Clementis D-Dur-Klaviersonate op. 40 Nr. 3,i (T. 172–178) anzutreffen. Anhand von Haydns Streichquartett op. 71 Nr. 3,i liefert Anson-Cartwright eine Beschreibung dieses Verfahrens (2000, 181f.). | |
Z.B. Rosen 1971 und 1980, Ratner 1980, sowie Webster 2001. Im deutschen Sprachraum sei stellvertretend für eine Reihe von Arbeiten auf Jens Peter Larsens rezeptionsgeschichtlich einflussreichen Aufsatz »Sonatenform-Probleme« (1963) verwiesen. | |
Vgl. Rosen 1980, 222. | |
Diese Auffassung ist bereits in frühen deutschsprachigen Quellen nachweisbar, siehe z.B. Stöhr 1917, 370: »Eine gute Durchführung ist durch folgende Merkmale charakterisiert: 1.) Einführung und reichlicher Wechsel neuer, auch ferne liegender Tonarten bei Vermeidung der im ersten Hauptteil gebrachten Tonarten, insbesondere der Haupttonart.« (Kursiv M.N.) Vgl. auch Leichtentritt 1927, 141. | |
Vgl. Webster 2001, 692. Webster ersetzt in der zweiten Ausgabe des New Grove Dictionary den Ausdruck ›psychological‹ durch ›structural‹ unter Beibehaltung des inhaltlichen Kontextes. | |
Das damit beschriebene Sonatenform-Paradigma beruht im Hinblick auf das zugrunde liegende Spannungs-Lösungs-Modell in hohem Maße auf der Theorie Heinrich Schenkers, auch wenn über den präzisen Moment der Spannungsauflösung eine differierende Ansicht vertreten wird. Darüber hinaus sind die Vertreter dieser Sonatenformtheorie nicht zwingend Anhänger Schenkers. | |
Das Konzept geht auf Edward T. Cone zurück (vgl. Cone 1968, 76f.). | |
Webster 2001, 688: »The ›sonata principle‹ […] requires that the most important ideas and the strongest cadential passages from the second group reappear in the recapitulation, transposed to the tonic.« In diesem Zusammenhang stellt sich unweigerlich die Frage, nach Maßgabe welcher Kriterien die ›wichtigsten Ideen‹ identifiziert werden sollen. Da für die Festlegung der ›most important ideas‹ kein von der faktischen Kompositionspraxis unabhängiges Kriterium existiert, droht hier die Gefahr der Zirkularität (vgl. auch Hepokoski 2002, 93). | |
Rosen 1980, 150. | |
Vgl. Hoyt 1999, 16. Eine vermittelnde Position zwischen der traditionellen Sichtweise, die Rückleitungsdominante würde sich direkt in die Tonika des Reprisenbeginns auflösen, und der Schenkerschen Auffassung, dass diese beiden Akkorde nicht als Bestandteile einer Progression, sondern als disparate Momente zu verstehen seien, nimmt Poundie Burstein (2005, 306–308) ein: Unter Berufung auf Schenkers Schichtenlehre unterscheidet er zwischen einer unmittelbaren Auflösung der Dominante im Vordergrund (›relative foreground chord‹) und einer späteren Auflösung der Dominante auf einer höheren strukturellen Ebene (›background chord‹). Letztere findet für gewöhnlich im Bereich des Seitensatzes statt. Vgl. dazu Hepokoski/Darcy 2006, 147: »During the second part of the recapitulation the transposition of this fifth progression to the tonic effects the ultimate closure of the interruption structure.« | |
In den Expositionen von Mollsätzen ist der mediantische Übergang V/i - III zur Nebentonart bereits ab den 1740er Jahren als »first-level-default« beschreibbar. | |
Eine ausführliche Kritik an Beachs Vorgehensweise und den Schlussfolgerungen findet sich bei Perl 2005, 28. Insbesondere die von Beach vertretene Auffassung, mediantische Reprisenübergänge würden aufgrund der großräumigen Dreiklangsbrechung im Bass einen motivischen Konnex zur Dreiklangsstruktur des Eröffnungsthemas ausbilden, stellt Perl mit dem Hinweis in Frage, »Dreiklangsmotivik in Hauptthemen der Klassik« sei »so alltäglich«. | |
Vgl. Beach 1983, 15, 20. | |
Vgl. Schachter 1987, 298, Ex. 8. Freilich handelt es hierbei keineswegs um einen gleichsam ›deterministischen‹ Zusammenhang, denn im ›klassischen‹ Repertoire ließen sich mühelos unzählige Beispiele anführen, in denen die Reprise trotz eines strukturell prominenten 3. Tons durch eine aktive Rückleitungsdominante vorbereitet wird. Doch darf das Verfahren der Verklanglichung zentraler linearer Elemente (also deren Tendenz, selbst ›Stufen‹ zu werden) als probates kompositorisches Mittel zu deren Hervorhebung gelten. | |
Der Begriff wurde von Lubov Russakovsky geprägt (2001, 24). | |
Der Ausdruck ›rekomponierte Reprise‹ wird hier anstelle der deutschen Übersetzung der englischen Begriffe ›altered reprise‹ oder ›altered recapitulation‹ vorgeschlagen, um eine terminologische Konfusion mit dem historischen Ausdruck ›veränderte Reprise‹ zu vermeiden, der etwa bei Carl Philipp Emanuel Bach ein anderes Phänomen, nämlich die direkte, ornamentierte Wiederholung der Exposition bezeichnet (siehe Bachs sechs Sonaten mit veränderten Reprisen für Klavier, Berlin 1760, H. 136–139, 126, 140). | |
Allerdings wird die strukturelle Schlusskraft der Kadenz (T. 141–145), die aufwendig u.a. durch einen Dominantquartsextakkord, dessen Auflösung mit Triller auf der 2. Tonstufe sowie den breiten (ganztaktigen) harmonischen Rhythmus – allesamt deutliche Zeichen einer bevorstehenden Schlusskadenz vor Einsatz der Schlussgruppe – inszeniert wird, wie bereits an analoger Stelle in der Exposition sowohl auf dynamischer Ebene (plötzliches piano) als auch durch die Taktverschränkung entscheidend geschwächt. Der darauffolgende zweite Anlauf ist ebenso wenig erfolgreich; diesmal erweist sich der Akkord auf der Ultima sogar als Molltonika (T. 150), von der ausgehend nun ein dritter Versuch unternommen wird, der schließlich – nach Interpolation der Zwischenharmonien C-Dur und a-Moll, die den Dominantklang gleichsam einkreisen – mit einem Halbschluss endet (T. 157). Auch die gemessen an den Umfängen der übrigen Formteile überdimensional angelegte Coda, die mit Takt 158 (also in jenem Moment, wo die Parallelität zur Exposition abbricht) beginnt, lässt Zweifel aufkommen, ob der Kadenz in den Takten 144/145 tatsächlich eine die Struktur abschließende Bedeutung zukommt. In der Coda startet die Bewegung aufs Neue auf der Ebene der Dominante, läuft sich allerdings (abermals) auf einem Dominantsekundakkord fest (T. 161–165), der keine direkte Auflösung (etwa in einen Tonikasextakkord) erfährt. Stattdessen erklingt wiederum das Thema der Schlussgruppe (in Takt 166), diesmal in Umkehrung. Über einen neapolitanischen Sextakkord, chromatisch gesteigert durch einen verminderten Septimakkord, der schließlich in einen dominantischen Quartsextakkord mündet, deutet sich eine weitere ausladende Kadenzinszenierung an, die diesmal allerdings bereits auf der Antepenultima abbricht (T. 168–172). Wiederum wird in der Oberstimme das e2 festgehalten. Erst das Wiederaufgreifen des (leicht veränderten) Hauptthemas (T. 173–180) führt den lang erwarteten Abschluss der Kadenz herbei, gefolgt von einer triolisch die Kerntöne des Themas umspielenden Taktgruppe, die schließlich in Takt 184 das e in der eingestrichenen Oktave erreicht und in Takt 188 kadenziell bekräftigt. Es handelt sich also hier um ein von Haydn mit allen Mitteln der Kunst inszeniertes Spiel, einen aufwendig vorbereiteten Abschluss im letzten Moment abzuschwächen bzw. ins Leere laufen zu lassen, um einen stets weiteren Versuch zu rechtfertigen. | |
Die These, die bei Haydn häufig anzutreffende Rekomposition der Reprise sei auf die monothematische Anlage der Exposition zurückzuführen, wird in Haimo 1988 vertreten. Demnach würde die Reprisenrekomposition auf die Wiederherstellung des proportionalen Gleichgewichts zwischen Exposition und Reprise abzielen, das durch die Weglassung des als redundant empfundenen retransponierten Hauptthemas (bzw. Hauptthemenkopfes) sowie der vorausgehenden Überleitungspassage, die nun überflüssig erscheint, gefährdet worden sei (Haimo 1988, 340). Dieses Erklärungsmodell, das lange Zeit als unumstritten galt, hat durch jüngere Forschungsarbeiten entscheidende Kritik erfahren, die auf empirische und konzeptionelle Probleme des Redundanz-Prinzips verweisen (vgl. Schmidt-Thieme 2000, Bergé 2003). Insbesondere verkennt Haimos Erklärungsansatz, dass Haydn in einer keineswegs geringen Anzahl an Kompositionen den hauptthemenbasierten Seitensatz in der Reprise wörtlich oder nur geringfügig verändert wiederholt, so dass die Funktion der Überleitung (abgesehen von der tonalen Adjustierung) unangetastet bleibt und daher von einer Gefährdung des proportionalen Gleichgewichts keine Rede sein kann (z.B. Hob. XVI:26,i; Hob. XVI:52,i; Hob. XV:14,iii; Hob. XV:18,i; Hob. XV:21,i; Hob. XV:29,iii; Symphony Nr. 8,i; Nr. 50,iv; Streichquartett op. 20,4,iv). | |
Haimo 1995, 194. | |
Harrison 1998, 72f. | |
Vgl. Neuwirth i.Vorb. | |
Harrison 1998, 73. Kursiv M.N. | |
Ebd., 74. | |
»These features are unresolved details in the first movement which arguably necessitate a balancing over-emphasis on dominant preparation elsewhere in the work, specifically, in the Trio of the third movement, bars 52–70, and in the preparation for the final reprise in the finale, bars 146–63.« (Ebd.) Die Funktion der Folgesätze bestünde demnach in der Kompensation eines defizitären Ereignisses des ersten Satzes. | |
Haimo 1995, 194. In diesem Zitat wird deutlich, dass Haimo die Anomalie weniger in der mediantischen Reprisenrückleitung an sich sieht, als in der Tatsache, dass die gesamte Durchführung die Mediante anstelle der Dominante prolongiert und somit den Erwartungen der ›Standardtheorie der Sonatenform‹ zuwider läuft (vgl. auch ebd., 203). Den analytischen Nachweis hierfür liefert Galand 1995, 39. | |
Dieser Begriff sowie dessen Gegenbegriff »Beziehungen auf Distanz« gehen auf Martin Just zurück (1988, 296). | |
Hier liegt also der Typus einer nicht-modulierenden Rückleitung vor: Die gesamte Rückleitungspartie fällt mit einer prolongierten Dominantfunktion zusammen. Die hier vorgeschlagene Eingrenzung der Rückleitung weicht von Harrison ab, der den Rückleitungsbeginn mit Takt 198 festlegt (1998, 70). Harrisons Deutung scheint allerdings zwei signifikante Aspekte zu vernachlässigen: 1.) den kontinuierlichen Reduktionsprozess, der die Takte 191–211 verklammert; 2.) die Tatsache, dass die obligatorische Kadenz, die zur Artikulation der Rückleitungsgrenzen in Takt 197 zu erwarten gewesen wäre, im vorliegenden Fall fehlt. | |
Zum Begriff des ›prospektiven Fokus‹ bzw. der ›prospektiven Reichweite‹, der »die variable zeitliche Distanz zu einem bestimmten antizipierten Ereignis bezeichnet«, siehe Neuwirth 2008, 560f. | |
Vgl. Meyer 1956, 135–138, insbesondere 135: »A figure which is repeated over and over again arouses a strong expectation of change both because continuation is inhibited and because the figure is not allowed to reach completion.« | |
Diese Beschreibung steht in Einklang mit Michael Spitzers These, der mediantische Reprisenübergang sei ein im positiven Sinne hörerorientiertes Verfahren (mit einer formverdeutlichenden Funktion) gewesen: »[…] good tonic preparation was less pertinent to eighteenth-century ears than clear textural signposting and, more importantly, than modal resolution from minor to major. […] texture and rhetoric can and do signify closure without our knowledge of the original tonic.« (1996, 29) | |
Bereits der erste Satz von Haydns Symphonie Nr. 25 in C-Dur zeigte ein derartig unproportionales Verhältnis von ›Präsentation‹ und ›Entwicklung‹ (T. 24–37). | |
Aus der Retrospektive betrachtet vollzieht der B-Teil einen Vorgang, den Schenker als Terzteilung beschreiben würde: Die Quinte zwischen Grundton (b) und Subdominante (es) wird durch die VI. Stufe (g) in zwei Terzen gegliedert. An die Subdominante schließt sich die Kadenz in B-Dur an, deren finale Tonika den A’-Teil initiiert. | |
Vgl. Schmidt-Thieme 2000, 315. | |
Vgl. Bergé 2003, 204. | |
Für das Bestreben Haydns, das tonale Gewicht auf eine spätere Wiederholung des Hauptthemas zu verlagern, könnten auch die bereits von Larsen (1963, 228) beobachteten Übereinstimmungen dieses Sonatensatzes mit der Ritornellform ausschlaggebend gewesen sein, denn in Sonatenrondos oder Konzertsätzen der Zeit war es üblich, die Rückkehr mindestens eines Themas oftmals nicht-dominantisch (bisweilen mediantisch) vorzubereiten (siehe Beispiele in Anm. 8). | |
Die Verkürzung von Hauptthemen, die die Struktur einer dreiteiligen Liedform aufweisen, auf den A’-Teil scheint eine Konvention in Haydns Schaffen zu sein, denn er macht von dieser rekompositorischen Maßnahme auch in seinen Symphonien Nr. 85,i, Nr. 94,i und Nr. 96,i sowie in seinen Streichquartetten op. 33 Nr. 2,i, op. 33 Nr. 5,i und op. 71 Nr. 1,i und in der Klaviersonate Hob. XVI:Es2,i Gebrauch. Gleichwohl ist diese Konvention nicht auf Haydns Œuvre beschränkt (vgl. z.B. Leopold Kozeluchs Streichquartett op. 32 Nr. 2,i). | |
Hierin zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zur Symphonie Nr. 85: Während in der Symphonie der A-Teil ausgespart werden konnte, da das Hauptthema ohnehin an späterer Stelle als Seitensatz wiederkehrt, wird der A-Teil im Klaviertrio beibehalten und lediglich innerhalb der Reprise verschoben. | |
Die Dominante geht etwas unerwartet aus einem Dominantquartsextakkord in h-Moll hervor, dessen Grundton fis sich ins g bewegt; später tritt noch die Septe f hinzu. Wie im 2. Satz der Symphonie Nr. 99 (siehe 2.6.) wird der ›kompensatorische Dominantbereich‹ ab Takt 230 durch die charakteristische Wendung nach Moll kurzzeitig ›eingefärbt‹ und dadurch die Erwartung der Tonika der gleichnamigen Molltonart erzeugt. | |
Zudem sind die formalen Scharnierstellen auf sehr ähnliche Weise gestaltet: Der einstimmige Übergang zum Hauptthema in T. 236–237 (rechte Hand des Klaviers) ist analog zum Übergang in den A’-Teil der Exposition einerseits und zur Reprisenüberleitung andererseits komponiert. | |
Das Epilog-Hauptthema (T. 238–248) treibt ein auffälliges rhythmisches Merkmal auf die Spitze, das bereits zu Beginn des Satzes anwesend war, nämlich die Synkope auf dem zweiten Achtel, die dort jeden zweiten Takt (T. 2, 4, 6, 8) erklungen ist. Anstatt die Periodenstruktur in Takt 245 mit einem Ganzschluss zu beenden, wird dieser mit Hilfe des synkopierten Sextakkords der ii. Stufe (jeweils auf dem zweiten Achtel) zweimal suspendiert, um erst beim dritten Anlauf zu gelingen (T. 248–249). Das Resultat ist eine viertaktige Phrasenexpansion. Auf der Grundlage dieser Beschreibung lässt sich die Sichtweise ableiten, das Epilog-Thema stelle das klimaktische Moment dieses Satzes dar. | |
Kühn 1998, 31. | |
Schönberg 1967, 28. | |
Vgl. Haimo 1995, 4–8. | |
Haimo 1995, 7. | |
Zu den Begriffen Intra-Opus, Inter-Opus und Extra-Opus, mit denen unterschiedliche Referenzebenen bezeichnet werden, siehe Neuwirth 2008, 560. | |
Eine auf dem Prinzip der Intra-Opus-Varietas fußende Erklärungsstrategie entwickelt Schwarting (1960, 171) am Beispiel von Haydns Es-Dur-Streichquartett op. 64 Nr. 6,i: »Die Modulationssequenz, die zur Reprise führt, arbeitet mit Zwischen- und Einführungsdominanten. Es wäre somit unwirksam, wenn auch die Zieltonart selbst durch dieses Mittel, also ihre Dominante, angesteuert würde«. Diese Aussage impliziert, dass bestimmte kompositorische Mittel, sollten sie zu häufig gebraucht werden, an Wirkung verlieren. Die Verwendung des mediantischen Übergangs vermeide somit die Gefahr von Redundanz, die durch eine weitere dominantische Progression entstanden wäre. Schwartings Erklärung ließe sich allerdings leicht durch den Verweis auf zahlreiche Fälle in Frage stellen, in denen Haydn trotz der (üblichen) Verwendung von Zwischendominanten in der Reprisenrückleitung den Repriseneintritt selbst ebenfalls mittels einer dominantischen Progression artikuliert (wie etwa in Sätzen, in denen zum Zweck der Rückmodulation auf das ›Fonte‹-Modell rekurriert wird). Neben diesem gleichsam ›empirischen‹ Einwand sei auf ein prinzipielles Problem des Varietas-Arguments verwiesen, das darin besteht, dass es denkbar unpräzise und bis zu einem gewissen Maß beliebig interpretierbar ist. Darüber hinaus handelt es sich dabei um ein ad-hoc-Argument, das vor allem dann ins Spiel kommt, wenn Eigenschaften einer Komposition erklärt werden sollen, die vor dem Hintergrund des ›standardtheoretischen‹ Paradigmas problematisch erscheinen. | |
Vgl. Rosen 1980, 255. | |
Ähnlich kritisch äußert sich Perl gegenüber Rosens These: »Der Halt auf der Dominante der VI. Stufe sei [Rosen zufolge] bei den Klassikern eine beabsichtigte Vermeidung dieser bereits als altmodisch empfundenen Kadenz. Ich bin von der Existenz einer solchen Konvention nicht ganz überzeugt, und außerdem scheinen mir die frühen Beispiele bei Haydn zu beweisen, dass es sich hier eher um eine direkte Fortsetzung barocker Konventionen handelt.« (2005, 12, Anm. 5) Perls Auffassung steht im Widerspruch zur hier vertretenen Position, die im mediantischen Übergang eine Transformation barocker Konventionen sieht. | |
Vgl. Schachter 1987, 296: »And none of the great composers – least of all [Joseph] Haydn, with his unparalleled powers of invention – makes compositional choices just to avoid stereotypes; indeed they are often more willing than lesser musicians to use clichés if the context is appropriate.« Ein logisches Problem von Schachters Behauptung liegt darin, dass ein wesentlicher begründender Bestandteil seiner Aussage (in Parenthese) auf Persönlichkeitseigenschaften Haydns rekurriert. Diese lassen sich jedoch nur aus dem Werk selbst ableiten, dessen Beschaffenheit sie eigentlich erklären sollen. Somit ist sein Argument partiell der Gefahr der Zirkularität ausgesetzt. | |
Zum Begriff der ›compound basic idea‹ siehe Caplin 1998, 61. | |
Die Reprise entspricht – abgesehen von einer achttaktigen Ausdehnung des Hauptthemenbereichs und den für Sonatenformsätze ›notwendigen‹ tonalen Adaptionen – im Wesentlichen der Exposition: Der zweite Themenbereich schließt nach einem ›bifocal close‹ nicht in der Dominanttonart, sondern in der Grundtonart an. Haydn sieht also offenbar keine Notwendigkeit, die vermeintlich ›schwache‹ harmonische Vorbereitung des Repriseneintritts durch den Einschub eines ›kompensatorischen Dominantbereichs‹ auszugleichen, der wiederum eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Rekomposition der Reprise zur Folge gehabt hätte. | |
Modellbildend für die hier beschriebene Strategie könnte Haydns beinahe 40 Jahre früher komponiertes Streichquartett op. 1 Nr. 2, v gewesen sein, das zugleich das erste Beispiel im Œuvre des Komponisten für einen mediantischen Reprisenübergang darstellt und daher für die zeitgenössischen Hörer in der Tat überraschend gewirkt haben könnte (vgl. auch das Riepel-Zitat in Anm. 24): Die Durchführung endet hier im unisono auf dem 3. Ton (T. 54) und lässt daraufhin nur den Periodenvordersatz, welcher auf lokaler Ebene die ›Unterbrechung‹ auf der 2. Tonstufe herbeiführt (T. 58), zum Zwecke der Markierung des Reprisenbeginns (T. 55) erklingen. Dagegen wird der Nachsatz gänzlich ausgespart; stattdessen werden die Expositionstakte 9–16 quinttransponiert wiedergegeben (nur T. 61 stellt eine geringfügig veränderte Version von Takt 11 dar), welche den in Takt 58 unterbrochenen Terzzug zu Ende führen. Da Haydn, wie in einigen seiner frühen Symphonien (z.B. in den ersten Sätzen aus Nr. 1, 2, 4, und 15), entsprechend einem älteren Expositionstypus einen Kontrastteil in der gleichnamigen Molltonart (es-Moll) folgen lässt, der die Kadenz in Takt 66 kurzzeitig noch einmal in Frage stellt, bleibt es den Schlusstakten (T. 73–78) vorbehalten, der finalen Kadenz die rhetorische Entschiedenheit einer strukturell abschließenden Schlussformel zu verleihen. | |
Haydn schließt in Takt 60 anstelle des Nachsatzes nahtlos den quinttransponierten Seitensatz an und erzeugt dadurch, dass der Seitensatz auf dem Hauptthema basiert, eine Art Fusion von Periodennachsatz und Seitensatz, die umso wirksamer erscheint, als die gesamte Passage (T. 60–70) in der Streicherinstrumentation des Nachsatzes, nicht in der Bläserorchestrierung des Seitensatzes dargeboten wird. Die daraus resultierende Rekomposition des Periodennachsatzes stellt ein beliebtes Verfahren im Schaffen Haydns dar, das der Komponist im Sonatenformkontext um einiges häufiger verwendete, als die zweifelsohne kompositionsökonomisch sparsamere Methode, die Periodenstruktur als Ganzes intakt zu lassen (etwa in den Klaviersonaten Hob. XVI:18,i; 44,i; 45,i; 22,ii; 23,i; 20,i,iii; 37,i; 51,i; in den Klaviertrios Hob. XV:12,i,ii; 14,iii; 16,i; 17,ii; 21,i); in den Symphonien (Nr. 61,ii; 67,ii; 79,i; 81,iv; 84,i; 91,i; 93,i; 100,i; 104,i,iv); sowie in den Streichquartetten (op. 2,2,i; 20,3,iv; 54,3,i,iv; 55,3,i,iv; 64,2,i; 64,4,i,iv; 64,6,i; 71,2,i; 74,1,i; 76,1,i; 76,3,iv; 77,2,i). Im spezifischen Kontext der Symphonie Nr. 99 hat die von Haydn gewählte Rekomposition auch zur Folge, dass das irritierende Moment der in der Exposition ›vermiedenen Kadenz‹ (T. 13) in der Reprise ausgespart wird. | |
Die hier vorgelegte Beschreibung steht in Widerspruch zur Analyse Haimos: Zwar deutet Haimo vage an, die Coda könne als Reaktion auf die mediantische Reprisenartikulation verstanden werden; ihre Funktion bestünde vornehmlich in der Prolongation und Bekräftigung der Tonika. Die spezifische Funktion, die dabei allerdings der auskomponierten Dominantfunktion zukommt, findet keine Erwähnung. In der Tatsache, dass diese Dominante durch die Eintrübung kurzzeitig auf g-Moll bezogen ist, sieht Haimo sogar einen erklärungsbedürftigen Umstand, nicht ein Verfahren, dem Eintritt der dritten Tonstufe in Takt 89 eine gesteigerte Wirkung zu verleihen: »Perhaps the coda functions as a response to the unsatisfactory harmonic progression at the end of the development section and the foreshortened development section, as its effect is to prolong the tonic and strengthen it. However, there is a slight emphasis on G minor, which is not otherwise explained […].« (1995, 258) Der letzte Zusatz und die daran anschließende Diskussion des 3. und 4. Satzes macht deutlich, dass Haimo der Coda die Kapazität, den strukturellen Abschluss des 2. Satzes herbeizuführen, abspricht; erst die Folgesätze seien dazu in der Lage. | |
Es handelt sich hier um eine nicht-modulierende Reprisenrückleitung, deren Verhältnis zur vorangegangenen Durchführung durch den von Beth Shamgar geprägten Begriff der ›development extension‹ charakterisiert werden kann, siehe Shamgar 1978, 29. Die Takte 147–152 haben aufgrund der Reduktion des Aktivitätsniveaus und der Dynamik eher die intrinsische formfunktionale Bedeutung einer Reprisenrückleitung, einzig die tonale Orientierung nach Es-Dur ist ›unpassend‹. | |
Wie Floyd Grave (2001) zeigen konnte, werden die großformalen Übergänge nicht nur durch eine charakteristische harmonische Progression vollzogen, sondern ähneln einander auch im Hinblick auf die unisono-Textur, die all diesen Übergängen zugrunde liegt (siehe bereits Raab 1990, 38; 40). | |
In dieser Hinsicht muss Benjamin Perl widersprochen werden, der die Ansicht vertritt, »dass der abrupte Übergang etwas abgemildert wird, so durch schrittweises Erreichen der Tonika ohne harmonische Progression wie in Haydns op. 74 Nr. 2 […].« (2005, 13) | |
Diese Beobachtung findet sich bereits bei anderen Autoren wie z.B. Raab (1990, 39), Feder (1998, 95), sowie Telesco (2002, 359). Wie bereits in Haydns Symphonie Nr. 85 bilden Medianten (III#) die Eckpfeiler der Durchführung und legen somit die Deutung nahe, die Durchführung diene nicht der Prolongation der Dominanttonart, sondern vielmehr der Mediante A-Dur. Gleiches gilt auch für Beethovens Violinsonate op. 24,i. Dagegen erfolgt in Mozarts Streichquartett KV 590,ii der mediantische Übergang sowohl zur Durchführung (G-Es) als auch zur Reprise (E-C) im Großterzabstand, so dass sich die jeweiligen Medianten halbtönig unterscheiden (Es vs. E). In Haydns Symphonie Nr. 54,ii wendet sich das Durchführungsgeschehen (T. 50) ausgehend von der Dominanttonart G-Dur (am Ende der Exposition) eine kleine Terz höher (G-B); das anfänglich stabile, unisono dargebotene b wird als Grundton eines übermäßigen Quintsextakkords reinterpretiert und erhält somit leittönigen Charakter. Dagegen erfolgt am Ende der Durchführung der Großterzsprung von der Mediante E-Dur in die Tonika C-Dur (T. 73–75). | |
Gleiches trifft auch für Haydns Symphonie Nr. 50,iv zu: Die Durchführung schließt hier mit einem augmentierten Quintsextakkord auf es mediantisch an das G-Dur am Ende der Exposition an (T. 67–68). In der Mitte der Durchführung wird der Eintritt des Hauptthemas in der Subdominanttonart F-Dur durch einen Halbschluss in d-Moll mediantisch vorbereitet (T. 85–88). Schließlich wird auch noch der Reprisenübergang durch eine mediantische Progression artikuliert. Als ein weiteres Beispiel, in dem Terzbeziehungen an formalen Gelenkstellen eine signifikante Rolle spielen, ist Dittersdorfs Streichquartett Nr. 1, i zu nennen. | |
Es ist somit nicht die Tonart, die diese Präsentation des Hauptthemas als ›falsche Reprise‹ bzw. ›Scheinreprise‹ (Leichtentritt) erscheinen lässt, finden sich doch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Reihe von Beispielen (etwa bei Clementi, Haydn und Schubert) mit Reprisen, die in der Subdominanttonart beginnen, sondern vielmehr die baldige Abweichung vom Modell der Exposition in Takt 169. | |
Ebenso gibt sich das notierte Metrum zu Beginn des Satzes erst im Rückblick (spätestens ab T. 12) zu erkennen; die synkopiert gesetzte Oberstimme wird beim ersten Hören abtaktig wahrgenommen. | |
Sicherlich eines von vielen Beispielen ist der 1. Satz aus Haydns Symphonie Nr. 54. |
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Anton Bruckner Privatuniversität [Anton Bruckner Private University]
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