Music Theoretical Dimensions of 18th Century Opera with a focus on Mozart’s Don Giovanni
International Orpheus Academy for Music & Theory 2008, Orpheus-Institut, Gent, 26. bis 29. März 2008
Verena Weidner
Die jährliche International Orpheus Academy for Music & Theory des belgischen Orpheus-Instituts ist inzwischen zu einer festen Einrichtung geworden. Im März 2008 fand die Veranstaltung, die wissenschaftliche wie künstlerische Vorträge und Workshops in sich vereint, zum sechsten Mal statt und motivierte etwa dreißig musiktheoretisch Interessierte aus sechzehn verschiedenen Ländern zur Teilnahme. Das Komitee um Peter Dejans, dem Leiter des Instituts, ist darum bemüht, bei der Themenwahl größtmögliche inhaltliche und historische Vielfalt zu bieten. Lautete des Thema der Academy im Vorjahr »Zeitgestaltung in Musik nach 1950«, so fiel die Wahl mit »Music Theoretical Dimensions of 18th Century Opera with a focus on Mozart’s Don Giovanni dieses Mal auf ein im doppelten Wortsinn ›klassisches‹ Thema.
Den Anfang machte Sergio Durante (Padua) mit seinem Vortrag Mozart’s Don Giovanni then and now. Durante fokussierte das Verhältnis von Text, Musik, Bild und Regieanweisung mit dem Ziel, eine Lösung aufführungspraktischer Probleme zu ermöglichen. Die Ergebnisse erwiesen sich als davon abhängig, auf ›welchen‹ Don Giovanni jeweils referiert wurde. Hierzu stellte Durante in seinem zweiten Vortrag herkömmlichen ›romantischen‹ Ansätzen den Versuch einer Rekonstruktion der Mozartschen Originalgestalt gegenüber und öffnete damit den Blick für die Rezeptionsgeschichte des Don Giovanni sowie ihre Folgen für die aktuelle Aufführungspraxis. An seiner Vorliebe für die »außergewöhnliche Vitalität« der dem Geiste des ›enlightenments‹ verpflichteten ›Ursprungs‹-Version ließ er dabei keinen Zweifel.
Anschließend unternahm James Webster (Ithaca, USA) eine Analyse der Mozartschen Ensembletechnik. Der Vortragstitel Towards a Theory of the Ensemble machte deutlich, dass Websters Ansatz auf eine bislang noch ausstehende, umfassende Theoriebildung zielt. Inwieweit seine Unterscheidung zwischen ›individueller Rede‹, ›Dialog‹ und ›Zusammen-Singen‹ es ermöglicht, musikalische wie dramatische Phänomene gleichermaßen zu beleuchten, demonstrierte er anhand des Duetts Là ci darem la mano und des Sextetts Sola, sola in buio loco aus dem zweiten Akt.
Stefan Rohringers (München) Vortrag The two Don Ottavios: Mozart’s modified perspective on his ›primo uomo‹ in the Vienna version of ›Don Giovanni‹ machte deutlich, dass die Veränderungen, die Mozart an der Partie des Don Ottavio nach der Prager Premiere für die Aufführung in Wien vorgenommen hatte, nicht nur auf personalen Gegebenheiten und aufführungspraktische Konventionen zurückzuführen sind, sondern mit einer neuen Konzeptionalisierung der Figur einhergehen. Der Austausch der Arie Il mio tesoro durch die Neukomposition Dalla sua pace ließ Rohringer bereits hier das Moment des ›Erhabenen‹ ins Spiel bringen, das im Zentrum seines zweiten Vortrages stand.
Julian Rushton (Leeds) widmete sich in seinem Vortrag Don Giovanni and the nature of opera den auftretenden Charakteren und den musikalischen Mitteln ihrer Gestaltung. Dabei interessierte ihn insbesondere die Frage, ob der Komponist als Adressaten nur das Publikum oder auch eine andere Person des Stücks intendiert.
Der Regisseur Javier López Piñón (Amsterdam/Den Haag) informierte über das Verhältnis von Wort und Gestik im Schauspiel des 18. Jahrhunderts: Gemessen an heutigen Gewohnheiten habe eine extrem standardisierte Verbindung von Text und Bewegungen bestanden. Für diese These stützte sich Piñón auf Aussagen in Quellen zum Sprechtheater der Mozartzeit (und früherer Epochen), die seiner Auffassung nach auf die Oper übertragen werden können. Mit seinen Überlegungen bereitete Piñón zugleich auf einen gemeinsamen Workshop mit Kenneth Montgomery, (Dirigent am Royal Conservatoire in Den Haag) vor, der darauf zielte, den Teilnehmern der Academy einen Einblick auch in die praktische Bühnenarbeit zu gewähren.
In seinem zweiten Vortrag brachte Stefan Rohringer die Ouverture des Don Giovanni in Verbindung mit der ein Jahr früher entstandenen Prager Sinfonie. Dabei diente ihm das ›Erhabene‹ als Wegweiser für die Analyse. Rohringer fokussierte einerseits einzelne sublime Effekte, die, rhetorischen Figuren nicht unähnlich, punktuell eingesetzt und verstanden worden seien. Andererseits vertrat er mit Blick auf Lyotards Neudeutung einer ›Ästhetik des Erhabenen‹ die These, in Mozarts Haltung gegenüber dem eigenen Komponieren mache sich ab der Zeit des Don Giovanni eine Form der Distanz bemerkbar, durch die Mozarts ›Spätstil‹ generell geprägt sei.
Mit dem abschließenden Vortrag zum Thema Mozart’s Finales: Dramatic and Musical Construction knüpfte Webster an seine früheren Ausführungen an. Insbesondere die Frage nach der Funktion der Tonika im dramatischen Verlauf Mozartscher Opernfinali eröffnete Raum für Differenzierungen. Webster stellte beispielsweise die Konflikthaltigkeit und Instabilität der Anfangs- und Schlusstoniken in den Finali der ersten Akte und die ungleich kräftigere Schlusswirkung der Toniken in den Schlussfinali einander gegenüber. Dabei bezog er sich insbesondere auf das Finale aus dem ersten Akt des Don Giovanni und das Schlussfinale des Figaro.
Abgerundet wurden die Vorträge und Workshops durch drei ›Panels‹, bei denen Publikumsbeiträge ausdrücklich erwünscht waren. Wie schon in den Jahren zuvor nahmen viele Teilnehmer die Möglichkeit wahr, eigene Arbeiten zu präsentieren. Größtenteils handelte es sich um thematische Ergänzungen zum Thema der Academy.
Peter Dejans, Joyce Desmet (activities & communication manager), Joost Vanmaele (artistic staff member) und Heike Vermeire (office manager) sorgten auch dieses Mal mit organisatorischem Geschick und einem stets offenen Ohr für die Wünsche und Anliegen aller Beteiligten für eine besondere Atmosphäre. Eine Publikation ist in Vorbereitung.
Universität Erfurt
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